"Gegen Dries Van Langenhove wird offiziell ein Ermittlungsverfahren eingeleitet", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws und De Tijd. "Unter Verdacht kurz vor der Eidesleistung", titelt Gazet van Antwerpen. "Aber Van Langenhove kann am Donnerstag den Eid als Parlamentarier ablegen", fügt Het Belang van Limburg hinzu.
Dries Van Langenhove ist der Gründer der rechtsradikalen Vereinigung Schild&Vrienden. Die Organisation war von VRT-Journalisten als zutiefst rassistisch, antisemitisch und sexistisch entlarvt worden. Nach der Ausstrahlung der Reportage hatte die Justiz eine Untersuchung eingeleitet. In der Zwischenzeit hatte Dries Van Langenhove als Unabhängiger auf einer Kammer-Liste des rechtsextremen Vlaams Belang kandidiert und wurde auch gewählt. Am Donnerstag steht in der Kammer die Vereidigung der Abgeordneten an. Gestern hat der zuständige Untersuchungsrichter von Gent Van Langenhove aber den ganzen Tag lang verhört. Er blieb nur unter Auflagen auf freiem Fuß.
Het Nieuwsblad bringt es auf den Punkt: "Van Langenhove musste sich entscheiden: entweder das Holocaust-Museum oder eine Gefängniszelle". Konkret muss Dries Van Langenhove die Gedenkstätte in der Kaserne Dossin in Mechelen besuchen. Gegen ihn wird ja unter anderem wegen Rassismus und Verharmlosung des Holocaust ermittelt. De Morgen fasst es in einer Schlagzeile zusammen: "Dries Van Langenhove: bald Kammerabgeordneter, jetzt frei unter Auflagen".
Dass die Genter Justiz gründlich ermittelt, das ist eine gute Sache, meint Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Was die VRT-Reporter in der geheimen Chatgruppe von Schild&Vrienden zu Gesicht bekamen, das ging definitiv zu weit. Unter anderem wurde schließlich Adolf Hitler verherrlicht. Mit solchen Themen darf niemand leichtfertig umgehen. Der Untersuchungsrichter scheint die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sogar als eine Art Ermahnung zu betrachten: Noch vor der Klärung der Schuldfrage muss Dries Van Langenhove die Kaserne Dossin besuchen. Vielleicht hilft's ja.
Das Misstrauen gegen De Wever wächst
Hier zeigen sich einmal mehr die zwei Gesichter des Vlaams Belang, glaubt Het Belang van Limburg. Wenn man den übertünchenden Lack wegkratzt, mit dem die Generation Van Grieken die Partei angepinselt hat, dann kommt quasi unvermeidlich wieder die wahre Natur des Vlaams Belang ans Licht. Hinter dem sozial angehauchten Programm verbirgt sich eine ranzige identitäre Agenda und Migrationspolitik. Die Tarnung ihrer wahren Absichten macht die Partei gefährlicher denn je. Die Frage ist jetzt, wie lang der flämische Regierungsbildner unter diesen Umständen den Paarungstanz mit dem Vlaams Belang noch fortsetzen kann.
Genau mit dieser Frage machen auch einige Zeitungen auf: "Van Langenhove liefert CD&V und OpenVLD zusätzliche Munition", titelt etwa De Standaard. "Das Misstrauen gegen De Wever wächst", so auch die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Dass N-VA-Chef Bart De Wever weiter prioritär mit dem rechtsextremen Vlaams Belang über eine mögliche Koalition verhandelt, sorgt bei den anderen Parteien zunehmend für Unmut. Deren Argumentation: Eine solche Konstellation ist nicht lebensfähig, da N-VA und Vlaams Belang zusammen keine Mehrheit hätten und keine andere Partei bereit ist, mit den Rechtsextremisten zusammenzuarbeiten. Insbesondere die OpenVLD verlangt jetzt Klarheit von De Wever. "Druck auf die N-VA, um Farbe zu bekennen", so fasst es denn auch De Morgen zusammen.
Ein erstickender Status quo
Einige Zeitungen machen derweil eine Bestandsaufnahme der flämischen Parteienlandschaft. Festmachen kann man das an der Schlagzeile von De Tijd: "Der SP.A-Vorsitzende John Crombez bietet seinen Rücktritt an", schreibt das Blatt. Er will damit die Konsequenzen ziehen aus dem desaströsen Wahlergebnis seiner Partei. Der Vorstand hat Crombez aber einstimmig den Rücken gestärkt und bittet ihn, weiterzumachen.
Viel zu viele tun aber so, als wäre nichts gewesen, kritisiert De Standaard in seinem Leitartikel. Insbesondere in Flandern haben die traditionellen Parteien massiv Federn lassen müssen. Doch niemand zieht seine Konsequenzen daraus. Das ist ein schlechtes Zeichen. Die Zentrumsparteien müssen erkennen, dass ihr Niedergang strukturell ist, quasi ein Zeichen der Zeit. Da darf nicht der Eindruck eines Business as usual entstehen.
Het Nieuwsblad sieht das genauso: Keine einzige Partei wagt es im Moment, mit sich selbst ins Gericht zu gehen. Es herrscht ein erstickender Status quo. Die Parteivorstände bleiben allesamt auf ihren Posten. An der Basis brodelt es derweil. Auf einen solchen Treibsand wird niemand eine Koalition bauen können.
Haben die Grünen einen am Klatschmohn?
Apropos Koalition: In der Wallonie hatte ja Ecolo gestern die Idee einer "Klatschmohn"-Regierung ins Spiel gebracht. Grob zusammengefasst wäre das eine rot-grüne Minderheitsregierung, ergänzt durch Minister aus der Zivilgesellschaft. Auf Seite eins von La Libre Belgique erteilt der scheidende MR-Ministerpräsident Willy Borsus der Idee eine Absage: "Die Wallonie braucht eine möglichst breite Mehrheit, also einen Regenbogen". CDH und PTB stehen als Mehrheitsbeschaffer jedenfalls nicht zur Verfügung.
L'Avenir kann mit diesem "Klatschmohn" gar nichts anfangen: Mal ehrlich, warum gehen wir denn noch wählen, wenn die Parteien dann Leute von außen hinzuziehen und damit die politischen Kräfteverhältnisse nicht mehr respektiert werden? Die Ecolo-Idee ist einfach nur grotesk. Der Klatschmohn mag eine schöne Blume sein, sie blüht in der Regel aber nicht länger als einen Tag lang.
Man mag sich tatsächlich im ersten Moment fragen, ob die Grünen nicht einen am Klatschmohn haben, meint auch augenzwinkernd Het Laatste Nieuws. Doch sollte man den Vorstoß nicht zu schnell vom Tisch fegen. In zehn der 28 EU-Staaten führen Minderheitsregierungen die Geschäfte. Und der Gedanke, Nicht-Politiker hinzuzuziehen, verdient es zumindest, in Erwägung gezogen zu werden. Gerade die Wallonie bräuchte mal Leute mit einer Außenperspektive.
Die Idee mag zwar originell sein, meint sinngemäß La Libre Belgique. Die Formel wäre aber äußerst riskant. Und ob sie wirklich ernstgemeint ist, sei dahingestellt. Nicht vergessen: Die beste Art, eine Idee zu töten, ist, sie zu veröffentlichen.
Roger Pint