"Renten auch später als mit 67 Jahren? Nein", titelt La Dernière Heure. "Wie Bart De Wever bei der Rentendebatte in die Enge getrieben wurde", notiert Het Nieuwsblad. "Warum ein höheres Renteneintrittsalter vielleicht doch nicht so kontrovers ist", schreibt De Morgen auf Seite eins.
In einer Fernsehdebatte mit dem SP.A-Parteivorsitzenden John Crombez hatte N-VA-Parteichef Bart De Wever zugegeben, dass die N-VA langfristig das Renteneintrittsalter auch auf über 67 Jahre erhöhen wolle, wenn sich die Lebenserwartung der Menschen weiter verlängert. Das hat für viel Wirbel gesorgt. Alle anderen Parteien distanzierten sich von solchen Plänen.
Het Nieuwsblad hält dazu fest: Das war ein Bild mit Seltenheitswert: Bart De Wever in Erklärungsnot. Der eigentlich nicht sehr begnadete Streitredner John Crombez konnte den in Debatten mit allen Wassern gewaschenen Bart De Wever in die Ecke drängen. Einen Tag lang war die N-VA dann im Panikmodus. Geschuldet ist das auch einer verfehlten Föderalpolitik. Die Regierung hatte fünf Jahre lang Zeit, eine vernünftige Rentenreform auf den Weg zu bringen. Doch lediglich die Erhöhung des Renteneintrittalters auf 67 Jahre hat sie beschlossen. Die Menschen sind verunsichert, verärgert und voll mit Sorge. Wie ein Bumerang haben diese Verfehlungen Bart De Wever bei diesem Schlagabtausch mit John Crombez getroffen, meint Het Nieuwsblad.
Falsche Debatte
De Morgen teilt diese Ansicht und führt aus: Dieses unter den Menschen jetzt weit verbreitete Misstrauen hat dazu geführt, dass eine eigentlich richtige Debatte im allgemeinen Aufschrei unterging. Denn dass wir länger arbeiten müssen, um unser Sozialsystem aufrecht zu erhalten, ist klar. Doch schon die Regierung hat das ganze Thema falsch angepackt. Das gesetzlich festgelegte Renteneintrittsalter ist gar nicht das Problem, sondern der Zeitpunkt, an dem die Menschen tatsächlich in Rente gehen. Das ist schon weit vor dem 65. Lebensjahr. Bevor man überhaupt über 65, 67 oder noch länger redet, sollte man erstmal schauen, wie die Menschen tatsächlich bis 65 Jahre vernünftig arbeiten können, fordert De Morgen.
Das sieht auch De Standaard so und bemerkt: Es ist schon komisch zu sehen, dass so eine logische und nachvollziehbare Idee der N-VA für so viel Wirbel sorgt. Das täte sie nicht, wenn in Belgien eine andere Mentalität herrschen würde, nämlich die Mentalität, dass man gerne zur Arbeit geht. Dass die Bedingungen für Arbeit gut und dem jeweiligen Alter des Arbeitnehmers angemessen sind. Dann würde man es auch nicht als Last empfinden, ein paar Jahre länger arbeiten zu müssen zum Wohle der Gesellschaft. So ein Land muss Belgien werden, fordert De Standaard.
Ecolo bringt sich selbst in Gefahr
In der Brüsseler Stadtgemeinde Laeken haben gestern zwei Ecolo-Kandidaten umstrittene Flugzettel verteilt. Auf dem Zettel werden die Positionen der unterschiedlichen Parteien zu religiösen Praktiken der Moslems aufgeführt. Nur Ecolo spricht sich in allen Punkten für die Unterstützung der muslimischen Praktiken aus. Das hatte zu einer Welle der Empörung geführt. Die Ecolo-Parteispitze distanzierte sich umgehend von den Flugzetteln.
La Libre Belgique schimpft trotzdem. Schockierend war das, was da gestern in Laeken passiert ist. Da haben die Grünen doch tatsächlich die Tendenzen zur Abschottung der Muslime unterstützt. Das ist genau das Gegenteil von Integration. Dabei steht Ecolo doch so gerne für ein offenes Zusammenleben aller Gemeinschaften in einer Gesellschaft. Was will die Partei jetzt wirklich? Es ist beunruhigend zu sehen, dass eine Brüsseler Regionalabgeordnete in aller Freiheit eine so problembeladene Botschaft verbreiten konnte. Als ob die Grünen letztlich nichts aus ihren Fehlern gelernt hätten, schüttelt La Libre Belgique den Kopf.
Le Soir ist milder in seinem Urteil und glaubt: Ein Wirkungstreffer gegen Ecolo muss das nicht unbedingt sein. Denn die Parteispitze hat umgehend den Flyer verurteilt. Seine Verbreitung wurde sofort eingestellt. Auch der Hinweis der Parteiführung, dass die auf dem Flyer angesprochenen Fragen besser in einer ausführlichen Debatte besprochen werden müssten, ist richtig. Doch der Schaden ist natürlich da. Völlig unnötig heraufbeschworen. Die Grünen müssen Acht geben, dass sie kurz vor Ende der Kampagne sich ihren sicher geglaubten Wahlsieg nicht noch selbst nehmen, warnt Le Soir.
Europa bleibt Stückwerk
Das GrenzEcho kommentiert zu den Europawahlen: Gestern Abend nun gab es im deutschen Fernsehen das TV-Duell zwischen dem Spitzenkandidaten der Konservativen, Manfred Weber, und dem der Sozialdemokraten, Frans Timmermans. Doch diese Spitzenkandidatenwahl macht die EU nicht demokratischer. Die Europawahlen sind immer noch geprägt von nationalen Interessen. Es sind immer noch nationale Wahlen für X Angeordnete in einem Parlament, bei dem nur das Kürzel EU europäisch ist. So wie die Regeln derzeit sind, hat das mit Europa herzlich wenig zu tun. Es bleibt ein Europa der Nationalstaaten. Solange die EU-Bürger nicht europäisch wählen dürfen und nicht von einer europäischen Regierung regiert werden, bleibt Europa Stückwerk. Und zahnlos, bemängelt das GrenzEcho.
Kay Wagner