"Die Hintergründe zum Wechsel von Dominique Leroy", titelt die Wirtschaftszeitung L'Echo. "Finanzaufsicht ermittelt gegen Leroy", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Gewerkschaften fordern sofortigen Abgang von Leroy", notiert Het Laatste Nieuws auf ihrer Titelseite.
Der für den 1. Dezember angekündigte Wechsel von Proximus-Chefin Dominique Leroy zum niederländischen Telekomanbieter KPN beschäftigt die Zeitungen auch heute noch in ihren Berichten und Leitartikeln.
L'Echo kommentiert: Einige wissen ganz genau, dass es das Geld ist, was Leroy zum Wechsel von Proximus Richtung KPN veranlasst. Doch das ist eine zu einfache Erklärung. Vielmehr geht es der Frau darum, sich weiterzuentwickeln. Die Politik wäre gut beraten, ihr Verhältnis zu den Unternehmen zu ändern, die sie kontrolliert. Wenn die Politik wirklich diese Unternehmen in ihren Wandlungsprozessen begleiten will, ist es zum Beispiel viel wichtiger, die besten Männer und Frauen dafür zu finden, als einen Gehaltsdeckel festzulegen. Doch wenn man sich auf die Formel versteift: Wer nimmt den Job für 650.000 Euro an, dann ist das ein schlechter Start. Das Problem wird auf diese Weise am falschen Ende angepackt, ist L'Echo überzeugt.
Führungskräfte kehren Belgien den Rücken
La Libre Belgique kritisiert einen anderen Punkt der Politik in Bezug auf Proximus und führt aus: Einen großen Einfluss auf die Entscheidung von Leroy wird sicher gehabt haben, dass die Politik sich zu häufig in die Angelegenheiten von Proximus eingemischt hat. Premierminister Charles Michel hatte Leroy zu sich gebeten, als sie die Umstrukturierung von Proximus eingeleitet hatte. Die Regierung wollte einen vierten Telekomanbieter in Belgien zulassen, obwohl Leroy dagegen protestierte. Bei KPN wird sie diesen Einfluss der Politik nicht haben. Unsere Politiker sollten sich die Frage stellen, inwieweit sie und ihr Verhalten dafür verantwortlich sind, dass so kompetente Führungskräfte wie Leroy unserem Land den Rücken kehren, gibt La Libre Belgique zu bedenken.
De Tijd stellt noch einen viel größeren Exodus fest und zählt auf: Mit Leroy und Koen Van Gerven gehen nicht nur zwei Chefs von zwei quasi-Staatsunternehmen. Auch Premier Michel und das Ministerurgestein Didier Reynders verlassen bald die nationale Bühne. Drei der vier Vize-Premierminister sind bereits weg. Auffällig ist, dass an den Parteispitzen dieser Exodus nicht festzustellen ist. obwohl eigentlich alle herkömmlichen Parteien bei den Wahlen im Mai verloren haben, halten sich ihre Parteivorsitzenden. Das alles ist irgendwie absurd. Bleibt zu hoffen, dass von irgendwo her Hoffnung auf neuen Schwung kommt. Vielleicht ja durch die Ankündigung am Montag der beiden königlichen Informatoren, dass PS und N-VA jetzt doch dazu bereit sind, miteinander zu sprechen, wünscht sich De Tijd.
Richtungsstreit bei Groen
A propos Parteivorsitzende: Bei den flämischen Grünen hat die bisherige Vorsitzende Meyrem Almaci am Freitag bekanntgegeben, erneut Kandidatin für den Parteivorsitz zu sein. Het Laatste Nieuws kommentiert: Das ist schon verwunderlich. Denn eine Erfolgsbilanz kann Almaci ja nicht gerade vorweisen. Grün schien vor den Wahlen auch dank der großen Klimadebatte die Farbe der Stunde. Doch in einen Sieg konnte Almaci diese Sympathiewelle nicht ummünzen. Auch bei den Kommunalwahlen vor knapp einem Jahr waren die Ergebnisse doch eher enttäuschend. Trotzdem glaubt Almaci, dass sie die richtige Frau ist für die Grünen. Fraglich, ob auch die Basis das so sieht, zweifelt Het Laatste Nieuws.
De Standaard sieht Groen vor einer Richtungswahl und erklärt: Mit Björn Rzoska hat Almaci einen Gegenkandidaten, der neue Wähler für Groen in der Mitte finden möchte. Almaci hingegen will das soziale Profil der Partei stärken, ist also eher nach links orientiert. Mit Blick auf die Basis der Grünen hat Almaci bessere Karten als Rzoska, den Parteivorsitz zu ergattern. Ob das die Grünen allerdings erfolgreicher macht, ist eher fraglich, so De Standaard.
L'Avenir beschäftigt sich mit der Empfehlung des Föderalen Planbüros, eine intelligente Kilometermaut für Autos einzuführen und führt aus: Es ließ aufhorchen, dass am Freitag der Verband der belgischen Unternehmen applaudierte. Doch bei näherem Hinsehen wird verständlich, warum. Eine solche Maut würde nämlich das Autofahren zu Stoßzeiten so teuer machen, dass der normale Bürger dann das Auto lieber stehen lässt. Er muss sich dann in unpünktlichen und unbequemen so genannten öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen, wohingegen auf den Straßen genügend Platz ist für die reichen Autofahrer, sprich die Unternehmer. Wenn man sich diese Szenario vor Augen hält, bekommt das Wort "intelligent" für diese Maut einen sehr fahlen Beigeschmack, schimpft L'Avenir.
Friedliches Zusammenleben ist wertvoll
Gazet van Antwerpen schreibt zu den Feierlichkeiten zur Befreiung Belgiens am Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren: Das ganze Wochenende wird in Antwerpen gefeiert. Die Verantwortlichen haben das von langer Hand geplant. Bei den verschiedenen Veranstaltungen wird an die Freude erinnert, die die Menschen damals empfunden haben, an die Erleichterung. Gleichzeitig wird aber auch an die Menschen erinnert, die sich kaum freuen konnten an diesem Tag. Die durch den Krieg Angehörige verloren hatten, deren Häuser zerstört wurden, die an Seele und Körper leiden mussten.
Dass diese beiden Aspekte der Befreiung berücksichtigt werden, ist gut. Und es wäre ebenfalls gut, wenn alle Bürger von Antwerpen, egal welcher Herkunft an den Festlichkeiten teilnehmen würden. Dadurch könnten sie erkennen, dass ein friedliches Zusammenleben einen Wert hat, den es zu erhalten gilt, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Kay Wagner