"Wieder Masken in der Grundschule", titelt De Morgen. Gazet van Antwerpen ist präziser: "Wieder Masken im fünften und sechsten Grundschuljahr." "Masken in Grundschulen sollen die Zahl der Quarantänen senken", schreiben De Standaard und Het Belang van Limburg auf Seite eins.
In Flandern "feiern" die Masken in den Schulen ihr Comeback. Und auch im frankophonen Landesteil soll die Maskenpflicht nach den Herbstferien im Sekundarschulwesen wieder eingeführt werden. In Flandern sind nicht alle glücklich mit der Maßnahme. "Die Regeln in den Schulen sind strenger als außerhalb", beklagen Spitzenvertreter des flämischen Unterrichtswesens auf Seite eins von Het Nieuwsblad.
Beschlossen wurden die neuen Maßnahmen für die Schulen einen Tag nach dem Konzertierungsausschuss. Am Montagabend hatten sich ja die Vertreter aller Regierungen des Landes unter anderem auf die Ausweitung des Einsatzes des Covid-Safe-Tickets geeinigt. In Flandern kommt die Entscheidung ganz schlecht an. Der N-VA-Ministerpräsident Jan Jambon muss sich von der eigenen Parteibasis vorwerfen lassen, allzu schnell eingeknickt zu sein.
"Operation Schadensbegrenzung"
Einige scheinen immer noch nicht verstanden zu haben, dass es in der Corona-Krise keine absolute Gewissheit gibt, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. Längst hat sich doch gezeigt, dass sich der Blick auf das Phänomen permanent verändert und dass entsprechend auch die Eindämmungsmaßnahmen immer wieder korrigiert werden müssen. Schon mehrmals wurde das viel beschworene "Reich der Freiheit" zu früh angekündigt. Immer wieder schlägt uns das Virus ein Schnippchen. Seltsam nur, dass gewisse Parteien immer noch nicht begriffen haben, dass man sich nicht auf spezifische Maßnahmen einschießen sollte, um sich zu profilieren. Vor dem Konzertierungsausschuss hatte die N-VA lautstark gegen die Einführung des Covid-Safe-Tickets in Horeca-Betrieben oder Fitnessstudios getrommelt. Das war tatsächlich bis vor Kurzem noch ein Tabu: CD&V und OpenVLD hatten aber inzwischen eingesehen, dass an der Maßnahme kein Weg vorbeiführt. Entsprechend war deren Kehrtwende noch einigermaßen elegant. Die N-VA hat das offensichtlich nicht kommen sehen. In der Politik gilt so etwas als schwerer Fehler. Die "Operation Schadensbegrenzung" verlief dann wieder nach dem alten Muster: "Dieses Land funktioniert nicht mehr, Schuld sind die anderen!" Die N-VA will die Lektion offensichtlich nicht lernen.
Man könnte Jan Jambon eigentlich auch loben, meint Gazet van Antwerpen. Dass er dem CST zugestimmt hat, zeugt schließlich von Pragmatismus. In der Politik geht es aber immer auch um die Wahrnehmung. Und innerhalb der N-VA wirft man Jambon vor, dass er es zulässt, dass "Flandern die Zeche für die niedrige Impfquote in der Wallonie und in Brüssel zahlt". Dabei vergisst man, dass auch Flandern auf der europäischen Corona-Karte weinrot gefärbt ist. Beobachter verstehen denn auch die Haltung der flämischen Nationalisten nicht mehr.
"Immer die gleiche Leier!", giftet seinerseits Het Nieuwsblad. Der TV-Auftritt von N-VA-Chef Bart De Wever, der seinen Ministerpräsidenten wild entschlossen verteidigte, war doch allzu vorhersehbar. Schuld sind immer die anderen. Es ist eine "Verschwörung gegen die N-VA, wenn nicht sogar gegen ganz Flandern". Dieses Lied kennen wir längst auswendig. Einmal einen Fehler zuzugeben, ist für die N-VA offensichtlich unmöglich. Und darunter leidet inzwischen auch das Image der Partei. Die N-VA umgibt eine säuerliche Aura. Es ist das Bild einer Partei, die nichts anderes mehr tut, als zu blockieren. Das sogar auf die Gefahr hin, dass man der eigenen Region und damit den eigenen Bürgern schadet. Zieht endlich mal andere Register!, denn niemand glaubt euch noch.
Energiepreisspirale – es reicht!
Ganz andere Geschichte auf Seite eins von De Tijd: "Nach Strom und Gas wird nun auch die Tankfüllung spürbar teurer", schreibt das Blatt. Die Preise für Benzin und Diesel waren ja ohnehin schon ziemlich hoch, inzwischen brechen sie aber alle Rekorde. "Treibstoffe und Heizöl: Die Preise steigen immer noch", bemerkt auch L'Avenir.
Langsam aber sicher reicht's, wettert das Blatt in seinem Leitartikel. Die astronomischen Energiepreise schaden ernsthaft der Kaufkraft der Belgier. Zugegeben: Die Politik ist da in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite will man fossile Energien nicht mehr weiter fördern, weil man sich ja schließlich von ihnen verabschieden muss. Auf der anderen Seite reißt die aktuelle Krise den Haushalten aber ein tiefes Loch ins Portemonnaie. Ja, die Energiewende wird kommen. Was aber nicht bedeutet, dass man nicht kurzfristig Lösungen finden muss. Man denke nur an die Gelbwesten.
De Tijd sieht das ähnlich. Das eine schließt das andere nicht aus, meint das Blatt sinngemäß. Energie ist und bleibt ein zentraler Faktor in unserer modernen Gesellschaft. Klar: Wir befinden uns derzeit in einer Übergangsperiode. Doch bevor man fossile Brennstoffe abschreibt, muss man sicher sein, dass Alternativen bereitstehen. Entsprechend war es denn auch ein sträflicher Fehler, dass man etwa die Gasreserven in Europa nicht rechtzeitig aufgefüllt hat. Umso abhängiger ist man jetzt vom Gutdünken Russlands beziehungsweise der OPEC. Wir brauchen nicht nur Klimapläne, sondern auch Energiepläne, um den Übergang hin zu einer nachhaltigeren Welt möglich zu machen.
Der Kolonialvergangenheit ins Auge sehen
Einige Zeitungen schließlich beschäftigen sich mit dem Expertenbericht über die belgische Kolonialvergangenheit, der jetzt dem zuständigen Sonderausschuss des Parlaments vorgelegt wurde. Darin werden schonungslos die Gräueltaten und die systematische Ausbeutung in der heutigen Demokratischen Republik Kongo angeprangert.
Der Bericht hält Belgien den Spiegel vor, analysiert sinngemäß Le Soir in seinem Kommentar. Das Gutachten enthält zwar nicht wirklich neue Elemente. Erschreckend ist aber, wie systematisch das Land ausgebeutet und die Bevölkerung misshandelt wurde. Fundament von alledem war ein ausgeprägter Rassismus. Die Mythen über das angebliche "zivilisatorische Engagement" Belgiens in seiner ehemaligen Kolonie gehören definitiv auf die Müllhalde der Geschichte.
Roger Pint