"Ein Konzertierungsausschuss, um Weihnachten zu retten", titelt Le Soir. "Premier De Croo räumt Fehleinschätzung ein - Veranstaltungssektor Opfer von Corona", resümiert das GrenzEcho die am Freitagb beschlossenen neuen Schutzmaßregeln. "Gefürchtete Variante taucht in Belgien auf", meldet unter anderem Het Laatste Nieuws hinsichtlich der zuerst in Südafrika entdeckten sogenannten "Omikron"-Variante.
La Dernière Heure spürt nach der Ankündigung der neuen Entscheidungen des Konzertierungsausschusses fast ein Gefühl der Erleichterung - Erleichterung darüber, strengeren Regeln entgangen zu sein. Die neuen Einschränkungen scheinen schon beinahe leicht - und in jedem Fall mindestens akzeptabel.
Der Konzertierungsausschuss hat am Freitag das beschlossen, was er vor einer Woche hätte beschließen müssen, urteilt Het Belang van Limburg. Da muss man sich schon fragen, warum solche Entscheidungen nicht einmal rechtzeitig getroffen werden können. Festzuhalten ist aber, dass die politisch Verantwortlichen endlich auf die Alarmrufe aus dem Gesundheitssektor reagiert haben. Auch gegen die Überlastung der Hausärzte wird mit den "Walk-in"-Testzentren etwas unternommen werden. Ob Weihnachten dieses Jahr wirklich noch zu retten ist, wird man erst Mitte Dezember wissen. Aber immerhin waren die Politiker schlau genug, sich mit den neuen Maßregeln nicht in das Privatleben der Menschen einzumischen. Das macht das Ganze erträglich.
Solidarität ist mehr denn je die Losung
Gazet van Antwerpen findet die Maßnahmen hingegen mindestens halbherzig. Es ist ein bisschen von allem und in jedem Fall kommen die Entscheidungen zu spät. Hätte man das schon beim letzten Konzertierungsausschuss vor einer Woche entschieden, dann wäre die Situation jetzt vielleicht nicht so dramatisch. Man muss auch bemängeln, dass schon wieder zu sehr auf eine begrenzte Dauer der Maßnahmen verwiesen wird. Die Verlängerung ist doch schon absehbar. Eine deutliche Linie vermisst man in dem Paket ebenfalls. Positiv ist aber, dass das Privatleben verschont worden ist. Es ist unsere gesellschaftliche Pflicht, uns an die Regeln zu halten, Solidarität ist mehr denn je die Losung im Kampf gegen das immer ansteckendere Virus.
Het Nieuwsblad schlägt in die gleiche Kerbe: Das Gefühl, dass der Staat bestimmen wollte, was hinter unseren Gardinen passiert, war beklemmend. Jetzt bitten die Behörden lediglich darum, sich im privaten Bereich vorsichtig zu verhalten. Damit legen sie die Verantwortung mit in die Hände jedes einzelnen Bürgers. Es besteht kein Zweifel daran, was uns in den kommenden Wochen erwarten wird - und auch nicht daran, dass wir darin die Hauptrolle spielen werden.
Demut ist angebracht
Das GrenzEcho fragt sich, warum die Menschen angesichts massiver Impfdurchbrüche nicht schon auf die nächste Corona-Welle vorbereitet werden. Die Zeitung wendet sich auch dagegen, Ungeimpfte als "Blitzableiter" herzunehmen, ebenso wie gegen eine Impfung von Kindern. Der Schlüssel aus dieser Krise liegt im (Selbst-)Schutz der Schutzbedürftigen. Warum hat man außerdem nicht viel früher angefangen, sich mit den Impfskeptikern auseinanderzusetzen und älteren und immungeschwächten Menschen Auffrischimpfungen angeboten? Politik und Experten kann man sicher nicht aus der Verantwortung nehmen für die Lage, in der wir uns im zweiten Jahr in Folge befinden.
Es ist schwierig, das Fiasko zu verbergen, ganz auf die Impftechnologie gesetzt zu haben, wütet derweil L'Avenir. Eine Technologie, deren Wirksamkeit nie bewiesen wurde und die jetzt ihre Grenzen aufzeigt. Diese jetzige katastrophale Winterwelle war vorhersehbar. Fehler machen kann natürlich jeder, aber die Politik sollte dann auch die Verantwortung übernehmen, die Fehler korrigieren und Überzeugungsarbeit leisten.
Das sieht De Tijd etwas differenzierter: Nicht nur die Politik hat die Impfstoffe zu schnell und zu entschieden als Schlüssel zum Reich der Freiheit propagiert - auch die Medien haben das getan. Man kann wirklich nur von Glück sprechen, dass Belgien einen so hohen Impfgrad hat. Das schützt uns jetzt vor einer totalen Katastrophe mit viel mehr Todesopfern. Dass wir aber wieder in so einer Situation wie jetzt sind, untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung. Transparenz über wissenschaftliche Zweifel und die Tatsache, dass Erkenntnisgewinn ein gradueller Prozess ist, ist vielleicht nicht das, was die Menschen kurzfristig hören wollen. Es wäre aber die nachhaltigste Strategie.
Ähnlich der Kommentar von De Morgen: Die Gefahr durch die abnehmende Schutzwirkung der Impfungen ist nicht ausreichend berücksichtigt worden - mit großen Folgen. Andere Schutzmaßnahmen sind zu früh über Bord geworfen, Booster-Impfungen zu spät begonnen worden. Auch die Überzeugungswirkung des Corona-Passes auf Impfunwillige ist überschätzt worden. Man hat alles auf die Impfungen gesetzt und nicht an einen Plan B gedacht. Diesen Schuh müssen sich aber nicht nur die politischen Entscheidungsträger anziehen, sondern auch wir. Ein wenig Demut ist angebracht.
Vorausplanung, Mut und Optimismus
La Libre Belgique fordert, vorauszuplanen. Auch wenn wir gerade von der vierten Welle überspült werden, sollten wir uns schon auf die nächste vorbereiten. Denn sie wird kommen, da gibt es kein Entrinnen. Die Impfstoffe mögen keine Wirksamkeit von 100 Prozent haben, aber sie erlauben, dem Chaos zu entkommen. Die Notwendigkeit einer Pflichtimpfung von Risikopatienten, in Abhängigkeit von Alter und Vorerkrankungen, scheint immer offensichtlicher zu werden. Das wird zweifelsohne eine polarisierende und politisch riskante Entscheidung - aber es wäre mutig.
Ein kalter, verregneter Tag, ein neues Maßnahmenpaket und dann noch eine frische Corona-Variante, fasst Het Laatste Nieuws zusammen. Da ist es nicht einfach, optimistisch zu bleiben. Aber dennoch: Wenn jemand aus dem November 2020 nach heute teleportiert würde, dann würde ihm der Mund vor Staunen offen bleiben angesichts der geringen Einschränkungen, mit denen wir der neuen, großen Corona-Welle Herr werden wollen. Diese Freiheit haben wir den Impfstoffen zu verdanken. Lasst uns verantwortungsvoll mit ihr umgehen.
Boris Schmidt