"Die noch unentschlossenen Wähler werden über den Brexit entscheiden", titelt De Morgen. "Hopp oder Top für Johnson und seinen Brexit", notiert Le Soir auf Seite eins. "Bekommt Johnson seinen Brexit durch?" fragt Het Belang van Limburg auf seiner Titelseite.
In Großbritannien finden heute vorgezogene Wahlen statt. Dabei geht es hauptsächlich um die Frage, ob die Mehrheit der Briten weiterhin den Austritt ihres Landes aus der EU will oder nicht. Premierminister Boris Johnson steht klar für den Brexit. Sein größter Widersacher, der Chef der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, ist eher gegen den Brexit.
L'Avenir kommentiert: Die Wähler scheinen Johnson seine Lügen und seine ungehaltenen Versprechen nicht übel zu nehmen. Johnsons Tories liegen in Umfragen vorn. Das liegt auch daran, dass die innenpolitischen Versprechungen von Johnson mehr Menschen gefallen dürften, als die innenpolitischen Pläne von Corbyn. Der will zum Beispiel Wasser, Bahn, Telefon und Strom wieder verstaatlichen und neue Steuern erheben. Es sind also innenpolitische Themen, die bei der Wahl heute auch eine Rolle spielen. Doch selbst wenn Johnson die Wahl gewinnen sollte, könnte er seine Brexit-Pläne erst dann durchsetzen, wenn er eine absolute Mehrheit im Parlament erreicht. Das ist alles andere als sicher, meint L'Avenir.
Großbritannien, der kranke Mann Europas
Het Belang van Limburg notiert: Es sieht nicht gut aus für das pro-europäische Lager. Seit Beginn der Wahlkampagne liegen Johnsons Tories in der Wählergunst vorn. Und selbst traditionelle Labour-Wahlkreise könnten diesmal für die Konservativen stimmen, weil der Brexit für die Wähler dort wichtiger ist, als alles andere. Die Pro-Europäer haben außerdem mit dem Problem zu kämpfen, dass die Parteien, die den Brexit verhindern wollen, nicht geeint auftreten. Am Freitagmorgen könnte es ein böses Aufwachen für die pro-europäischen Briten geben. Die Vergangenheit hat aber auch gezeigt, dass Wahlprognosen falsch sein können, hofft Het Belang van Limburg.
De Morgen schreibt: Das Bild des vierjährigen Jack, der auf dem Boden eines Krankenhauses liegt, hat in Großbritannien für große Aufmerksamkeit gesorgt. Johnson ärgerte sich über dieses Bild, das ihm ein Journalist auf seinem Smartphone entgegenhielt. Das Bild ist aber symptomatisch für die Situation von Großbritannien. Während die EU gestern mit dem Green Deal tatkräftig die großen Herausforderungen der Zukunft anging, erscheint Großbritannien als kranker Mann Europas. Der Wohlfahrtsstaat liegt schon jetzt danieder, auch als Folge der andauernden Brexit-Debatte. Viele Pflegekräfte haben das Land bereits verlassen, aus Angst vor den Brexit-Folgen. Es bleibt eine offene Frage, welche Wahl heute die beste Medizin bringt, um Großbritannien wieder auf die Beine zu stellen, so De Morgen.
Green Deal – Wer bietet mehr?
Der gerade schon angesprochene Green Deal, die Pläne der EU-Kommission für die künftige Klima-Politik, bekommt viel Applaus von den Zeitungen. Die Wirtschaftszeitung L'Echo findet: Dieses Dokument ist wahrscheinlich das ehrgeizigste Projekt der Union seit Robert Schuman. Der Green Deal berücksichtigt alle wichtigen Wirtschaftssektoren und will den Kontinent nicht nur klimaneutral machen, sondern in einem viel weiteren Sinne die europäische Wirtschaft versöhnen mit der Natur. Die Umsetzung des Programms erscheint wie eine Herkules-Arbeit. Sollte sie gelingen, wäre sie tatsächlich, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern sagte, zu vergleichen mit der Mondlandung von Neil Armstrong, nämlich ein großer Schritt für die Menschheit, prophezeit L'Echo.
Auch Le Soir jubelt: Ein solches Programm, so umfassend, so transversal, zusammengestellt in nur zwei Wochen, das in zwei Jahren durch konkrete Maßnahmen Form annehmen soll: Wer bietet mehr? Natürlich gibt es jetzt viele Hürden zu überwinden, aber der Rahmen ist gesetzt. Das ist wahre Politik. Daneben erscheinen unsere innerbelgischen Streitereien, um ein gemeinsames Vorgehen in Sachen Klimapolitik zu erreichen, äußerst blass, urteilt Le Soir.
Transformation ja, Revolution nein
De Tijd führt aus: Der Green Deal kommt genau spiegelverkehrt zum Klimaplan der flämischen Regierung daher. Der flämische Plan ist machbar und bezahlbar, droht aber nichts zu verändern. Die Kommissionspläne dagegen sind ehrgeizig, lassen aber Zweifel aufkommen, ob sie machbar und bezahlbar sind. Viel wird auf die Politiker ankommen, wie sie mit den Kommissionsplänen umgehen werden. Und auch auf die Wähler, ob sie bereit sind, mögliche klimapolitische Maßnahmen ihrer Politiker mitzutragen, warnt De Tijd.
Auch das GrenzEcho weist darauf hin: Die EU ist alles andere als geschlossen in ihren Ambitionen für eine saubere Zukunft. Ob man Polen, Tschechen oder Ungarn wird überzeugen können, mitzuziehen, wird sich bald zeigen. Jedenfalls hat man schon einmal mächtige Köder ausgelegt, um die Mitteleuropäer von den Plänen zu überzeugen. Mit Milliarden sollen die Zögerer und Zauderer mit an Bord gehievt werden. Ein Blick nach Frankreich und auf die dort seit über einem Jahr protestierenden Gelbwesten lässt erkennen, dass es auch anderswo Widerstand geben wird. Aus Deutschland hat sich die Industrie bereits zu Wort gemeldet, die zwar ihre Unterstützung für eine ökologische Transformation betont, sich aber außerstande sieht, bei einer Revolution mitzuziehen, berichtet das GrenzEcho.
Kay Wagner