"Paul Magnette sucht die Flucht nach vorn", titelt das GrenzEcho. "Wie lange möchte Magnette noch in der Mannschaft von De Croo mitspielen? ", fragt De Morgen auf Seite eins. "Wir brauchen beides: die Geschäfte vor Ort und den Online-Handel", zitiert La Libre Belgique den föderalen Finanzminister Vincent Van Peteghem auf ihrer Titelseite.
Der Vorschlag von PS-Chef Paul Magnette, den Online-Handel in Belgien auf Null zu fahren, löst erneut großes Echo in den Zeitungen aus.
La Libre Belgique kommentiert: Diese Forderung ist rückwärtsgewandt und utopisch. Richtig ist, dass der Online-Handel reguliert werden muss. Denn er stellt uns vor Herausforderungen für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt. Doch wegen dieser Schwierigkeiten und vielleicht unbequemen Veränderungen den Online-Handel komplett zu verbieten, wäre der falsche Weg. Belgien darf sich nicht abkoppeln von weltweiten Entwicklungen, die Wirtschaft und Technologie längst ergriffen haben dank der neuen Möglichkeiten des Internets. Die PS läuft Gefahr, mit solchen Forderungen die frankophonen Partner zu schockieren und ihre Glaubwürdigkeit in Flandern zu verlieren, glaubt La Libre Belgique.
Het Nieuwsblad findet: Das war ein völlig unnötiger Vorschlag von Magnette. Er wirft aber ein Licht auf den Zustand der Föderalregierung: In der Vivaldi-Koalition scheint nichts zu laufen. Die PS regiert dort ja zusammen mit der MR und der OpenVLD. Der Vorschlag von Magnette läuft den Zielen dieser beiden Parteien völlig entgegen. Nicht nur zwischen den Zeilen kann im Vorschlag von Magnette also auch Kritik an diesen beiden Parteien herausgehört werden. Aber wozu? Die Zeit bis zu den nächsten Wahlen droht für die Föderalregierung desaströs zu werden, ärgert sich Het Nieuwsblad.
Sowohl Politik als auch Bürger sind gefordert
Bei Het Belang Van Limburg heißt es: Natürlich ist der Vorschlag von Magnette eine Utopie, und das weiß auch Magnette. Sein Anliegen ist ein anderes: Er will im Wettstreit der Ideologien zwischen den Liberalen von MR und OpenVLD und seinen Sozialisten punkten. Er will sich wehren gegen die neuen, prekären Arbeitsverhältnisse, die mit dem Online-Handel immer mehr zunehmen. Es geht also eher um die Frage, wie wir in Belgien mir dieser Realität umgehen wollen. Magnette will die Menschen schützen, die in der Online-Realität arbeiten. Das Nachdenken darüber lohnt sich. Ob tatsächlich alles, was wir kaufen, in einem Päckchen an die Haustür geliefert werden muss, gibt Het Belang Van Limburg zu bedenken.
L'Avenir meint dazu: Es wird nicht reichen, nur an die Verantwortung der Bürger zu appellieren. Wenn man den Online-Handel nicht wild weiter wuchern lassen möchte mit all den Nachteilen für Umwelt und die sozialen Bedingungen der Arbeitnehmer, benötigen wir auch die Politik. Auf allen Ebenen. Auch der föderalen Ebene. Die Föderalpolitik hat sogar besonders viele Kompetenzen, um zu regulieren. Das sollte die Regierung jetzt machen. Wenn möglich bitte seriös, wünscht sich L'Avenir.
Daten, Macht und Kontrolle
Le Soir beschäftigt sich mit dem angekündigten Rücktritt des Leiters der föderalen Datenschutzbehörde, Frank Robben. Die EU-Kommission hatte mit einem Prozess gegen Belgien gedroht, weil Robben auch Mitglied von Unternehmen ist, die von der Datenschutzbehörde kontrolliert werden. Die EU-Kommission wittert Interessenskonflikte.
Le Soir bemerkt: Belgien hat Frank Robben viel zu verdanken. Trotzdem ist es richtig, dass er jetzt seinen Posten aufgibt. Denn wie genau unsere persönlichen Daten genutzt werden, muss tatsächlich von einer völlig unabhängigen Einrichtung kontrolliert werden. Dass es diesen Zustand in Belgien nicht mehr gibt, liegt auch daran, dass das Parlament seine Rolle beim Datenschutz nicht gespielt hat. Das Parlament hat eine Kontrollfunktion. Dass eine einzige Person zu viel Macht über unsere Daten bekommen konnte, liegt auch daran, dass das Parlament seine Kontrollfunktion nicht wahrgenommen hat, kritisiert Le Soir.
Das rüde Spiel der Wirtschaftsmächte
De Tijd kommentiert zum so genannten Chips Act, mit dem die EU-Kommission die Produktion von Halbleitern in der EU fördern möchte: Es ist zu begrüßen, dass die EU für dieses Ziel von bislang geltenden Grundsätzen abweicht. Um die Produktion von Microchips zu fördern, dürfen EU-Staaten künftig Unternehmen subventionieren – bislang ein rotes Tuch für die EU-Kommission.
Diese Entscheidung ist auch als eine Reaktion auf die Realitäten zu sehen: Fast nirgends in der Welt spielt man mit den gleichen Regeln, wie in der EU. Das hat zu einer Abhängigkeit von Produkten geführt, die aus Asien, den USA und sonst woher kommen. Nicht nur bei den Microchips, auch bei medizinischen Produkten hat Europa das in der Pandemie schmerzhaft zu spüren bekommen. Sie fehlten plötzlich, die EU wurde abhängig. Im immer rüder werdenden Spiel der Wirtschaftsmächte in der Welt ist es gut, die Eigenständigkeit wieder mehr zu fördern, freut sich De Tijd.
Kay Wagner