"Sieben Tote in Italien", titelt Gazet van Antwerpen. "Italien bekommt das Coronavirus nicht unter Kontrolle", schreibt Het Nieuwsblad in Blockbuchstaben auf Seite eins. "Europa wappnet sich für das Coronavirus", so die Aufmachergeschichte von De Standaard.
In Europa richten sich im Moment alle Augen auf Italien: Im Norden des Landes sind inzwischen nach offiziellen Angaben rund 230 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, sieben von ihnen sind gestorben. "Die Epidemie kommt näher: Sind wir vorbereitet?", so die bange Frage auf der Titelseite von L'Avenir. "Müssen wir Angst haben vor dem Coronavirus?", fragt sich La Libre Belgique. Die Antwort gibt es auf acht Sonderseiten. Experten glauben jedenfalls, dass man sich auch in Belgien auf Krankheitsfälle einstellen muss. "Wir werden das Coronavirus nicht aufhalten können", sagt der renommierte Virologe Marc Van Ranst auf Seite eins von Het Laatste Nieuws.
Jetzt auch die Börsen infiziert
Inzwischen macht sich jedenfalls weltweit Besorgnis breit. "Das Coronavirus hat jetzt auch die Börsen infiziert", so die Schlagzeile von De Morgen. Die Wirtschaftszeitung De Tijd ist präziser: "Das Coronavirus versetzt den Börsen den heftigsten Schlag seit vier Jahren". Weltweit gingen die Börsenindices um durchschnittlich vier Prozent in den Keller. L'Echo spricht sogar von einem "Schwarzen Montag".
"Panik ist ein schlechter Ratgeber", bemerkt dazu De Standaard in seinem Leitartikel. Das Coronavirus stellt inzwischen auch eine ernste Bedrohung für die Weltwirtschaft dar. Das muss den Finanzmärkten aber offensichtlich erst am vergangenen Wochenende aufgegangen sein. Bislang herrschte da wohl eine Einstellung nach dem Motto: "Das wird schon wieder." In den kommenden Tagen muss sich zeigen, ob nach dem Aufschwung der letzten Monate jetzt die Korrektur kommt. Neben dem Coronavirus sorgen ja längst auch andere Faktoren für dunkle Wolken am Börsenhimmel. Nichtsdestotrotz: Die Angst vor dem Virus ist eigentlich eine größere Bedrohung, als das Virus selbst.
Ein schmaler Grat
In dieser Geschichte liegen Vorsicht und Psychose nah beieinander, analysiert Le Soir. Auf der einen Seite ist es bestimmt nachvollziehbar, dass man sich auf den Ausbruch einer bislang unbekannten Krankheit einstellt - und entsprechend auch besorgt ist. Aber aus denselben Gründen ist die Gefahr groß, dass das Ganze ein Klima des Schreckens erzeugt. Das ist ein schmaler Grat, auf dem die politisch Verantwortlichen wie Seiltänzer balancieren müssen. Es gibt da aber Gegenmittel. Kommunikation wäre ein guter Anfang. In Belgien etwa beteuern die Behörden immer, dass man "vorbereitet" ist. Es gebe entsprechende Notfallpläne, nur kennt keiner deren Inhalt.
Es reicht nicht, "Keine Panik!" zu rufen, um zu erreichen, dass auch keine Panik entsteht, stellt auch De Morgen fest. Und zu dem allgemeinen Klima der Angst tragen auch einige spektakuläre Maßnahmen bei, die hier und da ergriffen wurden. Etwa, als in Frankreich ein Reisebus angehalten wurde, nur, weil der Busfahrer Husten hatte. Oder der Zug, der an der Grenze zwischen Italien und Österreich gestoppt wurde. Das sind irrationale Fieberschübe. Krankenhäuser auf einen Corona-Ausbruch vorzubereiten, das klingt geradezu langweilig, jedenfalls im Vergleich zu solchen Maßnahmen, aber es ist unendlich effizienter.
"Nichts Genaues weiß man, und das ist das eigentlich Ermüdende", meint Gazet van Antwerpen. Kommt es zur Pandemie? Kann das Virus vielleicht doch zurückgedrängt werden? Wird es gefährlicher oder harmloser? Eine Tatsache scheint sich heraus zu kristallisieren: Die Krankheit ist weniger tödlich als die Grippe. Die Medien haben allerdings einen gewissen Hang zur Dramatisierung. Nach dem Motto: Schreib' nicht: "Sieben Corona-Tote in Italien", besser ist: "SCHON sieben Corona-Tote in Italien".
Wem soll man glauben?
"Zwischen Unglückspropheten und Optimisten: Wem soll man da glauben?", fragt sich La Libre Belgique. Niemand weiß im Moment, ob sich das Ganze am Ende als ein Sturm im Wasserglas erweisen wird. Andere malen schon Katastrophenszenarien an die Wand. Wer hat Recht? Eines ist sicher: Panik führt zu nichts.
Auch Het Laatste Nieuws mahnt zur Besonnenheit. Die Panik greift schneller um sich, als das Virus. In der Mitte liegt die Wahrheit. Nehmen wir das Beispiel Marc Van Ranst: Der Virologe macht keinen Hehl daraus, dass irgendwann wohl auch die ersten Corona-Fälle in Belgien auftreten werden. Zugleich wies er aber darauf hin, dass das Virus nicht so gefährlich ist wie eine gemeine Grippe. Lassen Sie also die Konservenbüchsen im Supermarkt weiterhin links liegen, widerstehen Sie der Versuchung, beim Bäcker alle 30 Tigerbrote zu kaufen, um die dann in weiser Voraussicht einzufrieren.
Das Ganze ist wohl urmenschlich, glaubt L'Avenir. Je unbekannter der Feind, erst recht, wenn er unsichtbar ist, desto größer die Angst. Dieser kleine Mistkerl verbreitet sich über winzige Tröpfchen, und das lange, bevor die ersten Symptome auftreten, er kann also überall sein. Klingt fast wie ein Auszug aus einem Buch von Albert Camus. Das trifft unsere Gesellschaften ins Herz, unsere vernetzte und globalisierte Welt. All das könnte man bei der Gelegenheit ja auch mal in Frage stellen. Ist es wirklich normal, dass wir in diesem Maße von China abhängen? Ist es wirklich sinnvoll, dass all die Flugzeuge und Schiffe permanent die Welt umrunden, und uns jeden Tag, jede Stunde dem Risiko einer Pandemie aussetzen?
Daneben gibt es doch noch ein zweites Thema: "Schuldig", titelt Le Soir. Gemeint ist der ehemalige Filmproduzent Harvey Weinstein. Der ist am Montag in New York der Vergewaltigung schuldig gesprochen worden. Ihm drohen 25 Jahre Gefängnis.
Het Nieuwsblad bringt es plastisch auf den Punkt: "Mit dem Rollator ins Gerichtsgebäude, in Handschellen wieder raus".
Roger Pint