"Unbekannte stecken das Asylzentrum Bilzen in Brand", titelt nüchtern De Tijd. "Traurige Premiere in Bilzen", notiert De Standaard. "Brandstiftung in Bilzen: Hier wurde eine traurige Grenze überschritten", das sagt der Bürgermeister der limburgischen Gemeinde, Johan Sauwens, auf Seite eins von Het Belang van Limburg.
In der Nacht von Sonntag auf Montag war in dem Gebäude ein Feuer ausgebrochen. Der Dachstuhl brannte völlig aus. In dem Haus sollten ab Mitte Dezember rund 150 Asylbewerber untergebracht werden. Gegen diese Pläne hatte es heftigen Protest in der Bevölkerung gegeben. Der Brand hat denn auch offensichtlich nicht jeden schockiert: "Brandstiftung im Asylbewerberheim erntet Applaus", so die ernüchternde Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Jubeln für Brandstiftung", so formuliert es De Morgen. Anscheinend hatten sich schnell Schaulustige vor dem brennenden Gebäude versammelt, die offen ihre Genugtuung zum Ausdruck gebracht haben. Die Behörden sind jedenfalls alarmiert: "Nach dem Brand von Bilzen: zusätzliche Bewachung für neue Asylbewerberunterkünfte", titeln jedenfalls Gazet van Antwerpen und Het Nieuwsblad.
Schwarz-Weiß-Bilder, die zu Taten anstiften
Haarsträubende Kommentare haben wir seit dem Brand in Bilzen gehört und gelesen, meint De Morgen. Die Täter hätten eine Auszeichnung verdient, mutig seien sie, weil sie endlich den Willen des "Volkes" durchgesetzt hätten. Überraschen diese Kommentare? Natürlich nicht. Nicht mehr. In den letzten Jahren sind alle Dämme gebrochen. Was früher im Stillen gedacht wurde, wird jetzt offen ausgesprochen. Und in der Nacht vom 10. auf dem 11. November wurden aus Worten Taten. Ausgerechnet zum Jahrestag des Waffenstillstands bekommen wir Bilder, die an die Reichspogromnacht erinnern.
Dass im Nachbarhaus eine 80-jährige Dame wohnt, die bei einem Übergreifen des Feuers hätte getötet werden können, das war den Tätern offensichtlich egal, konstatiert Het Nieuwsblad. Das ist eine lupenreine gesellschaftliche Entgleisung. Mit dieser Brandstiftung wurde ein neuer Tiefpunkt erreicht in der Art und Weise, wie wir als Gesellschaft mit der Asylproblematik umgehen. Es ist Aufgabe der Politik darzulegen, warum ein Asylbewerberheim geschaffen wird. Dafür wird man nie breite Zustimmung ernten. Wenn aber Politiker in Sozialen Netzwerken permanent unnuancierte Schwarz-Weiß-Botschaften in die Welt setzen, dann wird das fast unmöglich. Und dann riskiert man, dass am Ende einer zum Kanister greift.
Offen kommunizieren über die Asylbewerberheime
Nach Jahren der Polarisierung durch Populisten aller Couleur war es nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand Streichhölzer in die Hand nehmen würde, meint Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Diese Grenze ist jetzt überschritten. Unumkehrbar. Wer Gewalt anwenden will, der wird sich durch Bilzen gestärkt fühlen. Das jetzt auch die Politiker, die Hass gesät haben, ihre Bestürzung zum Ausdruck bringen, ist scheinheilig. Und es sind dieselben Leute, die Abschottung predigen, sich insbesondere auch gegen Europa stellen. Das ist das große Paradox: Diejenigen, die das Klima von Gewalt erst geschaffen haben, stehen einer Lösung im Weg. Denn die Migrationsproblematik ist nur durch europäische Zusammenarbeit zu lösen.
Vielleicht sehen wir hier die Auswirkungen eines Kommunikationsdefizits, meint De Standaard. Vielleicht wäre es besser, wenn die Behörden offen und transparent ihre Pläne hinsichtlich der Schaffung einer neuen Asylbewerberunterkunft darlegen würden. Das ist freilich keine Entschuldigung. Vielmehr sehen wir hier die Folgen einer falschen Politik. Theo Francken hat in seiner Zeit als Asylstaatssekretär angeblich überflüssige Asylzentren geschlossen. Dafür zahlen wir jetzt den Preis. Jetzt müssen wieder neue Plätze geschaffen werden. Einen Puffer zu behalten, das hätte zwar nicht alle Wogen der Intoleranz geglättet. Und auch Dialog wird Protest nicht ein für allemal ersticken. Aber es hilft.
Einschnitte im Kultursektor – Rache?
Vor allem in Flandern sorgt aber auch noch eine andere Geschichte für Aufregung: "Die flämische Regierung nimmt drei Milliarden Euro an Zuschüssen unter die Lupe", schreibt etwa de Tijd auf Seite eins. Die Equipe um Ministerpräsident Jan Jambon will ein einschneidendes Sparprogramm auflegen. Besonders betroffen wird der Kultursektor sein: Die Zuschüsse für Produktionen sollen um stolze 60 Prozent gekürzt werden. "Die Sparmaßnahmen schocken den Kultursektor", so die anklagende Schlagzeile von De Morgen.
"Das Ganze riecht nach Rache", so das Gefühl von L'Echo. Die doch radikale Rosskur, die die flämische Regierung dem Kultursektor auferlegen will, kommt doch bestimmt nicht von ungefähr. Längst wusste man, dass die N-VA und die Kulturszene keinen Draht zueinander hatten. Kulturschaffende haben mit Nationalismus nichts am Hut. Und sie haben auch nie gezögert, das zum Ausdruck zu bringen. Über die wahren Absichten der Regierung kann man indes nur mutmaßen. Man kann allerdings bedauern, dass die Maßnahme so kurzfristig erfolgt.
Het Laatste Nieuws versteht seinerseits die Aufregung nicht. Die Sparmaßnahmen machen aus Flandern bestimmt keine kulturelle Wüste. Es ist vollkommen normal, dass sich auch der Kultursektor an der Sanierung der Haushalte beteiligen muss. Das gilt allerdings auch für die Politik. So populistisch es klingen mag, aber man kann doch feststellen, dass unsere Politiker und Parteien bei sich selber nicht sparen.
Für Gazet van Antwerpen ist das alles eine verpasste Chance. Jetzt droht uns ein jahrelanger Krieg zwischen der N-VA und der Kulturwelt. Beide Seiten haben sich nie verstanden. Aber hätte man nicht einfach mal miteinander reden können? Die Polemik wird bestimmt nicht dazu beitragen, dass wir auch in Zukunft noch ein dynamisches, attraktives Kulturleben haben werden.
Suche nach dem belgischen Konsens
Einige Zeitungen beleuchten schließlich die Pressekonferenz von Informator Paul Magnette am Montag. "Magnette macht Fortschritte", schreibt das GrenzEcho. "Einige Schnittmengen zeigen sich", notiert La Libre Belgique. "Paul Magnette ist nach eigenen Worten ein bisschen optimistischer", schreibt Le Soir.
De Tijd kann der Methode von Magnette etwas abgewinnen. Er sucht nach dem gemeinsamen Nenner, das, was die Belgier verbindet, worüber Konsens besteht. Ob das reicht? Wir werden sehen. Die politische Debatte wird dadurch aber immerhin hygienischer. In Zeiten, in denen künftige Asylbewerberheime angezündet werden, ist der Wunsch nach Besonnenheit aber schon mal ein kleiner Grund zur Freude.
Roger Pint