"Aufruf von 450 Ärzten: 'Tragt die Mundschutzmaske!'", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Belgien kaufte 30 Millionen minderwertige Mundschutzmasken", so der Aufmacher bei De Tijd. Und Gazet van Antwerpen titelt: "Vier Kommissionen zur Untersuchung der Corona-Krise".
"Wir werden Lehren ziehen müssen aus dieser Zeit" - dieser Spruch ist in den vergangenen Monaten zu einem Riesen-Klischee geworden, stellt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel fest. Deswegen ist er nicht weniger wahr. Aber das Ganze droht zu einem Schlag ins Wasser zu werden. Jedes Parlament richtet seinen eigenen Ausschuss ein. Und dann wird es wieder heißen: Auf unserer Ebene haben wir getan, was wir konnten. Aber die anderen Ebenen haben dazwischengefunkt. Und man konnte schon jetzt sehen, dass manche Abgeordnete nur auf der Suche nach ihrem Plätzchen im Rampenlicht sind.
Abgesehen davon sollten die Ausschüsse vielleicht erst einmal besser definieren, was sie eigentlich tun wollen. Schnelle Siege für einen bestimmten Sektor sind eine Sache, tiefgehende Untersuchungen, was strukturell falsch gelaufen ist, eine andere. Belgien ist nicht das einzige Land, das sich Fragen stellen muss. Das entbindet die politisch Verantwortlichen aber nicht davon, das so gut wie möglich zu tun. Aber so, wie man jetzt angefangen hat, wird das nichts werden, kritisiert Het Nieuwsblad.
"Ein Hohn"
De Tijd greift in ihrem Kommentar den 300-Euro-Horeca-Scheck für das Pflegepersonal auf föderaler Ebene auf. Dieses Signal ist aus verschiedenen Gründen verkehrt: Erstens ist es eine selektive Maßnahme, weil das Pflegepersonal auf flämischem Niveau ausgeschlossen ist. Zweitens gesteht die Regierung quasi ein, dass von Lohnerhöhungen wegen des unvorteilhaften Steuersystems nicht viel übrigbleiben würde. Deswegen eine Belohnung in Form eines Horeca-Schecks. Drittens handelt es sich um ein Almosen. Es verändert nichts an den strukturellen Problemen, wie der Arbeitsbelastung, den Arbeitsbedingungen oder den Löhnen. Und viertens handelt es sich um eine Einmal-Maßnahme, die nichts löst. Im Gegenteil, sie verursacht weitere Kosten. Hier wird Geld ausgegeben, das dann für strukturelle Maßnahmen fehlt, analysiert De Tijd.
Dass zwei der Gründe für den Personalmangel im Pflegesektor die zu niedrigen Personalnormen und die unzureichende Entlohnung der Pflegekräfte sind, wusste man lange vor der Corona-Krise, schreibt das GrenzEcho. Auch, dass man das Gesundheitswesen praktisch totgespart hat. Und dass man lieber heilt, statt vorzubeugen. Angesichts dieser strukturellen Defizite und der Leistungen des Pflegepersonals ist der Einkaufscheck über 300 Euro, den man dem Personal in den Krankenhäusern jetzt in die Hand drücken will, ein Hohn.
Die Corona-Krise hat viele tiefgreifende Defizite unseres Zusammenlebens ans Tageslicht gefördert. Man kann nur hoffen, dass die Politik jetzt in der Coronak-Krise den Mut aufbringt, die notwendigen strukturellen Veränderungen durchzusetzen. Und dass wir als Bürger bereit sind, den Preis der erforderlichen Verbesserungen zu zahlen, so das GrenzEcho.
Keine ungedeckten Schecks mehr!
Mehr als eine symbolische Geste ist der 300 Euro-Scheck nicht, meint auch Het Laatste Nieuws. Eine Beruhigungspille, weil man weiß, dass der Sektor mit der Faust auf den Tisch schlagen wird für strukturelle Maßnahmen: für höhere Löhne, mehr Personal und mehr Sicherheit am Arbeitsplatz. Dass mehr Geld in den Pflegesektor gesteckt werden muss, darüber sind sich fast alle Parteien einig. Aber in welche Bereiche dann im Ausgleich weniger Geld fließen soll, darüber schweigen sie sich aus. Im Moment geben Regierungen und Parlamente das Geld mit beiden Händen aus, gegen besseres Wissen. Es heißt immer, dass man in Krisen wie jetzt nicht knausern darf. Aber das Gegenteil zu machen, ist mindestens genauso kurzsichtig. Und auch wenn es nicht sehr nett klingt oder sogar quengelig: Unsere Politiker müssen aufhören, ungedeckte Schecks auszugeben. Ein Politiker, der diesen Namen verdient, muss nämlich auch sagen, wo das Geld herkommen soll. Nur so nehmen wir die Helden der Pflege wirklich ernst. Nicht, indem wir sie auf Kosten ihrer eigenen Kinder belohnen, fordert Het Laatste Nieuws.
De Morgen empfiehlt in seinem Kommentar, auch hierzulande untersuchen zu lassen, ob Minderheiten überproportional häufig zu Opfern der Covid-19-Epidemie geworden sind. Das ist ja zum Beispiel in den USA ganz deutlich der Fall. Und falls sich herausstellen sollte, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung in Belgien nicht inklusiv genug ist, dann müssen daraus Lehren gezogen werden. Wir können das Coronavirus nur besiegen, wenn wir nicht nach Herkunft oder sozialem Status diskriminieren, ist De Morgen überzeugt.
Durchgreifen absolut dringend und eilig
La Libre Belgique kommt in ihrem Leitartikel auf die neuangestoßene Diskussion über die Kolonialgeschichte zurück. Wir nähern uns dem 60. Jahrestag der Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo. Und wie so oft verspricht man parlamentarische Ausschüsse, große Debatten, eine Neubewertung der Geschichte, Unterrichtseinheiten in den Schulen und man stößt auch die eine oder andere Statue von ihrem Sockel.
Bisher haben all diese Übungen aber nie wirklich zu etwas geführt. Und die jüngste hässliche Episode um Hassbotschaften in Sozialen Netzwerken gegen den Bürgermeister von Ganshoren und CDH-Politiker Pierre Kompany hat uns in Erinnerung gerufen, wie absolut dringend und eilig es ist, gegen Rassismus durchzugreifen. Und solche Taten strengstens zu ahnden, mahnt La Libre Belgique.
Boris Schmidt