„Kiew erwartet Mega-Offensive“ titelt De Morgen. „Krieg in der Ukraine wird immer dreckiger“ schreibt De Standaard. „Die Schlacht um Kiev“ nennt es Gazet van Antwerpen. Die Zeitungen beschäftigen sich auch heute auf Titelseiten und Kommentaren mit der aktuellen Kriegslage in der Ukraine.
Het Belang van Limburg stellt fest: Das Ziel dieser Eskalation ist klar. Unter dem Druck der beispiellosen Sanktionen versucht Putin nun, einen schnellen militärischen Durchbruch zu erzwingen. Er zögert nicht, Stadtzentren dem Erdboden gleichzumachen und bombardiert Holocaust-Gedenkstätten wie Babi Yar. Wer die Bilder des verwüsteten Grosny oder Aleppo gesehen hat, weiß: Für die russische Armee zählen die zivilen Opfer nicht. Offenbar nicht einmal, wenn es um ein Brudervolk geht.
Das Gespenst ist wieder da
De Standaard erinnert sich an die 1980er Jahre. Die Absicht, nukleare Mittelstreckenraketen in Westeuropa zu stationieren, brachte damals Hunderttausende von Demonstranten auf die Straßen. Letztendlich gaben die Regierungen - auch die belgische - dem amerikanischen Druck nach, auf die russische Bedrohung zu reagieren. Der russisch-ukrainische Konflikt lässt das Gespenst des alles zerstörenden Atomkriegs von vor 40 Jahren wieder aufleben. Besorgte Bürger stürmen sogar die Apotheken, um Jodtabletten zu kaufen. Die Welt von gestern scheint wieder da zu sein.
Ein neues EU-Gefühl
Le Soir kommt auf die gestrige Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyi im EU-Parlament zurück. „Beweisen Sie, dass Sie uns nicht im Stich lassen werden. Beweisen Sie uns, dass Sie an unserer Seite stehen werden. Beweisen Sie uns, dass Sie Europäer sind": Die Worte Selenskyis werden den EU-Ratspräsidenten, die Kommissionspräsidentin und die EU-Parlamentarier, die von Brüssel aus per Großbildschirm mit den Menschen in der Ukraine verbunden waren, nie wieder loslassen. Die Europäer werden beobachtet, beurteilt und daran gemessen, wie sie auf diesen Appell an ihr Gewissen und ihre Werte reagieren.
Gazet Van Antwerpen notiert dazu: Im Europäischen Parlament hat die EU zum ersten Mal ein echtes europäisches Gefühl gefunden. Nicht aus eigener Kraft, sondern durch den Hilferuf eines Landes, das am Abgrund steht.
Und L‘Echo kommentiert: Putin hat die Europäer innerhalb weniger Tage vereint. Anstatt die Europäische Union zu spalten, hat er das europäische Bewusstsein erweckt. Der Kreml-Herrscher hat den Kampf verloren, da seine Drohungen und seine immer offensichtlicher werdende Inkohärenz ihn zu einem Ausgestoßenen der internationalen Gemeinschaft gemacht haben.
Das zweischneidige Schwert
De Tijd beschäftigt sich mit Wirtschaftssanktionen. Es ist ein Bombenteppich, der die russische Wirtschaft schwer trifft. Die westlichen Länder geben der Ukraine militärische Unterstützung, aber sie kämpfen nicht selbst. Sie setzen auf die wirtschaftliche Waffe, um Russland und Präsident Putin zum Einlenken zu zwingen. Ein Teil der Granatsplitter der auf Russland abgefeuerten Wirtschaftsgranaten wird aber auch auf die westlichen Länder und auf deren Bevölkerung niedergehen. In Form von explodierenden Preisen für Gas und Öl, in Form von teurerem Getreide. Die wirtschaftliche Waffe mag effizient sein, aber sie ist auch ein zweischneidiges Schwert.
Atomausstieg vs. Energieabhängigkeit
De Morgen spannt den Bogen zum gestern veröffentlichten Bericht des Weltklimarats. Dessen Fazit: Die Auswirkungen der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung sind bereits spürbar und werden immer noch unterschätzt. Jetzt ist wirklich keine Zeit mehr zu verlieren für eine andere, nachhaltigere Energiepolitik, die sich von fossilen Quellen abwendet, warnt die Zeitung. Der Atomausstieg, den die Föderalregierung nach wie vor mit, aber mit immer weniger Überzeugung plant, steht dieser Schlussfolgerung diametral entgegen. Nun, da der Krieg in der Ukraine auch die Risiken der Energieabhängigkeit drastisch vor Augen führt, wird es immer schwieriger, den Atomausstieg positiv zu sehen.
Das GrenzEcho stellt den Bezug ebenfalls her. Die Folgen des Klimawandels sind bereits schlimmer, als in selbst pessimistischen Szenarien vorhergesagt. Doch wegen der sich zuspitzenden Ereignisse in Charkiw und Kiew ist die Nachricht beinahe untergegangen. Im Moment scheint es so, dass Russland für alles Übel dieser Erde verantwortlich ist oder verantwortlich gemacht wird. Wir sollten dabei erstens nicht den Fehler machen, Russland auf Putin zu reduzieren, und zweitens dem Irrglauben erliegen, die ökologische Wende sei ohne das Zutun des größten Flächenlandes der Erde erfolgreich zu bewältigen.
La Libre Belgique blickt auf die heutige eilig einberufene außerordentliche Generalversammlung der Vereinten Nationen. Die 193 Mitgliedstaaten werden über eine Resolution abstimmen, die die russische Intervention in der Ukraine verurteilt. Jede Stimme ist wichtig, aber einige Stimmen wiegen schwerer. Wenn Indien und China Russland weiterhin verteidigen würden, würden sie sich nicht nur auf die falsche Seite der Geschichte stellen, sondern auch ihren eigenen Interessen schaden. Welchen Vorteil hätten sie davon, sich blindlings einem Aggressor anzuschließen, der seine wirtschaftliche Entwicklung seiner militärischen Stärke geopfert hat?
„Richtige Flüchtlinge“
Het Laatste Nieuws kommentiert die Wärme, mit der ukrainische Flüchtlinge derzeit hierzulande aufgenommen werden. Für diese Flüchtlinge öffnen wir die Türen, für andere Flüchtlinge errichten wir Mauern. Die Ukrainer sind „richtige Flüchtlinge“, meinen einige rechtsgerichtete Politiker. Andere seien es nicht. Das ist falsch. Syrer und Afghanen fliehen vielleicht nicht vor fremden Armeen, aber vor ihren eigenen brutalen Führern und Regierungen. Der Krieg ist genauso real. Die Gefahr ist genauso real. Die Flucht ist genauso real. Das Elend ist genauso real.
Volker Krings