"Energie treibt die Spirale an - Inflation steigt auf Rekordniveau von 7,59 Prozent", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Die Inflation ist auf dem höchsten Stand seit fast 40 Jahren", so der große Aufmacher unter anderem bei L'Echo. "… und das nagt an Ihrem Ersparten", ergänzt Het Nieuwsblad.
Es handelt sich um ein weltweites Phänomen, dem auch wir Belgier ausgeliefert sind, kommentiert De Standaard. Die, die in den Genuss davon kommen, können sich zumindest über die automatische Indexanpassung der Löhne freuen. Die verhindert aber nicht das Wegschmelzen des Ersparten. Es gibt keine sichere Zuflucht mehr für das Geld, egal, wohin man blickt. Am härtesten trifft die Rekordinflation aber die niedrigeren Einkommen, weil die Indexanpassung hier weniger wirksam greift. Wir durchlaufen gerade eine kollektive Verarmung - und das in einer Pandemie, die schon zwei Jahre lang das gesellschaftliche Leben bremst, polarisiert und Ungleichheiten verschärft. Ungleichheiten, die von Tag zu Tag zunehmen. Wir leben gerade in spektakulär unvorhersehbaren Zeiten: Niemand weiß, wann das Corona-Barometer auf grün schaltet, ob Wladimir Putin den Krieg entfesselt, wieviel teurer die Energie noch wird oder wieviel Wohlstand vernichtet werden wird.
Die Regierung hat es nicht in der Hand, uns die Angst zu nehmen, die mit der Unsicherheit wächst. Aber zumindest könnte sie es ja zu einer Priorität machen, diese Angst nicht durch Planlosigkeit und Profilierungsdrang noch schlimmer zu machen, ätzt De Standaard.
Eine verrückte, unorthodoxe Idee
Das Schlimmste an der Situation sind noch nicht einmal die explodierenden Preise, schreibt Le Soir. Das Schlimmste ist, dass die Menschen von einer Föderalregierung im Stich gelassen werden, die sich noch immer nicht auf ein Vorgehen einigen konnte. Vier Monate lang feilschen und streiten die sieben Parteien der Vivaldi-Koalition schon über die Vorschläge, die sie selbst als Versprechen in den Ring geworfen haben. Ist das denn wirklich so kompliziert? Nein! Auf der langen To-Do-Liste der Föderalregierung ist das sogar eine der einfachsten Aufgaben. So etwas nennt man schlicht und einfach "Regieren". Oder braucht es wirklich die tödliche Gefahr der Covid-Pandemie, um die Vivaldi-Regierung zum Handeln und zur Einigkeit zu zwingen? Dass die Menschen so allein gelassen werden ist nicht nur unanständig und unverantwortlich, sondern auch noch selbstmörderisch, wettert Le Soir.
Das Ganze wird für Premier De Croo immer mehr zu einer entscheidenden Frage, meint De Morgen. Wenn es seiner Regierung nicht einmal gelingt, sich über Maßnahmen zur Dämpfung der Energierechnungen der Bürger zu einigen, was soll sie dann noch hinbekommen? Die Regionalregierungen darf man allerdings auch nicht aus der Verantwortung nehmen. Wir haben eine ganz verrückte Idee: Wie wäre es denn, wenn Premier De Croo und die Ministerpräsidenten den Energieschock denn mal wichtig genug finden würden, um gemeinsam eine Lösung auszuarbeiten? Es ist schon vielsagend, dass politische Zusammenarbeit in diesem Land eine unorthodoxe Idee ist. Es wäre aber sehr sinnvoll angesichts der zersplitterten Zuständigkeiten, was die Energie angeht. Man sollte auch den Symbolwert nicht unterschätzen, wenn die politisch Verantwortlichen beweisen würden, dass sie wichtige von weniger wichtigen Dossiers unterscheiden können. Deshalb: ein Konzertierungsausschuss jetzt!, fordert De Morgen.
