"Grünes Licht für den Pfizer-Biontech-Impfstoff", schreibt L'Avenir auf Seite eins. "Ein erster Impfstoff für die Europäische Union", so die Schlagzeile des GrenzEchos. "Ab Montag wird geimpft", titelt Le Soir. Die EU-Kommission hat gestern dem Impfstoff der Unternehmen Pfizer und Biontech die Zulassung erteilt. Zuvor hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA dem Impfstoff nach eingehender Prüfung ihren Segen gegeben. Ab dem 27. Dezember, also ab dem kommenden Sonntag, kann mit dem Impfen begonnen werden.
In Belgien wird man am Montag anfangen - eher symbolisch allerdings, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr viele Impfdosen verfügbar sein werden: "Die Impfkampagne startet in Puurs", titelt Het Belang van Limburg. Gazet van Antwerpen ist präziser: "Erste Spritzen für ein Alten- und Pflegeheim in Puurs", schreibt das Blatt. In der Gemeinde in der Nähe von Antwerpen steht ja die große Produktionsniederlassung von Pfizer, wo also der Impfstoff hergestellt wird. "Die Nachbarn von Pfizer bekommen am Montag als erste den Impfstoff", schreibt denn auch Het Laatste Nieuws.
Jetzt kommt es in erster Linie darauf an, dass gut und richtig kommuniziert wird, mahnt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Ein Impfstoff ist nämlich letztlich nur so gut wie die Anzahl Menschen, die sich impfen lassen. Um wirklich die angestrebte Herdenimmunität zu erreichen, bedarf es einer Impfquote von 70 Prozent. Und hier liegt der Hund begraben. Nur ein Beispiel: Gerade erst wurde bekannt, dass einer von drei flämischen Hausärzten sich erstmal nicht impfen lassen und seine Patienten auch nicht impfen will. Sie verlangen zunächst einmal präzisere Angaben über das Serum. In der Tat: Der Informationsbedarf ist groß. Und das spielt im Moment den Impfskeptikern und -gegnern in die Karten. Wenn die politisch Verantwortlichen sich in den nächsten Tagen zusammensetzen, um gemeinsam die Impfkampagne zu planen, dann sollten sie in erster Linie an einer guten und verlässlichen Kommunikation arbeiten. Die Zweifel müssen aus der Welt geschafft werden. Sonst droht auch 2021 zu einem Jahr zu werden, in dem Drinnenbleiben angesagt ist.
Hoffnung und Angst lagen nahe beieinander
Jetzt ist vor allem Überzeugungsarbeit gefragt, meint auch La Libre Belgique. In der Tat sollte man in allererster Linie jetzt eine große Informationskampagne starten. Man muss der Propaganda der Impfgegner in den Sozialen Netzwerken etwas entgegenstellen. Zum jetzigen Zeitpunkt schon über eine mögliche Impfpflicht zu debattieren, das wäre da wohl eher kontraproduktiv, würde wohl nur zu noch mehr Polarisierung führen. Prinzipiell ausschließen sollte man eine Impfpflicht aber nicht. Der beratende Ausschuss für Bioethik sieht das auch so. Denn sollte die Impfquote tatsächlich zu niedrig bleiben, dann kann in gewissen Bereichen immer noch nicht wieder zur Normalität übergegangen werden, etwa in den Alten- und Pflegeheimen. Eine Debatte über eine mögliche Impfpflicht könnte also nötig werden. Aber zum jetzigen Zeitpunkt würde man damit allenfalls Öl ins Feuer gießen.
