"Ein Sommerurlaub voller Fragen", titelt De Morgen. "Europäisches Covid-Zertifikat: Belgien ist nicht bereit", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Chaos auf den Flughäfen erwartet", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen.
Heute ist Ferienauftakt. Doch es gibt noch viele offene Fragen, vor allem hinsichtlich der Urlaubsreisen. Seit heute gilt das neue Europäische Covid-Zertifikat. Das gibt ja Auskunft darüber, ob man geimpft, getestet oder genesen ist. Rein technisch gesehen scheint die Plattform auch soweit zu funktionieren. In Belgien gibt es aber noch ein Problem mit der Datenübermittlung, schreibt Le Soir. Die Gesundheitsdaten werden von den Teilstaaten verwaltet - nicht alle dieser Daten seien aber schon kompatibel mit der Plattform.
Corona-Passkontrollen in der Praxis kaum umsetzbar
Hinzu kommt der Wirrwarr an verschiedenen Reiseregeln, schreibt De Morgen. Je nach Land sind die Einreisebestimmungen unterschiedlich. Zudem wächst in ganz Europa die Angst vor der Delta-Variante: viele Länder verschärfen wieder ihre Regeln. All das kann für Chaos an den Flughäfen sorgen.
"Keine Kontrollen des Corona-Passes in Zaventem", schreibt derweil Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Anscheinend weigern sich die Airlines, die Covid-Zertifikate ihrer Passagiere zu überprüfen. "In der Praxis ist das nicht machbar", sagen Vertreter von Brussels Airlines und von TUIfly.
"Endlich Ferien!", freut sich Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Nach einem extrem hektischen Jahr haben wir uns das mehr als verdient. Dass überhaupt Urlaub möglich ist, das haben wir der Impfkampagne zu verdanken. Dass hierzulande so schnell geimpft wurde, war wichtig - nicht umsonst spricht man ja von einem Wettlauf zwischen den Impfungen und den neuen Virus-Varianten, angefangen bei der Delta-Mutation. Dass sich die belgischen Corona-Zahlen so positiv entwickelt haben, das ist aber nicht nur den Impfungen zu verdanken, sondern auch unserem Verhalten. Und das sollten wir auch im Urlaub nicht vergessen. Wenn wir nach den Ferien kein böses Erwachen riskieren wollen, dann sollten wir auch im Urlaub entsprechend vorsichtig bleiben. "Amüsiert Euch und passt auf Euch auf", dieser traditionelle Abschiedssatz war noch nie so wichtig wie heute.
"Bei aller verdienter Erholung, dieser Sommer wird zum Stresstest", meint auch Le Soir. Dieser Ferienauftakt ist nämlich nicht gleichbedeutend mit dem Beginn der Sorglosigkeit. Die ganze Tourismusbranche muss wieder hochgefahren werden. Dabei hilft das EU-Covid-Zertifikat, das aber auch überprüft werden will. An den Flughäfen wird das wohl noch für Rambazamba sorgen. Der zweite Stressfaktor, das ist die Delta-Variante, die sich rasend schnell breitmacht. Was auch dazu führen kann, dass sich die geltenden Regeln kurzfristig wieder verändern können. "Lasst uns den Alltag mal vergessen", so lautet normalerweise das Urlaubsmotto. Nun, in diesem Jahr stimmt das nur bedingt.
Europa gleicht einem Regel-Flickenteppich
Beim Auftakt der Urlaubsperiode sind dann doch wieder dunkle Wolken der Verwirrung und der Unsicherheit am Himmel, beklagt De Morgen. Klar: Weil die Impfkampagne in Belgien so schnell verlaufen ist, gibt es keinen Grund zur Panik. Aber Besorgnis ist durchaus weiterhin angesagt. Und wenn wir wirklich ehrlich sind, müssen wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass wir im Herbst mit einer neuen Krankheitswelle konfrontiert werden. Deswegen ist es ja auch so schade, dass die Grundbedingungen für einen sicheren Sommer nicht erfüllt sind. Zwar ist das Covid-Zertifikat noch gerade rechtzeitig fertig geworden. Eine Garantie dafür, dass alles glatt laufen wird, gibt es aber nicht. Die Regeln in den einzelnen Staaten sind viel zu verschieden: In einem Land ist alles erlaubt, im anderen fast nichts. Nach Jahrzehnten des europäischen Zusammenwachsens werden wir plötzlich wieder ins Mittelalter katapultiert; mit Regeln, die von Stadtstaat zu Stadtstaat unterschiedlich sind.
