"Schon 30 Millionen Euro für die Opfer der Flutkatastrophe gesammelt", titeln De Standaard und Het Nieuwsblad. Diese Summe hat allein das Rote Kreuz schon zusammenbekommen. "30 Millionen in so kurzer Zeit, das habe er noch nie erlebt", sagt der Chef des flämischen Roten Kreuzes, Philippe Vandekerckhove. Offensichtlich hat die Katastrophe also für sehr große Betroffenheit im ganzen Land gesorgt.
Zugleich wächst aber auch die Kritik am Roten Kreuz. Die Hilfsorganisation sei auf dem Terrain so gut wie unsichtbar. Ein Problem sei, dass die wallonische Unterabteilung des Roten Kreuzes völlig überfordert ist, rechtfertigt sich Philippe Vandekerckhove. Insgesamt seien die Strukturen in diesem Land auf eine Katastrophe solchen Ausmaßes nicht ausgerichtet.
Der Staat ist selbst ein Opfer
Wir werden das alles irgendwann mal aufarbeiten müssen, empfiehlt De Standaard sinngemäß in seinem Leitartikel. Das gilt für das Management der Katastrophe an sich, als auch für die Koordinierung der Hilfen. Da kann man nur feststellen, dass der Staat nicht unbedingt die tragende Rolle spielt, die man sich wünschen würde. Dafür gibt es aber eine einfache Erklärung: Der Staat selbst ist ein Opfer der Katastrophe. Gemeindehäuser sind überschwemmt, die Stromnetze sind unterbrochen und die Verantwortlichen raufen sich die Haare, weil sie nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Und Belgien ist da kein Einzelfall.
Dennoch wird man die Lehren daraus ziehen müssen. Und eine Feststellung ist wohl, dass Belgien wegen seiner sich überlappenden Machtebenen besonders anfällig ist. Und das gilt nicht nur für die staatlichen Strukturen, sondern sogar schon für das Rote Kreuz, das wegen seiner Aufspaltung in regionale Unterabteilungen an Schlagkraft verloren zu haben scheint.
"Der Müllberg nach der Katastrophe ist nicht zu übersehen", schreibt derweil Het Belang van Limburg auf Seite eins. Nach Schätzungen wurden schon 100.000 Tonnen Müll aus den Katastrophengebieten weggefahren. Und immer noch kommen jeden Tag bis zu 7.000 Tonnen hinzu.
Le Soir wünscht sich seinerseits mehr europäische Hilfen für die Katastrophengebiete. Genauer gesagt sollten die Konjunkturbeihilfen, die in Folge der Corona-Krise beschlossen worden waren, neu verhandelt werden. Knapp sechs Milliarden Euro sind für Belgien vorgesehen. Der innerbelgische Verteiler-Schlüssel musste erst mühsam ausgehandelt werden. Inzwischen hat sich die Ausgangslage aber doch drastisch verändert. Und es wäre nicht nachvollziehbar, wenn das Paket jetzt nicht nochmal aufgedröselt und entsprechend angepasst würde.
Halten die Covid-Impfstoffe, was sie versprochen haben?
"Die dritte Dosis für Senioren hängt schon in der Luft", so derweil die Aufmachergeschichte von L'Avenir. Israel etwa hat schon damit begonnen, dritte Impfdosen zu verabreichen; Großbritannien wird im September folgen. Und auch in Belgien denkt man inzwischen sehr konkret darüber nach. In einer ersten Phase würde man sich prioritär auf die Risikogruppen konzentrieren.
Die Covid-Impfstoffe haben ihre Erwartungen nicht erfüllt, urteilt L'Avenir in seinem Leitartikel. Hatte man uns nicht versprochen, dass die großflächige Impfung der Bevölkerung diese Pandemie, die den Planeten seit anderthalb Jahren terrorisiert, endlich stoppen würde? Davon ist leider nichts zu sehen. Das Coronavirus verbreitet sich weiter so schnell wie am ersten Tag. Natürlich hat das auch damit zu tun, dass viele Menschen inzwischen unvorsichtig geworden sind. Nichtsdestotrotz: In den Ländern, die am schnellsten geimpft hatten, fühlt sich das schon wie eine veritable kalte Dusche an. Vielerorts wird jetzt schon über eine dritte Impfdosis nachgedacht. Wenn die Impfung das Virus schon nicht ausrotten kann, dann kann man zumindest darauf hoffen, dass wir von schweren Krankheitsverläufen und überfüllten Krankenhäusern verschont bleiben.
Höhere Impfstoffpreise: die Logik des Marktes
Währenddessen haben aber die beiden wichtigsten Impfstoffhersteller "mal eben" ihre Preise angehoben, beklagt La Libre Belgique. Damit wir uns richtig verstehen: Natürlich ist es normal und auch wünschenswert, dass Privatunternehmen Gewinn machen und dass die Anleger für ihr Risiko entlohnt werden. Dennoch darf man zunächst nicht vergessen, dass die EU im vorliegenden Fall die Impfstoffe vorfinanziert hat. Darüber hinaus war es auch nicht so, als hätten die Konzerne bislang nichts verdient. Im ersten Quartal konnte etwa Pfizer-Biontech seinen Reingewinn verdreifachen. Stellt sich denn auch die Frage, ob die Preiserhöhung moralisch vertretbar ist. In vielen asiatischen, südamerikanischen und afrikanischen Staaten ist bislang noch so gut wie kein Impfstoff angekommen. Dieser Entscheidung mangelt es denn auch an Anstand.
Die Erhöhung der Preise für die Impfstoffe von Pfizer und Moderna erinnert uns an die grausame Realität, meint nachdenklich die Wirtschaftszeitung L'Echo: Die Konzerne, die uns vor Krankheiten bewahren, die Leben retten, die unsere Gesundheit schützen, sind immer noch in erster Linie kommerzielle Unternehmen. Die Ankündigung mag denn auch auf den ersten Blick brutal, gar unmoralisch anmuten, doch halten wir es da immer noch mit der Logik des Marktes. Klar geben Pfizer und Moderna bei der Pandemiebekämpfung jetzt den Ton an. Aber, so frustrierend das auch erscheinen mag: Daran sind wir zum größten Teil selbst schuld. Insbesondere die westlichen Staaten haben sich den Löwenanteil an den Impfstoffen gesichert. Jetzt denken wir sogar schon über eine dritte Dosis nach. Die Welt ist also in puncto Impfungen sehr ungeordnet vorgegangen. Und davon profitieren die Konzerne.
Bei alledem plädiert De Morgen für ein gesundes Maß an Optimismus. Angesichts der steigenden Corona-Zahlen wird zuweilen schon wieder Panik geschürt. Als ob wir jeden Moment schon wieder am Rand des Abgrunds stehen könnten. Das hat vor allem damit zu tun, dass wir uns nach wie vor zu sehr auf die Zahl der Neuinfektionen konzentrieren. Das ist nicht mehr zeitgemäß, vor allem angesichts der hohen Impfquote in diesem Land. Wer meint, dass er über besorgte Warnungen die Menschen zur Vorsicht bringen kann, der erreicht eher das Gegenteil. Bis auf Weiteres gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass uns eine ausreichend hohe Impfquote schon bald von den Corona-Maßnahmen erlösen wird.
Roger Pint