Gestern lagen Hoffnung und Angst doch ziemlich nah beieinander, meint seinerseits Het Nieuwsblad. Hoffnung, nachdem die EU den ersten Corona-Impfstoff zugelassen hat. Doch schrillten gleichzeitig die Alarmglocken, weil in Großbritannien eine neue Corona-Variante aufgetaucht ist, die möglicherweise aggressiver ist als die bisher bekannten Mutationen. Das allerdings ist noch nicht erwiesen. Die Kernfrage ist, was letztlich den schnellen Anstieg der Zahl der Neuinfektionen in England verursacht hat. War es die angeblich ansteckendere Variante? Oder könnte die wahre Ursache nicht die populistische Politik des britischen Premierministers Boris Johnson sein? Er hatte den Briten ein vergleichsweise "normales" Weihnachtsfest versprochen und dafür einige Regeln gelockert. Vielleicht sehen wir jetzt nur die Folgen dieser Politik. Wie dem auch sei: Die neue, britische Variante des Virus ändert im Grunde nicht an der Art und Weise, wie wir die Epidemie besiegen können: Wir müssen uns an die Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen halten. Die britische Tragödie hat uns nur nochmal nachdrücklich daran erinnert.
Vertretbare Vorsichtsmaßnahme oder hysterische Überreaktion?
Apropos: Viele Zeitungen blicken heute über den Ärmelkanal. "Das Vereinigte Königreich ist vollständig isoliert", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Viele Länder haben ja ihre Direkt-Verbindungen nach Großbritannien unterbrochen, darunter auch Belgien. Eben wegen der Angst vor der neuen Coronavirus-Variante. "Chaos an der britischen Grenze", titelt L'Echo. "Großbritannien versinkt im Chaos kurz vor den Festtagen", schreibt La Libre Belgique. De Standaard formuliert es anders: "Der 'harte' Brexit trifft die Briten zwei Wochen früher".
"Sehen wir hier reine Hysterie oder eine vertretbare Vorbeugemaßnahme?", fragt sich sinngemäß De Morgen. Nun, nach alledem, was wir in den letzten zwölf Monaten erlebt haben, ist Vorsicht wohl angebracht. Nicht vergessen: Am Anfang ist das neuartige Coronavirus, das in China aufgetreten war, auch verharmlost worden. Die Schließung der Grenzen ist absolut zu rechtfertigen.
De Tijd sieht das genauso, mahnt aber zugleich zur Besonnenheit. Aus sanitärer Sicht war es wohl richtig, die Notbremse zu ziehen. Doch darf der jetzige Zustand nicht zu lange andauern. Man sollte schnellstens nach kreativen Lösungen suchen. Denn hier zeigt sich dann doch wieder, wie eng Großbritannien mit dem Europäischen Kontinent verwoben ist.
Bewegt der Vorgeschmack auf einen harten Brexit zum Umdenken?
Für die Briten muss sich dieses Jahresende anfühlen wie ein regelrechter Albtraum, glaubt L'Avenir. Premier Boris Johnson trägt hier eine bleischwere Verantwortung. Er wollte im Kampf gegen die Pandemie einen Sonderweg gehen und hat damit das Gesundheitssystem möglicherweise schon gleich zu Beginn destabilisiert. Resultat jedenfalls: Jetzt ist Großbritannien mehr denn je isoliert. Eine Vorwegnahme des Brexits, der ja angesichts der stockenden Verhandlungen zu einem No-Deal werden kann. Und auch hier trägt in erster Linie Johnson die Schuld. Vielleicht ist das ja die Gelegenheit, doch noch über eine Verlängerung der Übergangszeit nachzudenken.
Auch Gazet van Antwerpen empfiehlt, die Lehren aus dem jetzigen Chaos zu ziehen. Vielleicht sollte man doch nochmal darüber nachdenken, wie man den Brexit möglichst einvernehmlich abwickeln könnte, ohne auf beiden Seiten des Kanals eine enorme wirtschaftliche Verwüstung zu verursachen. Schon jetzt hat der Brexit unverantwortlich viel Schaden angerichtet, und er wird noch tausende Menschen in die Armut stürzen. Das wäre dann nicht die Schuld des Virus, dafür verantwortlich wäre allein politische Sturheit.
Wir sehen hier eine Generalprobe, meint L'Echo. Innerhalb von 24 Stunden war Großbritannien vollkommen isoliert. Vor der Zollmauer wurde plötzlich schon ein sanitärer Zaun gezogen. Das zeigt nur, wie verwundbar Großbritannien in seiner Isolation geworden ist. Eine schöne Lektion für alle, die immer noch meinen, einen Brexit-Deal sabotieren zu müssen.
Roger Pint