Schockierend in jeder Hinsicht
In Flandern sorgt weiter ein Messerangriff eines Zwölfjährigen auf einen Polizisten für sehr viel Wirbel. Alles an dieser Geschichte ist schockierend, findet Het Laatste Nieuws: das Alter des Täters, der Mangel an Respekt gegenüber der Polizei, aber auch die Nonchalance, mit der der Junge ohne zu zögern zugestochen hat. In anderen Ländern ist das Problem der Messergewalt noch viel größer, aber Belgien fliegt hier dennoch blind. Die letzte Erhebung über Waffenbesitz bei Kindern und Jugendlichen stammt aus dem Jahr 2018. Mit so alten Daten ist es schwierig, Entwicklungen akkurat im Auge zu behalten. Die Frage ist nun, was getan werden soll.
Ein generelles Messerverbot in der Gesellschaft ist quasi unmöglich. Metalldetektoren an den Eingängen lehnen die Schulen aus nachvollziehbaren Gründen ab. Die Direktionen weisen auch darauf hin, dass viele der Schüler sich bewaffnen, um sich zu schützen, weil sie sich unsicher, bedroht und gemobbt fühlen. Die erfolgreichsten Kampagnen im Ausland setzen darauf, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. In den Niederlanden gibt es auch anonyme Einsammelaktionen für solche Waffen. Als Gesellschaft müssen wir zumindest verhindern, dass der Griff zum Messer bei Teenagern noch "normaler" wird, appelliert Het Laatste Nieuws.
Het Belang van Limburg legt den Fokus auf die Familien solcher Täter: Hier muss man ansetzen. Außerdem muss es eine individuell angepasste und verpflichtende Begleitung für Kinder aus diesen problematischen Umfeldern geben. Das hat sich weltweit als die beste Strategie erwiesen. Die Diskussion darf in den nächsten Tagen nicht versanden in einer Debatte über hartes oder weiches Vorgehen. Es muss darum gehen, was wirkt und was nicht. Nur das hilft, unterstreicht Het Belang van Limburg.
Het Nieuwsblad greift den Skandal um die Zustände in Altenheimen des französischen Konzerns Orpea auf, der auch Einrichtungen in Belgien betreibt: Die Lücke, die der Staat seit Jahrzehnten bei der Zurverfügungstellung von Heimplätzen hinterlassen hat, ist von privaten, auf Profit ausgerichteten Unternehmen gefüllt worden. Diese Entwicklung umkehren zu wollen, das wäre ein hoffnungsloses Unterfangen. Die große Herausforderung muss also sein, zumindest die Qualitätskontrollen in den Alten- und Pflegeheimen zur Priorität zu machen. Denn es ist nicht normal, dass die Anzahl von Kontrollen seit Jahren systematisch abnimmt. Es ist auch nicht normal, dass Heime zwei Jahre lang auf schwarzen Listen stehen können, ohne dass sich dort etwas verbessert, giftet Het Nieuwsblad.
Nicht in die Falle tappen
La Libre Belgique blickt auf die Spannungen mit Russland: Versailles, Trianon, München oder Jalta - diese Namen läuten wie Sturmglocken in der Geschichte nationalistischen Revanchismus'. In diese Falle dürfen wir nicht tappen. Über die Köpfe der Ukrainer hinweg zu entscheiden würde die Gefahr mit sich bringen, das Vertrauen treuer Verbündeter zu verlieren, die vielfach ihre demokratischen Werte und den Willen zur europäischen Integration unter Beweis gestellt haben. Die langfristigen Folgen könnten katastrophal sein.
Jetzt, da Wladimir Putin droht, die dunkelsten Stunden des 20. Jahrhunderts für den Kontinent wiederzubeleben, sollte man vielmehr die Gelegenheit ergreifen, um über eine europäische Sicherheitsarchitektur für das 21. Jahrhundert nachzudenken - unter Beteiligung der betroffenen Völker. Das beinhaltet die Ukrainer. Und sicher auch die Russen, vorausgesetzt sie hätten denn eine eigene Stimme, stellt La Libre Belgique klar.
Boris Schmidt