"Somers öffnet Tür für Regenbogenkoalition", titelt De Morgen. "OpenVLD rollt Teppich aus für Regierung ohne N-VA", heißt es im Aufmacher von De Standaard. "Bruch zwischen N-VA und OpenVLD", notiert La Libre Belgique auf Seite eins.
Der OpenVLD-Spitzenpolitiker Bart Somers hat gestern im flämischen Fernsehen deutlich bezweifelt, dass die N-VA willens sei, sich an einer Föderalregierung zu beteiligen. Schon gestern werteten Beobachter das als Zeichen dafür, dass die OpenVLD sich an einer "Regenbogenkoalition" ohne N-VA beteiligen würde. Die Zeitungen heute sehen das genauso.
Het Nieuwsblad kommentiert: Die OpenVLD lehnt sich weit aus dem Fenster. Nicht nur Bart Somers im flämischen Fernsehen hat sich am Wochenende von der N-VA medienwirksam distanziert. Am Samstag tat das bereits OpenVLD-Schwergewicht Maggie De Block in einem Interview mit der frankophonen Zeitung La Libre Belgique.
Mit dieser unübersehbaren Bereitschaft, als Partner für eine Mitte-Links-Regierung bereitzustehen, zeigt die Partei, dass sie Verantwortung übernehmen will. Für die Partei kann das gefährlich sein, denn in Flandern regiert die OpenVLD zusammen mit der N-VA. Sollte die Regenbogenkoalition doch nicht zustande kommen, wäre es schwer für die OpenVLD, sich von den Aussagen am Wochenende gegen die N-VA wieder zu distanzieren, meint Het Nieuwsblad.
Eine entscheidende Woche?
Het Belang van Limburg stellt fest: Nach den politischen Wortgefechten am Wochenende kann man sich darauf einstellen, dass wir vor einer entscheidenden Woche für die Regierungsfindung stehen. Die Worte von Somers legen nahe, dass sich die OpenVLD entschieden hat.
Natürlich wiesen N-VA-Spitzenpolitiker die Vorwürfe zurück, dass die Partei nicht mitregieren wolle. Aber das kann als politisches Geplänkel abgetan werden. Denn in der Opposition hat die N-VA tatsächlich mehr zu gewinnen, als in einer Regierungsarbeit zusammen mit der PS. In der Opposition kann die N-VA sich profilieren, um bei den nächsten Wahlen wieder triumphieren zu können, glaubt Het Belang van Limburg.
Raten Sie mal, wer das bezahlen darf
Gazet van Antwerpen bemerkt: Die Wahl der OpenVLD bringt die CD&V in Bedrängnis. Die Christdemokraten stehen bislang noch zur N-VA. Und es gibt auch Stimmen in der Partei, die sagen, dass man sich durchaus mit der Oppositionsrolle anfreunden könnte.
Doch die CD&V in der Opposition, das wäre eine Gefahr für die Partei. Denn dass die N-VA gestärkt aus ihrer Rolle als Oppositionspartei hervorgehen wird, davon ist auszugehen. Bei der CD&V ist das ganz und gar nicht der Fall. Sie droht, auf der Oppositionsbank in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, warnt Gazet van Antwerpen.
La Libre Belgique betrachtet die Suche nach einer neuen Föderalregierung mit Abstand und führt aus: Eigentlich wäre es logisch, dass N-VA und PS als stärkste Parteien der beiden größten Regionen zusammenarbeiten. Informator Paul Magnette sucht nach Alternativen – warum nicht?
Wichtig ist allerdings, dass eine neue Regierung endlich gebildet wird. Und dann muss eine Reform des Wahlsystems her. Belgien kann es sich nicht leisten, alle fünf Jahre ein ähnliches Theater zu erleben wie jetzt. Bislang hat uns das Spielchen elf Milliarden Euro gekostet. Und raten Sie mal, wer das bezahlen darf, giftet La Libre Belgique.
Eine bessere Erziehung ist der Schlüssel
Anlässlich des heutigen Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen sind gestern in Brüssel 10.000 Menschen auf die Straße gegangen. La Dernière Heure findet: Was für eine traurige Realität ist das, dass in Europa im Jahr 2019 überall auf dem Kontinent Demonstrationen stattfinden müssen, um Gewalt gegen Frauen anzuprangern.
Es ist eine Schande, dass heute immer noch zahllose Frauen Opfer dieser hässlichen Taten werden. Gleichheit der Geschlechter bedeutet vor allem auch Respekt füreinander, unterstreicht La Dernière Heure.
Le Soir stellt erfreut fest: Es werden immer mehr, die gegen Gewalt gegen Frauen auf die Straße gehen. Vor zwei Jahren waren es in Brüssel nur 3.000 Menschen. Vergangenes Jahr waren es schon 5.000, dieses Jahr dann 10.000.
Natürlich ist Belgien damit noch weit entfernt von den Zahlen aus Spanien und Frankreich. Aber immerhin: Das Bewusstsein für das Thema wächst. Und das ist nur zu begrüßen!
Dabei ist wichtig, auch die Männer in die Bemühungen miteinzubeziehen, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Es sind Männer, die töten. Natürlich nicht alle. Und jeder einzelne ist nicht unbedingt letztlich für seine Tat verantwortlich. Vielmehr ist es die Gesellschaft, die es zulässt, dass Gewalt gegen Frauen existiert. Eine bessere Erziehung ist der Schlüssel dafür, dass sich das ändert, weiß Le Soir.
L'Avenir sieht das genauso und notiert: Hinter dem Schlagwort "Femizid", das jetzt bei den Demonstrationen so oft benutzt wird, verbergen sich viele Arten von Gewalt gegen Frauen. Eines aber ist ihnen allen gemein: Sie sind Ausdruck einer falsch verstandenen Überheblichkeit der Männer gegenüber Frauen. Nur durch Erziehung lässt sich das bekämpfen, glaubt auch L'Avenir.
Kay Wagner