"Operation Friedensquelle: Die Türkei bombardiert Syrien", titelt Het Laatste Nieuws. "Türkische Offensive trotz Kritik", so die Schlagzeile von De Morgen. "Die türkische Offensive gegen die Kurden empört die eigenen NATO-Verbündeten", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Die Türkei hat gestern eine Offensive in Nordsyrien gestartet. Die Militäroperation richtet sich gegen die bewaffneten Kurdenmilizen, unter anderem die YPG. Ankara betrachtet diese Gruppierungen als Terroristen.
Die Offensive war nur möglich, weil die USA nach einem überraschenden Beschluss von Präsident Donald Trump ihre Truppen aus dem Gebiet zurückgezogen haben. Het Belang van Limburg bringt es auf den Punkt: "Erdoğan nutzt das grüne Licht von Trump".
Die Schlagzeile von De Standaard bringt zum Ausdruck, was in der Region jetzt für ein Chaos herrscht: "US-Verbündete im Krieg", schreibt das Blatt. Auf der einen Seite nämlich die Türkei, die ja NATO-Mitglied ist. Und auf der anderen Seite die Kurden, die für den Westen die Terrormiliz IS bekämpft hatten, bis vor Kurzem auch noch mit Unterstützung der Amerikaner.
"Die Türkei spielt IS in die Karten", analysiert denn auch De Tijd. Het Nieuwsblad ist ebenfalls pessimistisch: "Die türkische Offensive in Syrien kann der Beginn eines neuen Großkonfliktes sein".
"Schande über Erdoğan!", wettert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Die Operation ausgerechnet "Friedensquelle" zu taufen, ist die Krönung des Zynismus. Und US-Präsident Donald Trump trägt hier eine historische Verantwortung, weil er Erdoğan grünes Licht gegeben hat.
Die Kurden, jenes Volk ohne Land, verdienen all unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung. Sie haben für uns gekämpft, sie haben 11.000 Frauen und Männer auf dem Boden verloren, während unsere F-16 in der Luft waren. Die Kurden in Syrien zu schwächen, damit rollt man dem Islamischen Staat, der ohnehin dabei ist, sich neu aufzustellen, den roten Teppich aus.
Eigeninteressen allerorten
Wir sehen hier eine Geschichte voller Eigeninteressen, glaubt sinngemäß Gazet van Antwerpen. Auf der einen Seite Recep Tayyip Erdoğan. Um seine Popularität aufzupäppeln, will er die Türken glauben machen, dass er ihr Land endlich von den angeblichen "kurdischen Terroristen" erlöst. Und bei der Gelegenheit kann er in den entsprechenden Gebieten die Millionen von syrischen Flüchtlingen ansiedeln, die sein Land im Augenblick beherbergt.
In Washington hat Amtskollege Donald Trump eine ebenfalls vor allem eigennützige Agenda: "Die Jungs" wieder nach Hause zu bringen, das macht ihn bei seinen Wählern populär. Und im Moment kann das angesichts des drohenden Impeachments durchaus hilfreich sein. Europa steht dem Ganzen mehr denn je ohnmächtig gegenüber, der Flüchtlingsdeal mit Ankara macht die EU erpressbar.
Europa sollte sich jetzt entschlossener zeigen, appelliert seinerseits L'Avenir. Die Türkei muss zur Vernunft gebracht werden. Von den Amerikanern ist da ja offensichtlich nicht viel zu erwarten. Wenn die amerikanische Außenpolitik auch immer schon von einer gehörigen Dosis Zynismus geprägt war, so ist das wohl selten auf so skandalöse Art und Weise zu Tage getreten.
Doch selbst Donald Trump scheint inzwischen aufzugehen, dass in Nordsyrien die Dinge offensichtlich aus dem Ruder laufen, so Het Belang van Limburg. Er nannte die türkische Offensive gestern eine "schlechte Idee". Dabei hatte er doch selbst am Sonntag in seiner, nach Eigendarstellung, "großen und unendlichen Weisheit", die Ampel für die Türkei auf grün geschaltet.
Und auch Trump wird es den Türken wohl in letzter Konsequenz nicht erlauben, mit den kurdischen Kämpfern brutal abzurechnen. Die Europäer sind derweil den Launen Erdoğans machtlos ausgesetzt. Der hat ja schon gedroht, IS-Kämpfer in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Und dazu gehört ja auch Belgien.
Apropos, meint dazu Het Nieuwsblad: Der Antiterror-Stab OCAM hat ja auch schon vor der möglichen Rückkehr der belgischen IS-Kämpfer gewarnt. Die vom Westen verratenen und verkauften Kurden werden in jedem Fall nicht mehr viel Energie auf die Bewachung der gefangenen Terroristen verwenden.
Das OCAM hatte für mutige Entscheidungen plädiert, bis hin zu einer Aburteilung der belgischen IS-Kämpfer in Belgien. Das ist aber nicht populär. So wie es aussieht, werden die Empfehlungen des Antiterror-Stabs auch nur dann befolgt, wenn es gerade passt.
Halle und Nethys
Insbesondere Het Nieuwsblad berichtet auf seiner Titelseite über den gestrigen Anschlag in Halle in Ostdeutschland. Ein 27-jähriger Rechtsextremist hatte dort um sich geschossen und zwei Menschen getötet. Sein Hass richtete sich in erster Linie gegen die Juden.
Die frankophonen Blätter beschäftigen sich immer noch mit Nethys: "Moreau hatte persönliche Interessen beim Verkauf von Voo", schreibt L'Echo. Er hätte nämlich später selbst bei Voo einsteigen können. Die Schlagzeile von Le Soir wirkt da fast wie eine Erleichterung: "Moreau hat bereits seinen Ausstieg inklusive Abschiedsprämie unterzeichnet", titelt die Zeitung.
Alles andere als lustig
Einige Blätter schließlich greifen die umstrittene Bicky Burger-Werbung auf. Zu sehen ist auf dieser ja, wie ein Mann eine Frau schlägt, weil sie ihm einen falschen Bicky Burger unterjubeln wollte. Es hagelte Klagen wegen Sexismus und Banalisierung von Gewalt gegen Frauen.
Het Laatste Nieuws sieht das Problem nicht: Natürlich ist die Werbung vulgär, platt, derb und geschmacklos. Aber bis zum Beweis des Gegenteils ist schlechter Geschmack bei uns noch nicht strafbar. Gewalt gegen Frauen darf natürlich nie relativiert werden. Nur: Ob Bicky das tut, das sei, so Het Laatste Nieuws, dahingestellt.
La Dernière Heure sieht das anders: Gewalt gegen Frauen zu banalisieren, ist kriminell. Zumal diese Werbeanzeige sich vornehmlich an ein junges Publikum richtet. Wer einwendet, dass es sich hier ja "nur um Humor" handele, dem sei gesagt: Vulgarität, Sexismus, Gewalt, das ist alles andere als lustig.
Roger Pint