"Krise in Italien: Premier Giuseppe Conte tritt zurück ", titeln De Tijd und das GrenzEcho. "Und er führt damit Italien und Europa in einen dicken Nebel", fügt L'Echo hinzu. "Italien stürzt wieder ins Chaos", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Exit Conte, kommt jetzt Salvini?", fragt sich De Morgen.
Italien leistet sich eine neue Regierungskrise. Die rechtsextreme Lega-Partei hat die Koalition mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung aufgekündigt. Jetzt muss Staatspräsident Sergio Mattarella entscheiden, wie es weitergeht.
Möglich ist eine alternative Koalition ohne die Lega. Am wahrscheinlichsten sind aber Neuwahlen. Das ist offensichtlich auch das Kalkül des amtierenden Innenministers Matteo Salvini, der auch Chef der Lega ist. Umfragen sagen seiner Partei nämlich gute Ergebnisse voraus. Giuseppe Conte übte in seiner Abschiedsrede aber scharfe Kritik an Salvini: Salvini denke nur an seine Interessen und die seiner Partei, nicht an das Land. "Conte liest Salvini die Leviten", titelt auch sinngemäß Le Soir.
"Bravissimo Giuseppe Conte", leider zu spät!
Zum ersten und wahrscheinlich auch gleichzeitig zum letzten Mal ist Giuseppe Conte seiner Mission gerecht geworden, urteilt Le Soir in seinem Leitartikel. Endlich hat der 55-Jährige mal Kragenweite bewiesen. Mit seiner Brandrede hat Conte den Nagel auf den Kopf getroffen; diplomatisch aber bestimmt hat er die Dinge beim Namen genannt. "Bravissimo!", kann man da nur sagen. Allerdings: So treffend die Analyse von Giuseppe Conte auch war, sie kommt zu spät. Indem sie eine Koalition mit der Lega einging, hat die Fünf-Sterne-Bewegung die Rechtsextremisten erst groß gemacht.
"Vielleicht hat sich Matteo Salvini ja verkalkuliert", meint Het Belang van Limburg. Er hofft auf schnelle Neuwahlen und einen spektakulären Wahlsieg. Wir werden sehen. In den letzten Wochen zeichneten sich nämlich plötzlich mögliche Alternativen ab: zum Beispiel die Bildung einer neuen Koalition, ohne Auflösung des Parlaments. Die Fünf-Sterne-Bewegung und ein Linksbündnis könnten eine Art Anti-Salvini-Allianz bilden. Möglicherweise hat sich Salvini von seinem Ehrgeiz zum größten Fehler seiner Laufbahn hinreißen lassen.
Salvinis komfortable Situation
L'Avenir teilt diese Ansicht nicht. Eine alternative Mehrheit wäre weder effizient noch kohärent. Eine Koalition ohne Vision, deren einziges Ziel es wäre, Salvini zu verhindern. Damit wäre der definitive Aufstieg des rechtsextremen Demagogen wahrscheinlich nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.
De Tijd sieht das ähnlich. Italien muss, wie alle EU-Staaten, Mitte Oktober einen Haushalt vorlegen. Um den EU-Vorgaben zu genügen, müssen 30 Milliarden Euro gefunden werden. Gelingt die Bildung einer alternativen Koalition, dann würde diese undankbare Aufgabe also dieser neuen Regierung zufallen. Heißt: Diese Parteien würden quasi ihr eigenes Grab schaufeln. Allein dieser Aspekt zeigt, in welch komfortabler Situation sich Salvini befindet. Und zugleich ist das ein zusätzliches Alarmsignal für Europa: Italien, immerhin die drittstärkste Wirtschaft in der Euro-Zone, ist mehr denn je eine Zeitbombe unter dem Euro.
Für L'Echo entscheidet sich in Italien möglicherweise sogar die Zukunft der EU. Es gibt zwei Möglichkeiten: Die Regierungskrise kann dazu führen, dass die Salvini-Blase platzt, dass es nach der "Koalition der Wut" jetzt ein heilsames Aufbäumen gibt. Die zweite Möglichkeit ist aber, dass Salvini nur noch stärker wird. Und dass das teuflische Räderwerk nur weiterdreht, dessen Ziel es ist, entweder die EU zu zerstören oder Italien aus der Union herauszuführen. In der Schlacht um Italien geht es ums Ganze.
"Die Wahl der Wahrheit"?
Innenpolitisch mag die Situation ein wenig an Italien erinnern. Auf der föderalen Ebene ist das Patt nach wie vor total. Für Le Soir wird damit ein Szenario immer wahrscheinlicher: "In der Rue de la Loi spekuliert man über Neuwahlen Anfang 2020", schreibt das Blatt auf Seite eins. Das wäre dann die "Wahl der Wahrheit", warnt das Blatt. Am wahrscheinlichsten sei demnach ein Termin im Januar oder Februar nächsten Jahres.
Auf Seite eins von De Morgen liest man da was ganz anderes: "Neuwahlen?, Die Wahrscheinlichkeit geht gegen null", schreibt das Blatt. Insbesondere auf frankophoner Seite sei man sich dessen bewusst, dass man damit die Büchse der Pandora öffnen würde. Damit würde nämlich der Beweis erbracht, dass die traditionellen Parteien das Land nicht führen können. Und profitieren würden davon nur die Extremisten auf der linken und der rechten Seite.
Worauf wartet die Politik noch?
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch am Mittwoch noch mit der Note von Bart De Wever, die als Grundlage dienen soll im Hinblick auf die Bildung einer neuen flämischen Regierung. "Höhere Autosteuer ab 2020", schreiben Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg. "Die ländlichen Gemeinden laufen Sturm gegen die De Wever-Note", titelt seinerseits De Standaard. Die ländlichen Gemeinden sind nämlich der Ansicht, dass sie benachteiligt werden.
Einige Zeitungen schließlich beleuchten den offenen Brief, in dem rund 300 Unternehmer Empfehlungen an die nächste Regierung formulieren. Bemerkenswert ist insbesondere, dass die Wirtschaftswelt für eine gerechtere Lastenverteilung eintritt, sind sich Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen einig. In dem offenen Brief plädieren die Unternehmer dafür, steuerliche Hintertüren zu schließen. Sie sind sich offensichtlich dessen bewusst, dass die Steuerungerechtigkeit letztlich ins Verderben führt. Wenn der Staat kein Geld mehr hat, dann sorgt das für soziale Unruhe. Das Fazit von Het Nieuwsblad: Wenn jetzt schon Wirtschaftsbosse fordern, dass die Reichen einen angemesseneren Beitrag leisten, worauf wartet die Politik dann noch?
Roger Pint