"Ein historischer Donnerstag?", fragt hoffungsvoll L'Avenir auf seiner Titelseite. "Doppeltes Rendez-vous mit der Geschichte", schreibt Het Laatste Nieuws. "Going for Gold (x2) – Hockey 12:00 Uhr, Siebenkampf 14:30 Uhr", bringt Het Nieuwsblad die wichtigsten Eckdaten für den aus belgischer Sicht potenziell sehr wichtigen Olympia-Tag.
In den Leitartikeln spielt der Sport heute jedoch noch keine Rolle, im Gegensatz zur Aufarbeitung der schweren Überschwemmungen im Land vor rund drei Wochen. Die Bilanz der Verwüstungen in der Wallonie ist dramatisch, kommentiert La Libre Belgique. Aber während sich die Menschen noch fragen, wie es dazu kommen konnte, warnen Experten bereits vor einer Wiederholung solcher Wasserkatastrophen. Und zwar vielleicht nicht erst irgendwann in ferner Zukunft, sondern schon recht bald.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, zu verstehen, was da eigentlich genau passiert ist, um zu verhindern, dass es wieder geschieht. Dass sich ein Untersuchungsrichter mit der Angelegenheit beschäftigt, ist da schon mal ein guter Schritt. Aber warum soll es keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Überschwemmungen geben? Der wallonische Ministerpräsident Elio Di Rupo lehnt das ab. Seine Begründung: Politiker hätten nicht die "technischen Kompetenzen" dafür. Das ist ein seltsames Argument. Denn ist nicht gerade das die ureigenste Aufgabe eines Untersuchungsausschusses? Experten zu allen Aspekten einzubestellen, alle, auch widersprüchliche, Meinungen anzuhören und am Ende einen Bericht vorzulegen, der mögliche Versäumnisse auflistet und politische Lehren zieht, giftet La Libre Belgique.
Es gibt einiges aufzuklären, scheint da auch das GrenzEcho einzuhaken. Dass man sich in Namur – so haben sich verschiedene Parteien sowie Personen bis hin zu Ministerpräsident Elio Di Rupo geäußert – gegen einen Untersuchungsausschuss sträubt und stattdessen eine externe (intern kontrollierte) Untersuchung in Auftrag gegeben hat und auf Tauchstation ging, statt zur Aufklärung beizutragen, lässt nichts Gutes qua Transparenz und Übernahme der (politischen) Verantwortung vermuten, wettert das GrenzEcho.
Ein Brüsseler Problem
Gerade im Norden des Landes nimmt derweil die Debatte um einen flämischen Alleingang in puncto weitere Corona-Lockerungen Fahrt auf. Die Impfkampagne hierzulande läuft so gut, dass selbst internationale Medien anreisen, um sich das "belgische Wunder" anzuschauen, hält De Morgen fest. Aber diese schöne und wichtige kollektive Anstrengung hat einen hässlichen Fleck: Brüssel. In Flandern sind 79 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft, in der Wallonie 73 Prozent, aber in der Hauptstadtregion sind es gerade mal 56 Prozent. Schaut man sich die ärmeren und am dichtesten bevölkerten Stadtgemeinden an, sind es sogar unter 50 Prozent.
Über die Ursachen kann man streiten, manche nennen vor allem ethnisch-kulturelle Gründe, andere die großen sozialen Unterschiede im Vergleich zu reicheren Gemeinden. Viel interessanter ist aber ohnehin die Frage, wie damit umgegangen werden soll. Die übrigen Landesteile haben zu Recht damit begonnen, weitere Lockerungen der Corona-Schutzmaßregeln zu planen, bei denen die Hauptstadt und ihre Bewohner außen vor bleiben könnten.
Wenn die politisch Verantwortlichen in Brüssel das noch verhindern wollen, bleibt ihnen nur eine Option: sich mit voller Kraft selbst dafür einzusetzen, dass die Impfung ihrer Bevölkerung vorankommt. Denn eines ist ganz klar: Das ist ein Brüsseler Problem, also sollen es auch die Brüsseler lösen, fordert scharf De Morgen.
Solidarität hat Grenzen
Ab einem bestimmten Punkt kann die Solidarität nicht mehr nur von einer Seite kommen, findet auch De Standaard. Wer sich nicht solidarisch verhält, weil er nicht zur Gruppenimmunität beitragen will, darf auch keine Solidarität mehr von der großen Mehrheit der Bevölkerung, die sich hat impfen lassen, erwarten. In diesem Sinn ist es auch vollkommen normal, dass eine Region, die einen höheren Impfgrad erreicht hat, auch die Früchte ihrer Anstrengungen erntet. Die Spannung wegen des Impfgrabens wird immer größer und deshalb ist es Zeit für eine differenzierte Herangehensweise in puncto Lockerungen und Freiheiten, ist De Standaard überzeugt.
Luxus-Debatte
Het Nieuwsblad greift die Forderung der Weltgesundheitsorganisation WHO an reiche Länder auf, die dritte, sogenannte "Booster-" oder Auffrischungsimpfung gegen das Virus aufzuschieben, bis ein größerer Anteil der Gesamtweltbevölkerung geimpft worden ist. Das ist eine Luxus-Debatte, meint die Zeitung. Die Länder, in denen diese Diskussion jetzt geführt wird, sind die Länder, die die Pandemie allmählich unter Kontrolle haben. Sie haben nicht nur das notwendige Geld für Impfstoffe, sondern auch die medizinische Infrastruktur, um ihre Erkrankten zu versorgen. Booster-Impfungen zu einer Priorität zu machen, das würde von einem schlecht entwickelten internationalen Gewissen den ärmeren Ländern gegenüber zeugen.
Aber selbst wer die Idee der internationalen Solidarität lächerlich findet, sollte sich eines vor Augen halten: Je länger man das Virus in fernen Ländern wuchern lässt, desto größer die Chance, dass sich neue, gefährliche Varianten entwickeln, gegen die dann im schlechtesten Fall auch die Impfstoffe irgendwann nicht mehr wirken könnten. Und dann haben wir auch hier wieder ein Problem, warnt Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt