"Der Widerstand", titelt einfach La Libre Belgique vor einem Foto, das die ganze erste Seite einnimmt und einen ukrainischen Zivilisten zeigt, der sich zur Abwehr der russischen Invasoren bewaffnet hat. "Der Widerstand wächst, der Protest wächst, die Bedrohung wächst", fasst Het Nieuwsblad zusammen. Gemeint ist der Widerstand der ukrainischen Streitkräfte und eben auch der Zivilbevölkerung gegen den Überfall Russlands, die Demonstrationen weltweit dagegen und die polternden, mittlerweile auch nuklearen Drohungen von Putin gen Westen. "Ende des Grauens ist nicht absehbar: Russlands Präsident Wladimir Putin versetzt Abschreckungswaffen in besondere Alarmbereitschaft", so die Überschrift beim GrenzEcho.
Der Westen befindet sich im Krieg mit dem Kreml, selbst wenn dieser Krieg nicht offiziell deklariert worden ist, kommentiert Le Soir. Das Ziel ist jetzt, die Ukraine zu unterstützen in diesem wahnsinnigen Krieg, den Russland ihr erklärt hat. Aber für die Koalition geht es jetzt um noch viel mehr: die Vernichtung der Macht des Mannes, der die Stabilität der freien Welt in Gefahr bringt, der den Fortbestand der demokratischen Werte bedroht, der den Krieg zurück nach Europa gebracht hat. Die Gegenmaßnahmen sind nicht nur koordiniert, sondern auch historisch. Seit Donnerstag hat auch der Druck aus bestimmten Teilen der Öffentlichkeit dazu beigetragen, dass Scholz, Draghi, Macron und die anderen sich ihrer historischen Verantwortung gestellt haben. "Wir werden für die Ukraine kämpfen. Aber wir werden für eure Werte sterben", hat der Geschäftsträger der Ukraine in Belgien am Sonntag gesagt. Diese Worte sagen alles über die Schande, der die Länder der freien Welt ins Gesicht geblickt hätten, wenn sie sich entschieden hätten, nur zuzuschauen, wenn sie beschlossen hätten, auf der falschen Seite der Geschichte zu bleiben, unterstreicht Le Soir.
Der Bruch mit Putin ist irreparabel
Het Nieuwsblad spricht von einer wirklichen internen Revolution in der Europäischen Union: Die EU zeigt sich vereint gegen den Feind Putin, der die Union seit Jahren gegeneinander ausspielt. Durch seine Finanzierung von populistischen und rechtsextremen Parteien - durch seine Manipulationsversuche während des Brexits, der Unabhängigkeitsreferenden in Schottland und in Katalonien - durch den Ausbau seiner Propagandamaschinen Russia Today und Co. Solange Putin an der Macht bleibt, sind normale Beziehungen mit Russland nicht mehr möglich. Das müssen auch seine stillen Verbündeten begreifen, allen voran China, Indien und Brasilien, fordert Het Nieuwsblad.
Egal, wie furchteinflößend die Zukunft auch wird, mit dem Regime Putins können keine Geschäfte mehr gemacht werden, stellt auch De Standaard fest. Der Bruch ist irreparabel. Putin hat sich selbst zum Feind erklärt. Schon wieder droht er nun mit seinem nuklearen Knopf. Das hat er auch schon am Donnerstagmorgen getan, als er seinen Überfall auf die Ukraine offiziell mitteilte, erinnert De Standaard.
Lehren
Der Krieg in der Ukraine konfrontiert uns mit einer unangenehmen Wahrheit, schreibt Het Laatste Nieuws: Das Prinzip der gegenseitigen nuklearen Abschreckung basiert darauf, dass die Person am atomaren Drücker eine rationale und geistig gesunde Person ist. Eine Person, die das Wohl der Bevölkerung im Sinn hat. Seit Wladimir Putin und auch bereits Donald Trump wissen wir, dass diese Grundannahme nicht mehr stimmt, giftet Het Laatste Nieuws.
Het Belang van Limburg zieht zwei Lehren aus dem Krieg in der Ukraine: Erstens müssen wir sorgfältiger sein, mit wem wir Geschäfte machen. Wir handeln zu oft mit Regimen, denen die Menschenrechte nicht viel bedeuten. Man kann Politik und Wirtschaft nicht voneinander trennen. Zweitens darf man den Stolz eines Volkes nie unterschätzen. Das hat sich als die stärkste Waffe der Ukrainer erwiesen. Stolz ist wohlgemerkt etwas anderes als die persönliche Eitelkeit von politischen Führern. Putin wird wohl tatsächlich in die Geschichtsbücher eingehen. Aber nicht als Mann, der - im wörtlichen Sinn - Grenzen verschoben hat. Sondern als Mann, dem seine Grenzen aufgezeigt worden sind. Und als Mann, der selbst im eigenen Land mehr Protest hervorruft, als er unterdrücken kann, hofft Het Belang van Limburg.
Die NATO erntet jetzt, was sie gesät hat, meint Gazet van Antwerpen. Es war nicht durchdacht, 2008 zwei Ländern am Rande Russlands die Aufnahme in das Verteidigungsbündnis zu versprechen – und sie dann mehr als zehn Jahre warten zu lassen. Das konnte nur zu großem Frust bei Putin und zu Enttäuschung bei der Ukraine und Georgien führen. Die NATO, die Europäische Union, sie alle haben Putin unterschätzt. Und es ist besonders bitter, dass es eine brutale russische Invasion der Ukraine gebraucht hat, um allen die Augen zu öffnen, beklagt Gazet van Antwerpen.
Die Chancen auf echte Verhandlungen scheinen klein
Die Waffenhändler werden sich die Hände reiben angesichts des für Putin wohl unerwartet großen Widerstands innerhalb der Ukraine und darüber hinaus, schreibt L'Avenir. Aber für die Zivilbevölkerung, die Millionen Flüchtlinge, die Vertriebenen in diesem Märtyrerland kann das nichts anderes als noch mehr Leiden bedeuten in diesem Blutbad mit ungewissem Ausgang. Der Krieg droht, sich in die Länge zu ziehen, wenn sich in den Gesprächen zwischen Kiew und Moskau nicht die Stimme der Vernunft durchsetzt, so L'Avenir.
La Dernière Heure warnt vor der "falschen ausgestreckten Hand" Putins: Nachdem der die Unterhändler aller Seiten nach Strich und Faden monatelang verschaukelt hat, hält der russische Machthaber auch jetzt an seinen Lügen, falschen Versprechungen und Manipulationsversuchen fest. Putin versucht angesichts des zähen ukrainischen Widerstands sein Kiewer Gegenstück zu einem Fehltritt zu verleiten, indem er Verhandlungen in Belarus vorschlägt. Dem Land, das er als Basis für seinen Überfall auf die Ukraine nutzt. Gleichzeitig hat Putin die ukrainische Armee dazu aufgerufen, gegen ihren Präsidenten zu putschen. Vor diesem Hintergrund scheinen die Chancen für echte Verhandlungen klein, warnt La Dernière Heure.
Boris Schmidt