"Corona-Pass wirkt: +22 Prozent Impfungen", so der große Aufmacher bei Het Nieuwsblad. "Ohne genetisches Material hergestellt könnte der neue Impfstoff Covovax die Widerspenstigen überzeugen", schreibt La Libre Belgique. "Mehr Krankenhausaufnahmen: Druck auf DG-Hospitäler nimmt zu" und "Maskenpflicht in den Schulen wird verschärft", hat das GrenzEcho gleich zwei Corona-Meldungen auf seiner Titelseite.
Es sind Lichtpunkte zum Beginn der dunklen Woche, kommentiert Het Nieuwsblad: Es werden deutlich mehr Termine vereinbart für Impfungen, seitdem auch in Flandern das Covid-Safe-Ticket eingeführt worden ist. Auch die Corona-Zahlen scheinen sich sehr vorsichtig in eine bessere Richtung zu bewegen. Genauer gesagt: Sie steigen zwar noch, aber langsamer.
Trotz des lauten Gekeifes in den sozialen Medien über die Verschärfung der Corona-Regeln scheint es, als ob es den gesunden Menschenverstand doch noch gibt. Natürlich steht es jedem frei, zu denken, was er will und seinem Unmut auch Luft zu machen. Kritik ist erlaubt, genauso wie die Nase voll zu haben. Aber am Ende werden es die vielen kleinen, individuellen Entscheidungen zugunsten der Solidarität und des gesunden Menschenverstands sein, die den Unterschied machen werden, ist Het Nieuwsblad überzeugt.
Große Versprechen, Optimismus und Pragmatismus
Mehr als mit der Pandemie beschäftigen sich die Leitartikel heute aber mit der UN-Klimakonferenz in Glasgow. Diverse flämische Zeitungen konzentrieren sich hierbei auf den weiterhin nicht vorhandenen Klimaplan im Norden des Landes. De Standaard aber betrachtet das Ganze etwas globaler. Eine große Gruppe finanzieller Institutionen hat gestern ein beeindruckend klingendes Versprechen gemacht – "Big Finance" will mit 130 Billionen Dollar das Klima retten. Aber was so beeindruckend klingt, ist in Wirklichkeit das absolute Minimum, das man von verantwortungsbewussten Firmen verlangen kann. Die Summe ist auch nicht etwa frisches Geld, das in neue Investitionen gesteckt werden soll, sondern Geld, das diese Institutionen schon jetzt verwalten und das so angelegt werden soll, dass es den Klimazielen von Paris entspricht. Kritiker werfen den Geldanlegern auch sehr begrenzte Ambitionen vor beziehungsweise, dass ihre Verpflichtungen wenig konkret sind, analysiert De Standaard.
Xi Jinping, Wladimir Putin und Jair Bolsonaro haben es nicht für nötig gehalten, selbst zu kommen. Andere sind im Privatjet angereist. Die meisten Länder sind mit dem Wiederaufbau ihrer Wirtschaft nach der Pandemie beschäftigt, nicht mit der Reduzierung des CO2-Ausstosses, fasst De Morgen zusammen. Wer die Klimakonferenz verfolgt, droht in Depressionen zu verfallen. Aber die Flinte ins Korn zu werfen und zu verzweifeln, wäre eine unlogische Reaktion. Erstens bleibt es sehr sinnvoll, die Erderwärmung so stark wie möglich zu begrenzen – auch wenn wir die 1,5 Grad nicht mehr schaffen werden. Zweitens sollte man nie vergessen, dass Klimakonferenzen unumgängliche und träge politische Rituale sind, die zum Teil auch nichts anderes als Theater sind. Die wirklichen Durchbrüche passieren anderswo. Der Vormarsch von Wind- und Sonnenenergie ist nicht mehr aufzuhalten, auch, weil der Verbraucher das so will. Drittens: Es hat sich schon mehr verändert, als wir denken, unterstreicht De Morgen.
