"Campione!", jubelt Gazet van Antwerpen. "E viva Italia", freut sich La Dernière Heure. "La vita è bella", das Leben ist schön, findet auch Le Soir. "Italien Europameister nach Elfmeter-Thriller", fasst De Standaard das Finale der Fußballeuropameisterschaft zusammen.
Der Vorhang ist gefallen nach einer EM, die noch ein Elfmeterschießen brauchte, um den Sieger zu küren – das schöne italienische Team, schreibt L'Avenir. Diese Europameisterschaft wird in die Geschichte eingehen. Aber aus den falschen Gründen. Eigentlich sollte der 60. Geburtstag des Turniers begangen werden und die enormen Kosten für die Infrastruktur zwischen verschiedenen Ländern aufgeteilt werden. Das hat sich aber als die schlechteste Idee der Welt herausgestellt. Nicht nur wegen der verheerenden Kohlenstoffbilanz der hin- und herreisenden Teams, sondern auch wegen des geradezu absurden gesundheitlichen Spektakels in diesen Pandemie-Zeiten.
Die UEFA hat massiv Druck ausgeübt, um die Stadien trotz der Risiken mit Zuschauern zu füllen. Und sogar damit gedroht, die Halbfinale und das Finale von London nach Budapest zu verlegen, wenn Großbritannien nicht eingewilligt hätte, vor allem für die VIPs und Sponsoren der UEFA die Corona-Schutzvorkehrungen außer Kraft zu setzen. Ganz zu schweigen von diversen weiteren sehr schlechten Ideen, wettert L'Avenir.
Eine ehrliche Diskussion über die Zukunft
Het Belang van Limburg kommentiert den gestrigen flämischen Festtag: Der flämische N-VA-Ministerpräsident Jan Jambon will, dass sich Flandern die Zuständigkeiten mit der Wallonie teilt, während sich der Föderalstaat mit dem Rest zufriedengeben soll.
Sollte die Frage aber nicht sein, wie das Land effizienter gestaltet werden kann? Ohne ideologische Vorurteile? Selbst in flämisch-nationalen Kreisen wächst außerdem die Kritik an der Leistung der Regierung Jambon. Die war nämlich in der Pandemie nicht besser als die der viel kritisierten föderalen Kollegen.
Belgien und Flandern brauchen eine ehrliche Diskussion über die Zukunft, ohne die Augen vor den Mängeln auf allen Ebenen des Landes zu verschließen. Gerade vor diesem Hintergrund sind die Aussagen von N-VA-Chef Bart De Wever besonders problematisch. Der hatte gesagt, dass die Verfassung nicht im Weg stehen dürfe, wenn es um notwendige Veränderungen gehe.
Veränderung braucht es tatsächlich, um etwas gegen die große Unzufriedenheit in der Gesellschaft zu unternehmen. Aber diese Veränderung muss auf der Basis demokratischer Mehrheiten erfolgen. Sonst kommen wir gefährlich in die Nähe von Gestalten wie Ihsane Haouach, die auch leichtfertig mit der Verfassung umspringen wollen, damit die Vorstellungen von Minderheiten Eingang darin finden können, giftet Het Belang van Limburg.
Der Sturm hat sich noch nicht gelegt
Ihsane Haouach, die zurückgetretene föderale Regierungskommissarin im Institut für die Gleichstellung von Frauen und Männern, steht auch im Fokus des Leitartikels von La Libre Belgique: Die Umstände ihres Rücktritts sind noch unklar, hält die Zeitung fest. War es wirklich ihre eigene Entscheidung wegen des Mobbings insbesondere in den Sozialen Medien? Oder ist sie zum Ausgang gedrängt worden, weil die Behörden mögliche Kontakte zu fundamentalistischen Organisationen gefunden haben? So, wie es eine diesbezügliche Note der Staatssicherheit nahelegen könnte?
Die Regierung schuldet uns hier noch Erklärungen. Und falls sich ein erzwungener Abschied bewahrheiten sollte, dann müssen die Verantwortlichen die Konsequenzen ziehen. Die ganze Affäre ist ein unauslöschlicher Fleck in der Bilanz der Vivaldi-Koalition. An dem ganz besonders die Grünen von Ecolo schuld sind, klagt La Libre Belgique an.
Der Sturm hat sich mit dem Rücktritt Haouachs noch lange nicht gelegt, hält auch La Dernière Heure fest. Falls sich ihre angeblichen Verbindungen zur Muslimbrüderschaft bestätigen sollten, dann wird diese Personalie wirklich schwerwiegend und könnte sogar das Land zerrütten. Der grobe Casting-Schnitzer von Ecolo-Staatssekretärin Sarah Schlitz, die Haouach mit der Brechstange und ohne Konzertierung installiert hatte, wird in jedem Fall Spuren hinterlassen in der immer dissonanteren Vivaldi-Koalition. Und das ist wirklich schade, denn eigentlich sollten der Kampf gegen das Coronavirus und der wirtschaftliche Wiederaufbau des Landes die Prioritäten der Föderalregierung sein, ärgert sich La Dernière Heure.
Kontrollgesellschaft oder kleineres Übel?
Het Nieuwsblad fragt sich, ob wir bald den "Corona-Pass" brauchen, um ins Theater, ins Kino oder auf ein Konzert zu gehen. Sicher ist das zwar nicht, aber der Vorschlag wird auf dem Tisch des nächsten Konzertierungsausschusses liegen, um ein Wiederaufflammen der Pandemie durch die Delta-Variante zu verhindern. Wer hätte bis vor Kurzem noch gedacht, dass wir in so einer Kontrollgesellschaft landen würden? Das Risiko ist groß, dass der Corona-Pass dann auch für alles mögliche Andere erforderlich werden wird.
Viele Gegner eines solchen Vorgehens scheint es aber nicht zu geben. Andererseits wäre das ein Weg, um Menschen beruhigt Veranstaltungen besuchen zu lassen und den Kultursektor nicht schon wieder einzuschränken. Vielleicht sogar, um Corona-Skeptiker doch noch zur Impfung zu bewegen. Wenn das wirklich das kleinere Übel ist, um den Weg zurück zur Freiheit zu finden, dann sollten wir das halt tun. Unter der Voraussetzung, dass das alles auch ordentlich organisiert wird. Damit steht und fällt alles, unterstreicht Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt