"Panik angesichts der neuen Coronavirus-Variante", titelt Gazet van Antwerpen. "Grenzen zu wegen neuer Corona-Variante", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws und Het Belang van Limburg. "Belgien schlägt die Brücken mit Großbritannien ab, das von einem mutierten, sehr ansteckenden Virus getroffen wird", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Vor allem Westeuropa ist in heller Aufregung, nachdem in Südengland eine neue Variante des Coronavirus immer weiter um sich greift. Nach den Niederlanden haben unter anderem auch Frankreich und Belgien alle Verbindungen mit dem Vereinigten Königreich unterbrochen. Die Besorgnis ist groß unter Gesundheitsexperten. Anscheinend ist diese mutierte Variante 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannten. Die britische Regierung hat über London und weite Teile Südenglands den Lockdown verhängt. Und viele andere europäische Staaten in gewisser Weise auch. "Europa verhängt den Lockdown über Großbritannien", titelt Le Soir. "EU schottet sich ab gegen Virus-Variante", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. De Standaard fasst zusammen: "Die Britische Corona-Variante versetzt London in den Lockdown und Großbritannien in die Isolation".
Ernst der Lage nicht verstanden
Dabei hätten wir eigentlich schon Sorgen genug. "Bibbernd in die Weihnachtsferien", schreibt De Morgen. Denn die Corona-Zahlen in Belgien steigen weiter. "Wenn sich jetzt ein Fünftel der Menschen nicht an die Regeln hält, dann landen wir schnurstracks in der dritten Welle", warnt Premierminister Alexander De Croo in der Zeitung. Aber "gewisse Leute pfeifen auf alles", titelt Het Nieuwsblad. Hochzeit in Vilvoorde: 54 Erwachsene, Fest in Zonhoven: neun Jugendliche, Ferienwohnung in Brüssel: 29 Anwesende, Party in Anderlecht: 30 Gäste. Die Polizei tut quasi nichts anderes mehr, als illegale Zusammenkünfte zu beenden.
"Nichts kapiert!", wettert La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Die Konzertierungsausschüsse können kommen und gehen, können an die Regeln erinnern, es hilft alles nichts! Die Polizei muss immer häufiger Lockdown-Feste auflösen. Und man muss sich nur die Situation in den Geschäften und Einkaufsgalerien anschauen: Die Regeln werden oft in den Wind geschossen. Wer ein bisschen die Ohren spitzt, der hört auch immer wieder, dass viele vielleicht nicht die ganze Familie aber doch "ein paar Leute mehr einladen wollen" als erlaubt. Anscheinend kommen die mahnenden und warnenden Botschaften der Experten nicht mehr an. Es wird Zeit, dass wir uns zusammenreißen, wenn wir nicht die Anstrengungen der letzten Wochen zunichtemachen wollen.
Diskussionen über Impfpflicht
Die Zeitungen La Libre Belgique, La Dernière Heure und L'Avenir veröffentlichen heute eine exklusive Umfrage, die sich offensichtlich vor allem um die Coronakrise dreht. Einige Schlagzeilen zeigen, dass man Zahlen so oder so lesen kann: "Jeder dritte Frankophone will sich nicht impfen lassen", schreibt La Libre Belgique. "Nur die Hälfte der Befragten steht der Impfung positiv gegenüber", notiert seinerseits L'Avenir. Das Resultat ist letztlich das gleiche: Die Impfskepsis im frankophonen Landesteil ist offensichtlich groß.
Das gilt freilich nicht nur für das südliche Belgien. Impfskeptiker beziehungsweise -gegner gibt es überall. Und vor diesem Hintergrund wird stellenweise nun doch über eine mögliche Impfpflicht diskutiert, bemerkt Le Soir in seinem Leitartikel. Der Rat für Bioethik jedenfalls scheint in diese Richtung zu denken, will in jedem Fall eine entsprechende Debatte anstoßen. Auf der einen Seite entspricht eine freiwillige Impfung vielleicht unseren freiheitlichen, demokratischen Werten, auf der anderen Seite befinden wir uns aber in einer Pandemie und hier ist die Verantwortung kollektiver Natur. Entsprechend mag der Gedanke an eine gleich wie geartete Impfpflicht zumindest erlaubt sein. Das scheint ohnehin schon im Zeitgeist zu liegen. Einige Unternehmen denken auch schon darüber nach, ihr Personal zu verpflichten, sich impfen zu lassen. Es ist in jedem Fall eine sehr heikle Debatte. Vor allem angesichts der wachsenden Skepsis sollte man sie aber frühzeitig führen.
Im Moment stellt sich aber auch noch eine andere Frage, fügt Het Belang van Limburg hinzu: Ab wann können wir letzten Endes zur Normalität zurückkehren? Diese Frage stellt sich spätestens, wenn die Impfkampagne einmal rollt und die Risikogruppen geimpft sind. Es gibt Experten, die der Ansicht sind, dass dann die Zügel gelockert werden können. Zwar können sich auch junge Menschen anstecken und auch bei ihnen können sich eventuell Komplikationen einstellen. Es sterben aber auch jährlich hunderte Menschen im Straßenverkehr und doch schaffen wir den Verkehr nicht ab. Sprich: Das ist eine Abwägung. Angesichts der schwindenden Akzeptanz für die Maßnahmen sollte man sich dieser Diskussion jedenfalls nicht verschließen.
Bart De Wever: Keine Koalition mit Vlaams Belang!
Einige Zeitungen kommen zurück auf eine Aussage von N-VA-Chef Bart De Wever. Der hatte am Wochenende in einem Interview jegliche Koalition mit dem rechtsextremen Vlaams Belang ausgeschlossen. Eher würde er hinschmeißen, sagte De Wever sinngemäß. "Kann man ihm das glauben?", fragt sich unter anderem Het Nieuwsblad. Die Aussage kommt von dem Mann, der 2019 alles getan hat, um den Vlaams Belang in die flämische Regierung zu hieven. Hinzu kommt: Das ist der Mann, der auch schon gesagt hatte, dass er nie mit den Sozialisten regieren würde, was er seit 2018 tut, und dass er flämischer Ministerpräsident werden wolle. Letztlich wurde das sein Parteikollege Jan Jambon. De Wever hat schon viel gesagt, und bis 2024 läuft auch noch viel Wasser die Schelde hinunter. Bis auf Weiteres sollte man die Aussage einordnen in die Kategorie: "Zum strategischen Gebrauch".
Man kann nicht ausschließen, dass De Wever seine Aussage ernst meint, glaubt De Morgen. Klar erinnert sich jeder noch an den Flirt zwischen seiner N-VA und dem rechtsextremen Vlaams Belang. In der Vergangenheit war es De Wever aber immer ein Anliegen, den flämischen Nationalismus wieder im demokratischen Spektrum zu verankern. Bis seine eigene Partei den Vlaams Belang wieder wachküsste. Zwar ist angesichts seiner vielen strategischen Schlenker Vorsicht geboten. Im Zweifel glaubt man aber lieber einem Parteichef, der eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen ausdrücklich ausschließt. Aber Vorsicht: Es gibt auch das Beispiel David Cameron. "Wenn der Brexit kommt, dann trete ich zurück", hatte der frühere britische Premier gesagt. Cameron trat zurück, der Brexit kam trotzdem.
Roger Pint