"Brüsseler Regierung: Priorität für Soziales und Klima", titelt Le Soir. "Grünes Licht für Brüsseler Regierung", schreibt De Tijd. Und L'Echo fasst zusammen: "Wohnen, Beschäftigung, Regierungsführung und Ökologie auf dem Brüsseler Menu". Ein großer Teil der belgischen Tageszeitungen kommentiert das neue Regierungsabkommen für die Hauptstadtregion. La Libre Belgique schreibt: Es ist schwer, diesen Katalog der guten Absichten zu kritisieren. Eine Antwort auf die dringenden sozialen Probleme ist sicher gut. Die Klima-Herausforderung annehmen und den ökologischen Übergang erreichen, ist dringend. Die wirtschaftliche Leistung der Region verbessern und dabei den Mittelstand miteinbeziehen, ist grundlegend. Und aus Brüssel europäische Kulturhauptstadt 2030 zu machen, ist auch schön. Man muss allerdings abwarten, wie diese Herausforderungen gemeistert und diese Versprechen in die Tat umgesetzt werden, mahnt La Libre Belgique.
Auch die flämische Wirtschaftszeitung De Tijd bremst die Euphorie. Um in den folgenden fünf Jahren erfolgreich zu regieren, muss die Brüsseler Regierung wirklich mehr tun als das. Die Frage ist, ob die Grünen, die ihre Kampagne mit dem Slogan "Es kann anders" führten, auch beweisen können, dass es besser wird. Vor allem, da die PS sowie in den vorherigen Legislaturen diese Regierung anführt. Wenn die neue Brüsseler Regierung wirklich den Unterschied machen will, dann kommt das nicht von den Ideen an sich, sondern wie diese in die Tat umgesetzt werden. Die Pläne der Brüsseler Regierung sind gut, sie sind jedoch in der Vergangenheit oft halbherzig umgesetzt worden, notiert De Tijd.
Brüssel ist erwachsen geworden
Het Nieuwsblad stellt fest: Die Aussage des Brüsseler Ministerpräsidenten Rudi Vervoort von Mittwoch, Brüssel sei der Zwangsjacke der zwei Gemeinschaften entwachsen, ist gleichzeitig auch der Grundtenor des neuen Regierungsabkommens. Die Region Brüssel ist erwachsen geworden und entscheidet sich voller Selbstvertrauen für einen eigenen Weg. Ohne die beiden Schwiegermütter an flämischer und frankophoner Seite. Sie ist Ausdruck einer Brüsseler Identität, die in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist. Brüssel ist schon lange nicht mehr die Hauptstadt, in der sich Flamen und Frankophone treffen. Brüssel ist eine mehrsprachige Stadt, in der sich die ganze Welt trifft. Die Bevölkerung ist damit aufgewachsen. Wer früher zum Beispiel ein Brüsseler Flame war, ist jetzt ein flämischer Brüsseler. Erst Brüsseler, dann erst Flame.
Das große Handicap ist, dass die Strukturen der Regierung Brüssel sich nicht mit der Brüsseler Identität weiterentwickelt haben. Diese sind immer noch aufgespalten in flämisch- und französischsprachig. Inklusive 19 Gemeinde, die das Ganze durchqueren. Rudi Vervoort machte sich am Mittwoch stark, dass die Regionalregierung mit allen Institutionen gut zusammenarbeiten will, um die großen Ambitionen auch wahrzumachen. Mit diesem Optimismus flirtet er allerdings schon an der Grenze des Realitätssinns, befürchtet Het Nieuwsblad.
Le Soir fasst zusammen: Auf dem Papier ein vernünftiges Abkommen, ambitioniert und kohärent. Das aber noch konkretisiert werden muss, trotz extrem schwieriger budgetärer Bedingungen.
Trantütige Politiker
De Standaard beleuchtet die Ernennung eines neuen belgischen EU-Kommissars vor dem Hintergrund der stockenden Regierungsverhandlungen. Das Herumgetrödel ist unverantwortlich. Anderthalb Monate nach den Wahlen stehen wir noch nirgends. Und das obwohl auf einigen Gebieten dringende Entscheidungen getroffen werden müssen. Es ist ironisch, dass Europa uns jetzt vor vollendete Tatsachen stellt, da die Bezeichnung eines Kommissars natürlich nicht das dringendste Problem ist. Der Haushalt - um nur einen zu nennen - sollte ein besserer Grund sein, um in Fahrt zu kommen.
Dass es jetzt keine Regierung gibt, vergrößert das Risiko, dass Belgien später eine zweit- oder drittklassige Zuständigkeit am Hals hat. Was dies betrifft, kennt die EU-Kommission keine Gnade. Wer zu spät kommt, hat das Nachsehen. Sollte dieses Szenario eintreten, dann wäre das eine Blamage für unser Land, Gründungsmitglieder der Union und Gastgeber der wichtigsten Institutionen. Kommt es soweit, dann haben die Politiker es ihrer eigenen Trantütigkeit zu verdanken.
Die magische Formel des Robert Waseige
La Dernière Heure widmet ihren Leitartikel der am Mittwoch verstorbenen Fußballlegende Robert Waseige. Er war nicht der beste Spieler, der das Königreich gekannt hat. Vielleicht war er auch nicht der größte Taktiker unseres Fußballs. Aber dass Belgien von seinem Tod so gerührt ist, liegt vor allem daran, dass Robert Waseige mehr als ein großer Trainer und Menschenführer war: Er war ein waschechter Monsieur.
In einem Land, das seinen Nationaltrainern geradezu mystische Spitznamen verleiht - Goethals der Zauberer oder Waseige, der Magier von Rocourt - hatte Robert Waseige paradoxerweise eine vollkommen banale Zauberformel für seine sportliche und menschliche Pläne: Einfachheit, Selbstlosigkeit, Wohlwollen und Freundlichkeit. Er war der gutmütige Onkel, den jeder Belgier gerne an seinem Tisch gehabt hätte. Das Herz von Robert Waseige hat ihn am Mittwoch im Stich gelassen. Er hatte ein großes, so La Dernière Heure.
Volker Krings