"Eine Frau ist Premierministerin - Endlich!", titelt La Libre Belgique. "Sophie Wilmès Premierministerin - eine belgische Premiere", so die Schlagzeile von L'Avenir. "Wilmès betritt vermintes Terrain", notiert La Dernière Heure auf Seite eins.
Die MR-Politikerin Sophie Wilmès ist Belgiens neue Premierministerin. Sie ist die erste Frau an der Spitze einer belgischen Regierung. König Philippe setzte sie am Sonntag als Nachfolgerin von Charles Michel ein, der am 1. Dezember sein Amt als EU-Ratspräsident antreten wird.
Die meisten Zeitungen freuen sich über die Premiere, dass eine Frau als Nachfolgerin von Michel ernannt worden ist, schränken diese Freude gleichzeitig aber ein.
Le Soir kommentiert: Natürlich ist das ein starkes Zeichen für die belgische Gesellschaft, dass jetzt eine Frau Premierministerin ist. Aber machen wir uns nichts vor: Viele andere Kandidaten gab es nicht. Die meisten Minister aus dem Kabinett Michel haben die Regierung bereits verlassen. Und die meisten Männer, die für die Nachfolge von Michel in Frage gekommen wären, haben sicher dankend abgelehnt. Damit wollen sie ihre Chancen vergrößern, eine bedeutende Rolle in der künftigen Föderalregierung einnehmen zu können. Denn das ist auch eine Wahrheit: Wilmès steht jetzt an der Spitze einer Regierung, die eigentlich kaum Politik gestalten kann, stellt Le Soir fest.
Ein historischer Fehlstart
L'Avenir sieht das genauso und führt aus: Zweifellos muss die Ernennung von Wilmès historisch genannt werden. Aber dieser historische Schritt ist im Grunde ein Fehlstart. Wilmès hat eigentlich nur eine Statistenrolle. Mit ihrer geschäftsführenden Minderheitsregierung wird sie im Parlament wenig bewegen können. Wilmès wird Belgien zwar auf EU-Gipfeln repräsentieren, aber auch da wird ihr Gestaltungsspielraum klein sein. Ein wirklicher Schritt hin zu mehr Geschlechtergleichheit auf föderaler Ebene ist das nicht, mosert L'Avenir.
La Libre Belgique schreibt: Es ist normal, dass man diese Premiere begrüßt, dass eine Frau Premierministerin geworden ist. Darüber darf man aber auch nicht vergessen, dass Belgien bis zum Jahr 2019 warten musste, bis das passiert ist. In anderen Ländern ist es längst üblich, dass Frauen die höchsten Staatsämter bekleiden. Belgien musste fast 200 Jahre darauf warten - vor Wilmès waren 51 Männer bei uns Premierminister, erinnert La Libre Belgique.
La Dernière Heure meint: Es ist schön, dass eine Frau Premierministerin ist. Aber noch schöner wäre es gewesen, wenn das das Ergebnis der Bemühungen um eine neue Föderalregierung gewesen wäre. Dann hätten wir nämlich erstens eine handlungsfähige Regierung. Und zweitens würde Wilmès dann nicht nur eine symbolische Rolle einnehmen, sondern hätte wirklich Gestaltungsmöglichkeiten, bedauert La Dernière Heure.
Sophie wer?
Aus flämischer Sicht bemerkt Het Laatste Nieuws: Wenn morgen in einer flämischen Quizshow die Frage gestellt wird, wer Belgiens Premierminister ist, kann man nicht sicher sein, dass die Kandidaten die richtige Antwort geben. Seit Sonntag ist nämlich Sophie Wilmès Premierministerin, eine frankophone Liberale. Allerdings ist es im Grunde auch nicht schlimm, dass kaum jemand Wilmès kennt. Sie ist sowieso nur Übergangspremier einer Regierung, die keine Mehrheit hat. Das viel größere Problem des Landes ist die Suche nach einer neuen, wirklich handlungsfähigen Regierung. Hierum muss es gehen in den nächsten Wochen und Monaten. Und nicht darum, zu wissen, wie der aktuelle Premierminister heißt. Apropos: Wie war noch mal der Name?, giftet Het Laatste Nieuws.
Het Belang van Limburg weiß: Wilmès ist aus vier Gründen zur Nachfolgerin von Michel geworden - sie verbindet gute Fachkenntnis mit Charisma, sie spricht gut Niederländisch, sie ist eine Vertraute von Michel und sie ist eine Frau. Gut gearbeitet hat sie nicht unbedingt: Denn in den vergangenen vier Jahren, in denen sie Haushaltsministerin war, ist die Staatsverschuldung auf mittlerweile 8,5 Milliarden Euro gestiegen. Und das trotz wirtschaftlich guter Lage und niedriger Zinsen. Wegen des Haushalts wird es am Donnerstag vielleicht zum Showdown kommen im Parlament, weil der Not-Haushalt für November nicht durchkommt. Wilmès droht da eine erste Niederlage als Premier, für die sie selbst hauptverantwortlich ist, meint Het Belang van Limburg.
Ist die Welt jetzt sicherer? Wahrscheinlich nicht
US-Präsident Donald Trump hat am Sonntag verkündet, dass der Anführer des sogenannten Islamischen Staates, Abu Bakr al-Bagdadi, bei einem amerikanischen Militäreinsatz in Syrien getötet worden ist.
Het Laatste Nieuws bemerkt dazu: "Die Welt ist nun sicherer geworden", sagte Trump am Sonntag. Aber ist das tatsächlich so? Wahrscheinlich nicht. Als 2011 der Al-Qaida-Anführer Osama bin Laden vom US-Militär getötet worden war, hatte die Welt auch gedacht, dass damit der islamistische Terror beendet sei. Wir haben gesehen, dass diese Annahme falsch war: Neue Gruppen haben sich gegründet, zum Beispiel der IS. Das wird jetzt ähnlich sein, zumal die IS-Terrorzellen weiterbestehen.
Die Bedrohung durch den islamischen Fundamentalismus ist durch den Tod von al-Bagdadi längst nicht verschwunden. Zumal die Situation in Syrien weiter chaotisch erscheint, analysiert Het Nieuwsblad.
Kay Wagner