Wir leben nicht in einer idealen Welt, erinnert La Dernière Heure. Deswegen müssen die Lösungen für das Problem des Klimawandels pragmatisch sein. Jenseits des politischen Diskurses muss nämlich auch die Bevölkerung mitspielen. Für sich genommen mögen sie nicht entscheidend sein, aber unsere kleinen alltäglichen Gesten sollten auch nicht als verlorene Tropfen in einem Ozean betrachtet werden. Wir müssen nicht alle zu grünen Heiligen werden. Aber kleine Änderungen etwa beim Verkehr, beim Fleischkonsum, beim Import von Gütern aus allen Ecken der Welt, beim Verbrauch von Wasser und Elektrizität – all das ist Teil der Lösung, betont La Dernière Heure.
Falsche Schuldgefühle
La Libre Belgique befasst sich derweil mit den Opfern sexueller Gewalt. Dass immer mehr von ihnen das Wort ergreifen zeigt, welchen Mut sie haben, dass sie ihre Scham, ihre Angst und ihre Schuldgefühle überwinden können. Wobei diese Schuldgefühle nie und unter keinen Umständen gerechtfertigt sind. Sexuelle Gewalt ist nie die Schuld der Opfer, nur der Täter. Diese Verbrechen vor allem gegen Frauen sind ein strukturelles und massives Problem. Und die Behandlung der Opfer durch Polizei und Justiz lässt noch viel zu wünschen übrig. Darüber hinaus muss aber auch schon bei der Erziehung der Kinder und Jugendlichen angesetzt werden, um dieser Vergewaltigungskultur ein Ende zu bereiten, fordert La Libre Belgique.
L'Avenir kommt zurück auf die Drohung von papierlosen Aktivisten in Brüssel, wieder in den Hungerstreik zu treten. Die Aktivisten und ihre Unterstützer werfen dem föderalen Asylstaatssekretär Sammy Mahdi vor, sein Wort gebrochen zu haben. Der hatte im Juli eher ermutigende Perspektiven angeboten, um den damaligen Hungerstreik zu beenden. Diese Worte haben aber wenig Konkretes erbracht für die Hungerstreikenden, die eine Regularisierung verlangen.
Man kann das Argument des Asylstaatssekretärs nachvollziehen, dass hier kein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen werden soll, dass man Papiere nicht durch den Aufbau von Druck erhalten kann. Was allerdings nicht nachvollziehbar ist, ist die Weigerung, rechtliche Kriterien für eine Regularisierung aufzustellen. Diese Weigerung führt zu nichts anderem als zu mehr Frust und Spannung – in einer Politik, der es ohnehin schon an Kohäsion und Klarheit mangelt.
Dennoch sollte man einen weiteren Faktor nicht außer Acht lassen: Mahdi ist CD&V-Politiker und die flämischen Christdemokraten wollen im Norden des Landes auch nicht von der Bildfläche verschwinden. In einem immer rechteren Flandern warten gerade der Vlaams Belang und die N-VA nur darauf, die föderale Flüchtlingspolitik auseinanderzunehmen – und damit auch das Schicksal der Papierlosen. Mahdi sind also in gewisser Weise die Hände auch gebunden, gibt L'Avenir zu bedenken.
Eine große politische Niederlage
International ist es der Sieg der Republikaner bei der Gouverneurswahl im US-Bundesstaat Virginia, der in den Leitartikeln Wellen schlägt. Die Wahl war als Stimmungstest für Präsident Joe Biden angekündigt worden. Dass der Kandidat der Republikaner gewonnen hat, ist also eine große politische Niederlage für die Demokraten, so De Tijd. Einerseits ist das eine Bestrafung für das Gekabbel zwischen den radikaleren und gemäßigteren Fraktionen innerhalb der demokratischen Partei. Andererseits hat der neue republikanische Gouverneur gezeigt, dass die Partei Stimmen zurückgewinnen kann, indem sie zwar Abstand zu Trump hält, den Faden zu seiner Basis aber nicht abreißen lässt.
Die demokratische Niederlage in Virginia beweist vor allem eines: Die tiefe Spaltung und die große Instabilität in der amerikanischen Politik. Diese Wahl sagt allerdings nichts aus über den Ausgang des Rennens um die Präsidentschaft 2024. Dafür ist es noch viel zu früh, meint De Tijd.
Boris Schmidt