"Offener Krieg um unseren Impfstoff", titelt Het Laatste Nieuws. "Charles Michel will den Export von Impfstoff blockieren", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Michel will die Lieferung von Impfstoffen notfalls juristisch erzwingen", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg.
Die EU geht auf Konfrontationskurs mit den großen Pharmakonzernen. In den letzten Tagen hatten verschiedene Unternehmen angekündigt, dass sie den versprochenen Impfstoff nicht in den vereinbarten Fristen liefern können. Im Fadenkreuz ist wohl in erster Linie der schwedisch-britische Konzern Astrazeneca. "Europa hat die Nase voll von all diesen Verzögerungen", schreibt denn auch Het Nieuwsblad. Vor allem angesichts des Eindrucks, dass andere Länder - in erster Linie Großbritannien - offensichtlich deutlich weniger Probleme dieser Art haben. Eben deswegen "behält sich die EU jetzt das Recht vor, den Export von Impfstoff zu verbieten", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Ohne starke Führung steht Europa sich selbst im Weg
Mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, das wird keinen Impfstoff aus dem Boden wachsen lassen, meint aber Le Soir in seinem Leitartikel. Vielmehr sollte Europa mal den Realitäten ins Auge sehen. Vor 15 Jahren war der alte Kontinent im Bereich Impfstoff noch der Weltmarktführer. Heute kommen die wichtigsten Konzerne aus den USA. Eine Folge davon ist, dass wir den Unternehmen regelrecht ausgeliefert sind. Und selbst Exportbeschränkungen werden wohl nicht für eine wesentliche Beschleunigung sorgen. Europa sollte all das als Weckruf verstehen; frei nach dem altbekannten Motto: In jeder Krise steckt eine Chance.
Für das GrenzEcho ist all das nur symptomatisch für den Gesamtzustand der Europäischen Union. Die neuerlichen Probleme mit den fragwürdigen Impfstoff-Verträgen, und auch schon das würdelose Geschacher um das Konjunkturpaket machen es mehr als deutlich: Die EU steht sich selbst und, schlimmer, der eigenen Zukunft im Weg. Diese Krise zeigt einmal mehr, dass wir eine viel stärkere EU brauchen, die nicht von ihren Mitgliedstaaten missbraucht, verachtet und gemolken wird. Vor allem braucht Europa eine starke Führung, ein Gesicht.
Für zusätzliches Kopfzerbrechen sorgen aber auch noch die Probleme mit dem Impfstoff der Firma Astrazeneca. Experten sind der Ansicht, dass das Mittel besser nicht Über-65-Jährigen verabreicht werden soll. Der Grund: Es fehlen schlichtweg Daten, die beweisen würden, dass das Präparat bei älteren Menschen wirklich gut wirkt. "Und das stellt die Impfstrategie ernsthaft infrage", warnt De Morgen. Der Impfstoff von Astrazeneca war ja schon "verplant"; jetzt wird man wohl den Zeitplan anpassen müssen...
Wir wollen reinen Wein, keine Jojo-Prognosen
Wir erleben in diesen Tagen eine regelrechte Achterbahnfahrt, meint sinngemäß Gazet van Antwerpen in ihrem Kommentar. Impfstoffe sorgen für Licht am Ende des Tunnels, das dann aber wegen der Lieferprobleme gleich wieder weiter entfernt scheint. Und dann geht noch die Angst vor den verschiedenen Mutationen um. In einer solchen Situation ist es nicht wirklich dienlich, dass man auch schon einigen Branchen Perspektiven gegeben hat: Wie kann man eine Wiederöffnung der Frisörsalons in den Raum stellen, wenn sich doch die Zahlen in die völlig falsche Richtung bewegen? All das sorgt für Angst, für Spannungen, für Verwirrung. Das wollen einige nutzen, um die Menschen aufzustacheln, zu Protesten zu motivieren. Zum Glück scheint aber die große Mehrheit der Bürger einen kühlen Kopf zu bewahren.