"Und wie viele Menschen werden bei ihrer Rückkehr die Delta-Variante im Gepäck haben?", fragt sich auch besorgt L'Echo. Die Experten erwarten für den Herbst eine vierte Welle, wenn auch in einem wesentlich überschaubareren Ausmaß. Das Covid-Zertifikat allein wird nicht reichen. Es ist lediglich ein Instrument zur bürokratischen Vereinfachung. Es vereinfacht die Reisebewegungen, stellt aber letztlich nichts anderes als eine Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit dar. Das rechtfertigt sich durch die aktuelle Lage, darf aber keinesfalls darüber hinaus gehen. Wir dürfen nie vergessen, dass die EU bis vor Kurzem noch gleichbedeutend war mit offenen Grenzen, an denen man keinen Persilschein vorzeigen musste. Diese "alte Welt", die wird man den Europäern so schnell wie möglich zurückgeben müssen.
Hitzige Debatte im Parlament vertagt, Hitzewelle in Kanada
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit dem erneuten Aufschub der Debatte über das Pandemie-Gesetz. Die Kammer hatte sich am Mittwoch vertagen müssen, nachdem die Oppositionsfraktionen die nunmehr vierte Prüfung durch den Staatsrat durchgesetzt hatten.
Vielleicht sollte die Mehrheit die Zeit nutzen, um nochmal in sich zu gehen, empfiehlt das Blatt sinngemäß. Der derzeitige Entwurf wäre nämlich durchaus noch ausbaufähig. So bleibt etwa die Rolle des Parlaments im Falle einer neuen Pandemie immer noch sehr eingeschränkt. Im Großen und Ganzen würde immer noch in erster Linie die Regierung den Ton angeben. "Für eine ernsthafte Debatte im Parlament hat man im Ernstfall keine Zeit", heißt es da häufig. Beispiele in den Nachbarländern haben schon bei dieser Krise das Gegenteil bewiesen. Die Parlamentarier der Mehrheitsfraktionen sollten sich mal die Frage stellen, ob sie dem Gesetz auch zustimmen würden, wenn sie im Moment in der Opposition säßen. Sie haben noch mindestens zwei Wochen Zeit, noch einmal darüber nachzudenken.
"Luft wie Feuer", so derweil die Aufmachergeschichte von De Standaard. Es geht um die Hitzewelle in Nordamerika. In der kanadischen Provinz British Columbia wurden 49,6 Grad gemessen. Das ist absoluter Rekord. Und doch schrillen weltweit immer noch nicht die Alarmglocken, kann das Blatt in seinem Kommentar nur feststellen. Welch ein Kontrast mit der Corona-Krise. Als die Pandemie um sich zu greifen begann, da gingen die Regierungen und auch die Bürger in den Verteidigungsmodus. Man blieb zu Hause, hielt Abstand, fuhr seine sozialen Kontakte zurück. Temperaturen von knapp 50 Grad in Kanada scheinen demgegenüber niemanden ernsthaft nervös zu machen. Die Klimaerwärmung scheint für viele Menschen zu komplex, zu wenig greifbar zu sein.
Und tatsächlich: Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, gibt es keine einfachen Lösungen. So wird mehr und mehr deutlich, dass der Übergang von fossilen Energieträgern zu nachhaltigen Energiequellen daran scheitern wird, dass nicht ausreichend Rohstoffe zur Verfügung stehen, um diese Energiewende weltweit möglich zu machen. Einfach so weiterzumachen und nur einen Faktor durch einen anderen zu ersetzen, das wird nicht möglich sein. Das alles muss nicht gleichbedeutend sein mit einem Rückschritt oder einer Verarmung. Im Gegenteil. Es muss nur den weltweiten Willen geben, das Problem entschlossen anzugehen.
Roger Pint