"Noch Arbeit für Jahre", titelt Het Nieuwsblad. "Das Leid der verwüsteten Gemeinden", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Mehr als 12.000 Einwohner der Provinz Lüttich sind obdachlos.", schreiben Gazet van Antwerpen und Het Belang von Limburg auf Seite eins.
Auf den Titelseiten dominieren nach wie vor die Fotos von den Verwüstungen im Raum Lüttich. Die Schäden sind immens. Sehr viel von dem, was noch steht, wird wohl auch abgerissen werden müssen. "Überflutungen: Auch eine finanzielle Katastrophe", so die Schlagzeile auf Seite eins von Le Soir.
"Die Wallonie schlittert wieder mit beiden Füßen in die Krise", beklagt Le Soir in seinem Leitartikel. Erst musste die Region auf ihre Kohle verzichten, dann auf ihren Stahl. Und jetzt wird die Wallonie durch ihren jüngsten Trumpf in Unglück gestürzt, ihre Flussläufe und die malerischen Täler, die die Region zu einem attraktiven Naherholungsgebiet gemacht hatten. Endlich hatte man wieder einen der ohnehin wenigen Wirtschaftsmotoren. Insofern wird die Wallonie einmal mehr ins Herz getroffen. Ist das jetzt der Gnadenstoß? Aufgeben ist keine Option! Die Frage ist aber, ob die Wallonie dieser Jahrhundertaufgabe gewachsen sein wird.
Wiederaufbau - aber "in besser"
"Am Geld dürfte es eigentlich nicht scheitern", findet Het Laatste Nieuws. Erstmal ist Belgien ein reiches Land. Und hinzukommt: Fast nirgendwo ist der Steuerdruck höher. Die wallonische Regierung hat bereits angekündigt, zwei Milliarden Euro für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Das ist ein Bruchteil dessen, was der Staat an Steuern und Abgaben kassiert. Das kann man locker auf 250 Milliarden beziffern. Ein solches Steueraufkommen kann man nur rechtfertigen, wenn die Bürger dann auch optimal geschützt werden.
"Ja, die Wallonie muss wiederaufgebaut werden, aber "in besser"", mahnt L'Echo. Natürlich muss man schon bei der Raumordnung die Lehren aus der Katastrophe ziehen. So muss man künftig die Auen nahe der Wasserläufe meiden. Außerdem muss man beim Bau neuer Wohnungen natürlich die heutigen Standards in puncto Isolierung und Energieeffizienz einhalten. Zugleich muss für die staatlichen Behörden die Effizient klar im Vordergrund stehen. Es bedarf einer schnellen, ergebnisorientierten und zielgerichteten Antwort auf diese Krise. Ansonsten würden der Elan der Solidarität und die Widerstandskraft der Betroffenen gebrochen.
Einige Zeitungen heben noch einmal die unglaubliche Welle der Solidarität hervor, die im Katastrophengebiet zu beobachten ist. "Nicht nur Freunde, Kollegen und Familienangehörige kommen helfen, sondern auch viele Unbekannte, sogar Flamen, die mit Bürsten und Eimern bewaffnet, auf gut Glück in die betroffenen Dörfer fahren, um dort ihre Hilfe anzubieten", lobt De Standaard. Es sind also nicht nur die Roten Teufel und olympische Medaillen, die aus Belgien ein Land machen.
Nationalfeiertag - Betroffenheit und Empathie
"Diese Tragödie muss aber auch aufgearbeitet werden", fordert La Libre Belgique. Viele Bürgermeister sind buchstäblich am Rand der Verzweiflung. Viele fühlen sich im Stich gelassen. Außerdem kann man jetzt schon behaupten, dass es erhebliche Kommunikationsprobleme gab, etwa in Bezug auf die Evakuierungsmaßnahmen. Das Krisenmanagement, die verschiedenen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, all das muss akribisch ausgeleuchtet werden.
Das GrenzEcho geht schon einen Schritt weiter und fordert personelle Konsequenzen. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass an der Wesertalsperre und bei der für das dortige Wassermanagement zuständigen Wallonischen Region schwere, ja fatale Fehler bei der Einschätzung der Risiken gemacht wurden. Und das hat zu einer katastrophalen Verstärkung der ohnehin tragischen Ereignisse geführt. Diese Fehler hat der zuständige wallonische Umweltminister Philippe Henry zu verantworten. "Nehmen Sie Ihren Hut, Herr Minister!", fordert das GrenzEcho.
Die Festlichkeiten zum Nationalfeiertag standen natürlich auch ganz im Zeichen der Krisen und Katastrophen der letzten Wochen und Monate. Viele Zeitungen haben übrigens vor allem Augen für Prinzessin Delphine, die erstmals zum Defilee eingeladen worden war.
"Musste man die Feierlichkeiten und insbesondere das Defilee beibehalten?", fragt sich doch noch einmal L'Avenir. Man mag darüber streiten, aber in jedem Fall kann man doch behaupten, dass die Parade wichtig war, weil sie eben auch eine Hommage, insbesondere an die Pflege- und Rettungskräfte, war. Vor allem das Königspaar hat sich in den letzten Tagen außerordentlich empathisch gezeigt. Balsam auf der geschundenen Seele der Flutopfer!
Was wohl die Niederländer dazu sagen, Meneer De Wever?
La Dernière Heure sieht das ähnlich. Wenn auch die Flaggen auf halbmast waren, gewissermaßen als Spiegelbild der Moral der Bürger, so haben die Belgier doch wieder eine beeindruckende Widerstandskraft an den Tag gelegt. Eine formidable Einigkeit: Menschen aus dem ganzen Land haben sich zusammengetan, um den Betroffenen zu helfen. In schrillem Kontrast dazu stehen die Aussagen von N-VA-Chef Bart De Wever, der ausgerechnet am Mittwoch von einer Angliederung Flanderns an die Niederlande träumte. Dazu nur so viel: Einheit macht stark.
Was De Wever vergisst, meint Het Belang van Limburg: Flandern und die Wallonie mögen sich voneinander unterscheiden, das Gleiche gilt aber auch für Flandern und die Niederlande. Auch das sind völlig unterschiedliche Welten. Die Träumereien von einer Wiedervereinigung von Flandern und den Niederlanden sind eigentlich politisch wertlos. Höchste Zeit für Urlaub!
"Hat mal einer nach der Meinung der Niederländer gefragt?", fragt herausfordernd Gazet van Antwerpen. Die N-VA vergisst schon wieder, dass man für all ihre großen Pläne immer zu zweit sein muss. De Wevers Aussagen waren der Kontrapunkt zu den Feierlichkeiten von Mittwoch, die von Würde, Souveränität und Nüchternheit geprägt waren. Belgien ist noch nicht am Ende. Vielleicht verstehen Flamen und Wallonen sich nicht mehr, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne, aber die Solidarität mit den Flutopfern war über die Sprachgrenze hinaus massiv. Die Ardennen sind auch ein bisschen flämisch, jedenfalls viel eher als Friesland.
Roger Pint