Es wäre ja schonmal ein Anfang, wenn alle vorsichtiger kommunizieren würden, meint Het Nieuwsblad. Das gilt in erster Linie für die Pharmakonzerne. Natürlich schlagen sie sich gerne auf die Brust; "Hurra-Meldungen" sorgen schließlich für steigende Börsenkurse. Nur: Das ist riskant. Wenn man später seinen Versprechen nicht nachkommen kann, dann droht ein empfindlicher Imageschaden. In der Politik verhält sich das genauso. Wenn man den Menschen die erlösende Impfung in Aussicht stellt, später aber zurückrudern muss, dann sorgt das für Frust. Es ist, als würde uns ein Jojo vor die Nase gehalten. Deswegen: Hört damit auf, Prognosen in den Raum zu stellen! Kommuniziert stattdessen nur noch absolut gesicherte Informationen. Wir wollen keine "Hurra-Meldungen", sondern nur klare Fakten.
Und wir brauchen mehr Virologen in den Fernsehstudios, meint etwas kryptisch De Morgen. Anlass ist die neue Polemik, die MR-Chef Georges-Louis Bouchez angefacht hat. Der ärgert sich jeden Tag mehr über die Rolle und das gesellschaftliche Gewicht von Gesundheitsexperten. Vor allem, wenn die Fachleute die gerade erst von den Politikern getroffenen Maßnahmen in Grund und Boden reden. Nun, wie stellen Bouchez und andere sich das denn vor? Von einem Wissenschaftler kann man doch nicht erwarten, dass er Entwarnung gibt, wenn die Zahlen beweisen, dass die britische Variante auf dem Vormarsch ist. Wenn Politiker nicht wollen, dass die Experten die schlechten Neuigkeiten verkünden, dann sollten sie es künftig selber tun...
GameStop-Spekulation ist ein gefährliches Spiel
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit einer bemerkenswerten Geschichte, die an den Börsen für spürbare Verunsicherung sorgt. Eine Gruppe rebellischer Kleinanleger hat offensichtlich die Hedgefonds ins Visier genommen. Ganz grob gerafft: Hedgefonds spekulieren auf sinkende Kurse. Im vorliegenden Fall hatten sie sich die Firma GameStop ausgeguckt. Besagte Kleinanleger haben daraufhin massig Aktien dieses Unternehmens gekauft, was dazu geführt hat, dass der Kurs regelrecht explodiert ist. Das hat einige Hedgefonds in massive Probleme gebracht.
Die Börsenblätter beobachten das Ganze mit Besorgnis. Was wir hier sehen, das ist offensichtlich die Fortführung dessen, was wir schon im realen Leben beobachten können, meint De Tijd. Es ist eine Abrechnung mit den vermeintlichen Eliten. Das ist aber ein gefährliches Spiel. Denn hier entstehen klassische Börsenblasen. Und das kann, wie wir wissen, dramatische Folgen haben.
L'Echo sieht das ähnlich. Natürlich sind Hedgefonds bei weitem keine Heiligen. Was wir hier sehen, das ist aber eine regelrechte Manipulation von Börsenkursen. Die Ereignisse der letzten Tage müssen die Regulierungsbehörden zum Nachdenken bringen. Die Börse darf kein Kasino werden.
Het Laatste Nieuws scheint dagegen für die selbst ernannten Robin Hoods der Börse Sympathien zu hegen. Die Ereignisse rund um GameStop sind ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung des "dummen Geldes". Ganz nebenbei werden sich Kleinanleger auch dessen bewusst, welche Macht sie haben können, wenn sie sich nur über Soziale Netzwerke absprechen. Und das muss nicht unbedingt schlecht sein. Institutionelle Anleger sind jetzt jedenfalls gewarnt: Wenn sie sich auf die kreativsten Akteure der Börse einlassen, dann könnten sie dafür bestraft werden...
Roger Pint