"Zehnergruppe lotst Belgien aus dem Lockdown", titelt heute De Morgen. Und De Standaard schreibt: "Sie müssen uns aus der Isolierung holen".
Die Regierung von Premierministerin Sophie Wilmès hat zehn Experten zusammengerufen, die die Exit-Strategie aus der Corona-Epidemie vorbereiten und begleiten sollen, darunter Virologen, Biologen und andere Gesundheitsexperten, aber auch Menschen aus dem wirtschaftlichen, sozialen oder juristischen Bereich.
Post-Corona-Ära
De Standaard kommentiert: Ein subtiles Gleichgewicht zwischen der Lockerung der Quarantänemaßnahmen und der Multiplikation von Tests auf Infektion und Antikörper ist notwendig. Jede Entscheidung in Bezug auf Timing und Methode hat möglicherweise weitreichende Folgen. Die Strategie für die Post-Corona-Ära ist wahrscheinlich noch wichtiger als die Vorgehensweise in der Pandemie selbst. Auf Jahre hinaus wird sich entscheiden, wer Recht hat und wer sich getäuscht hat.
Die Debatten über den Gebrauch von Atemschutzmasken, und über die Verantwortung für deren Mangel werden verblassen, im Vergleich zu dem, was jetzt kommt. Ausschlaggebend wird die Frage sein, wie die wirtschaftlichen Folgekosten der Gesundheitskrise aufgefangen und verteilt werden. Für die Eurozone und die ganze Europäische Union steht viel auf dem Spiel: 70 Jahre gemeinsamer Wohlstandsaufbau.
Corona-Bonds
Auch Le Soir schaut auf Europa und titelt "Neuer Test für Europas Solidarität". Die Finanzminister der Euro-Gruppe kommen heute in Brüssel zusammen. Auf der Tagesordnung: Corona-Bonds, also gemeinschaftliche europäische Anleihen, um die Corona-Krise zu bewältigen. Viele sind dafür, Deutschland und die Niederlande dagegen. Sie beharren auf den bereits bestehenden Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, der 2012 in der Eurokrise gegründet wurde.
Die Zeitung zitiert aus ihrem Interview mit dem ehemaligen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble: "Egal, wie die Hilfe auch genannt wird. Das Wichtigste ist, dass schnellstens umgesetzt wird, was diese Krise so effektiv wie nur möglich bekämpft und den am schwersten getroffenen Ländern hilft, die Last zu tragen."
Für Le Soir ist es damit aber noch nicht getan. Eine gemeinsame europäische Aktion muss sich auch konkretisieren in der Forschung nach einem Impfstoff, Tests oder der Herstellung von Atemschutzmasken. Von Europäern für Europäer. Diese Verpflichtung zur Solidarität und Hoheitsgewalt kommt sowieso schon viel zu spät. Da muss man dieser beschämenden Verzögerung nicht auch noch das Verbrechen hinzufügen, gar nicht gehandelt zu haben.
Auch De Morgen beschäftigt sich mit dem Exit und blickt dabei auf Österreich. Als erstes Land in der EU sollen dort nach Ostern auch nicht lebensnotwendige Geschäfte wieder geöffnet werden. Die Zeitung schreibt: Man muss sich schon fragen, ob es schlau ist, dass jedes Land für sich spielt. Alle EU-Mitgliedsstaaten sollten sich doch mindestens über die dieselben Prinzipien einig sein. Andernfalls droht das Coronavirus schneller wieder auf Reisen zu gehen, als die Europäer selbst.
Feintuning
De Tijd beschäftigt sich in ihrem Leitartikel mit den Corona-Maßnahmen. Mittlerweile schreiben wir die vierte Woche, seit Belgien am 13. März stillgelegt wurde. Viele der Maßnahmen wurden in bisher ungekannter hoher Dringlichkeit getroffen. Und es ist gut, dass sie getroffen wurden. Aber inzwischen haben sie eine erneute Abwägung und etwas mehr Verfeinerung verdient.
Bei manchen, beispielsweise dem 50-Milliarden-Euro-Bankenplan, ist das so, damit sie endlich in Kraft treten können. Bei anderen ist es, um zu sehen, ob sie nicht ausgearbeitet werden können. Denn es ist nicht gerade wenig, was im Namen von Corona eingeschränkt wurde: das Recht auf Versammlung, Gottesdienste oder Unterricht. Das Eigentumsrecht ist eingeschränkt, wenn man seine Zweitwohnung nicht mehr betreten darf.
Genauso schwierig ist es, dass die Richtlinien über das, was man darf und was nicht, auf der Liste der häufigsten Fragen steht, die vor Gericht nur einen minimalen juristischen Wert hat. All diese Entscheidungen kann man verteidigen, da sie unter schwierigen Umständen getroffen wurden, aber je nachdem wie die Krise voranschreitet, sind zwei neue Entscheidungen nötig: die Suche nach dem schrittweisen Exit und ein besseres Feintuning der Krisenmaßnahmen.
Mitten im Krieg
Gazet van Antwerpen gibt zu bedenken. Jetzt herrscht erstmal noch der Kampf um Leben und Tod. Trotz des kleinen Lichts am Ende des Tunnels und trotz des Drucks auf die Wirtschaft, müssen wir uns weiter dafür einsetzen, den Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen zu helfen. Dort gibt es viele Opfer. Jeden Tag sterben Menschen ohne ihre Familie an ihrem Bett. Jeden Tag führen die Pfleger einen beinahe verzweifelten Kampf gegen das Virus, dem sie selbst immer öfter zum Opfer fallen.
Wir können nicht anfangen, über eine Lockerung der Maßnahmen nachzudenken, solange die Situation dort so schmerzlich ist. Wir dürfen hoffen und träumen, aber wir müssen begreifen, dass wir immer noch mitten im Lockdown stecken, und mitten im Krieg.
Volker Krings