"Die Geldmaschine", titelt Le Soir. "Nethys: die Chronik eines angekündigten Scherbenhaufens", heißt es im Aufmacher bei L'Avenir. "Überfall auf Nethys bringt Stéphane Moreau 11,6 Millionen Euro", schreibt sinngemäß De Standaard auf Seite eins. Die über 18 Millionen Euro, die sich die vier Top-Manager von Nethys vor ihrem Rauswurf noch in die Tasche gesteckt hatten, sorgen heute für viele Aufmacher, Berichte und Kommentare.
La Libre Belgique hält fest: Schwarze Schafe gibt es überall. Bei Nethys, der Tochter der Lütticher Interkommunalen Enodia, sind es aber schwarze Elefanten gewesen, die da ihr Unwesen trieben. Lange war das schon bekannt. Zu lange hat es gedauert, bis sie rausgeschmissen wurden. Zu lange haben Politiker sie gedeckt. Und jetzt wird noch bekannt, dass sie sich selbst ungeheure Menge Geld zum Abschied zugeschustert haben. Mittlerweile ist auch bekannt, dass der Verwaltungsrat das durchaus wusste. Auch er ist schuld an all dem Übel. Jetzt hat die Justiz das Wort, notiert La Libre Belgique.
Das GrenzEcho meint: In der Affäre Nethys, die ja im Kern eine Fortsetzung der Publifin-Saga ist, hatte man gemeint, die Gipfel des Unterirdischen erreicht zu haben. Stéphane Moreau und Konsorten haben uns jetzt gelehrt, dass wir uns geirrt hatten: Es ging noch mehr, konstatiert das GrenzEcho.
Dienst an der Demokratie
L'Avenir erinnert: Diese neuen Enthüllungen sind für unsere Zeitung besonders ärgerlich – um es gelinde auszudrücken. L'Avenir gehört noch zum Imperium von Nethys. Und erst vor kurzem musste der Verlag ein Sparprogramm von elf Millionen Euro umsetzen. Auch Mitarbeiter mussten gehen. Klar, dass die Wut jetzt groß ist. Es ist einfach unverschämt, was die vier Spitzenmanager sich da geleistet haben. Zumal es sich ja noch um öffentliche Gelder handelt, um Geld der Steuerzahler aus Lüttich und seiner Provinz, poltert L'Avenir.
Le Soir fragt: Ist es populistisch, sich über die hohe Summe aufzuregen, die die vier Ex-Manager von Nethys da haben mitgehen lassen? Nein, ist es nicht. Vielmehr ist es gelebte Demokratie. Es geht um Transparenz. Und gerade bei öffentlichen Unternehmen sollte die Transparenz an der Tagesordnung sein. Die Gehälter, auch der Spitzenmanager dieser Unternehmen, sollten öffentlich sein. Das ermöglicht Kontrolle und im besten Fall Verständnis. In Zeiten, wo der Graben zwischen arm und reich in der Gesellschaft immer größer wird, und damit auch die Wut einiger Bürger, ist das umso wichtiger, findet Le Soir.
Jambon drückt sich vor der Arbeit
Mehrere flämische Zeitungen beschäftigen sich mit den gestrigen Protesten von Kulturschaffenden gegen die drastischen Sparpläne der flämischen Regierung im Kulturbereich. Het Laatste Nieuws kommentiert: Ministerpräsident und Kulturminister Jan Jambon hat dem Kultursektor ein Angebot gemacht: Schaut selbst, wo ihr das Geld spart, wo es am Wenigsten fehlt. Wenn ihr das schafft, können wir womöglich nochmal über die ganze Sache reden.
Das hört sich vielleicht gut an, ist aber ein vergiftetes Geschenk. Denn hier wird der eine gegen den anderen ausgespielt. Der Kultursektor droht sich in Streitereien zu verlieren. Noch schlimmer aber ist, dass sich Jambon damit aus der Verantwortung stiehlt und sich eigentlich vor der Arbeit drückt. Denn Entscheidungen zu treffen und Akzente zu setzen ist in diesem Fall nun mal Kerngeschäft der Politik, ärgert sich Het Laatste Nieuws.
Het Nieuwsblad befürchtet: Sollte es bei den drastischen Einsparungen bleiben, werden vor allem junge Künstler darunter leiden. Sie sind am Anfang ihrer Karriere besonders auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Bleibt diese Unterstützung aus, werden sich die Künstler nicht entfalten können. Flandern droht eine ganze Generation junger Künstler zu verlieren, warnt Het Nieuwsblad.
Gute Perspektiven
De Morgen rät: Der Kultursektor wäre gut beraten, gar nicht erst zu versuchen, irgendwie auf das Angebot von Jambon einzugehen. Die Sparmaßnahmen von rund 60 Prozent sind so ungeheuerlich hoch, dass es unausweichlich scheint, sich nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten umzuschauen. Die Privatwirtschaft wäre ein möglicher Partner, und das muss gar noch einmal so anrüchig sein, wie viele das in einer ersten Reaktion sicher behaupten werden. In den Niederlanden klappt das zum Beispiel hervorragend und hat dort eine weiter blühende Kulturlandschaft ermöglicht, bemerkt De Morgen.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo zeigt sich erfreut, dass das EU-Parlament gestern den französischen Ersatzkandidaten für das Amt des EU-Kommissars für Industrie und Binnenmarkt, Thierry Breton, angenommen hat. Die Zeitung begründet: Breton ist selbst Unternehmer gewesen, hat die Betriebe Atos, Thomson und France Télécom geleitet. Er kennt sich also aus in dem Bereich, für den er künftig verantwortlich sein soll.
Viel wichtiger aber ist vielleicht noch, dass er eine Vision für Europa hat, die bislang fehlte. Der Franzose will sich nämlich den Herausforderungen der neuen Technologien, der künstlichen Intelligenz und der quantitativen Technologie stellen. Er will europäische Unternehmensgruppen schaffen, die die Konkurrenz mit amerikanischen und chinesischen Marktriesen nicht scheuen müssen. Und all das soll sozial so abgesichert sein, dass die Menschen nicht unter dieser Entwicklung leiden sollen, jubelt L'Echo.
Kay Wagner