"Zwei sich ausschließende Visionen für Belgien", titelt L'Echo. "N-VA zusammen mit Ecolo in einer Regierung? Nicht in tausend Jahren", so die Schlagzeile bei De Tijd. Und Het Laatste Nieuws notiert auf Seite eins: "De Wever zu Nollet: 'Sie sind wie eine Wassermelone: außen grün, innen rot'".
Gestern Abend haben sich N-VA-Chef Bart De Wever und der Ecolo-Ko-Vorsitzende Jean-Marc Nollet ein Rededuell geliefert. Die beiden sollten mit Blick auf die anstehenden Wahlen die Positionen ihrer Parteien vorstellen.
L'Echo kommentiert: Bei dem Duell prallten zwei Welten aufeinander. Die Debatte zwischen De Wever und Nollet machte deutlich, dass die Parteien N-VA und Ecolo kaum zueinander passen. Auf persönlicher Ebene kann man vielleicht Nollet als Sieger sehen. Er zeichnete seinen Gegner als Mann von Gestern, unfähig, seine Versprechen zu halten und ohne Moral.
Dass grüne Themen zurzeit gesellschaftspolitisch bedeutend sind, brauchte Nollet nicht erst zu beweisen. Er musste lediglich verdeutlichen, dass Ecolo fähig ist, glaubwürdige Politik zu gestalten.
Das gelang Nollet geschickter als De Wever, der Schwierigkeiten hatte, die Regierungsbilanz von Premierminister Michel zu verteidigen. Er musste eingestehen, dass Vieles unerledigt geblieben ist, resümiert L'Echo.
Auch De Tijd meint: Gestern Abend standen zwei Politiker auf der Bühne, die symbolisch für die Zweiteilung des Landes gesehen werden können.
De Wever verkörperte dabei Flandern. Die meisten Flamen unterstützen eine Mitte-Rechts-Politik, die meisten Wallonen dagegen eine Mitte-Links-Politik. Für letztere stand Nollet.
Dass sich diese beiden Lager auf föderaler Ebene in einer gemeinsamen Regierung versöhnen könnten, scheint unmöglich, so De Tijd.
Vielmehr machte die Diskussion gestern deutlich: Der Spielraum zur Bildung einer neuen Föderalregierung ist klein. Es wird mit Sicherheit wieder eine Regierung werden, die nur in einem Landesteil eine Mehrheit hat, prophezeit De Tijd.
Het Laatste Nieuws bilanziert: Grün und Gelb werden auf keinen Fall zusammen regieren.
Die Grünen sind zu De Wevers neuem Lieblingsfeind geworden, findet die flämische Zeitung. Sie ersetzen damit die Sozialisten, die De Wever jetzt langsam hoffähig macht: In Antwerpen regiert die N-VA schon zusammen mit ihnen. In Flandern ist eine Regierungsbeteiligung der Sozialisten nicht ausgeschlossen. Warum nicht auch auf föderaler Ebene?, orakelt Het Laatste Nieuws.
Eine gute Maßnahme zur falschen Zeit
Das Föderalparlament wird heute mit großer Wahrscheinlichkeit die Senkung der Mehrwertsteuer auf Fahrräder von 21 auf sechs Prozent beschließen.
Dazu schreibt De Standaard: Das ist leider eine gute Maßnahme zur falschen Zeit. Denn die Mehrwertsteuer von sechs Prozent wird zunächst gar nicht in Kraft treten können.
Dafür muss die EU erst noch ihren Segen geben. Und das wird dauern.
Ende Mai sind nämlich erst einmal Europawahlen. Da läuft also jetzt längere Zeit nichts. Die Leidtragenden sind die Fahrradhändler.
Denn kaum jemand wird sich jetzt noch ein Fahrrad kaufen, wenn er weiß, dass es bald schon mehrere hundert Euro billiger sein könnte, bedauert De Standaard.
Gazet van Antwerpen stimmt dem zu, meint aber auch: So groß ist dieses Problem letztlich nicht. Denn früher oder später werden die Händler ihre Fahrräder ja doch los.
Störend für die Gazet van Antwerpen ist vielmehr ein anderer Aspekt: Denn durch die Senkung der Mehrwertsteuer gehen dem Staat Einnahmen verloren.
Das kann der Staat sich nicht leisten. Aber keiner legt dieses Argument auf den Tisch. Genau das ist aber zu bemängeln. Die Förderung von Fahrrädern ist mit Sicherheit gut, aber über Geld muss auch endlich offen geredet werden, fordert Gazet van Antwerpen.
Eine versöhnliche Hand – aber keine grundsätzliche Entschuldigung
Premierminister Charles Michel will sich heute für ein Kapitel aus der belgischen Kolonialgeschichte in Afrika entschuldigen: Am Ende der Kolonialzeit hatte Belgien Kinder mit einem afrikanischen und einem weißen Elternteil ihren afrikanischen Müttern weggenommen.
Die Entschuldigung von Michel ist eine Premiere, stellt L'Avenir fest. Und man kann sich fragen, ob das ein erster Schritt ist zu einer grundsätzlichen Entschuldigung für das koloniale Unrecht Belgiens. So, wie es die UNO vor Kurzem gefordert hatte.
Doch dem ist nicht so. Heute reicht Michel lediglich einigen hundert Personen, die aus der damaligen Zeit noch am Leben sind, die Hand zur Versöhnung, konstatiert L'Avenir.
Nach 70 Jahren obsolet?
Zu 70 Jahren NATO führt das GrenzEcho aus: Nach dem Fall der Sowjetunion und dem Aufbruch in eine multipolare Welt ist die Frage berechtigt, ob die NATO als Säule der Nachkriegsordnung nicht obsolet ist.
Dabei wäre die NATO gut beraten, sich ihrer Geschichte zu besinnen. Rückblickend ist diese Geschichte nämlich nicht nur ruhmreich, so die ostbelgische Zeitung. Und wenn gerade in den letzten Jahrzehnten die Welt unberechenbarer geworden ist, dann ist die NATO beziehungsweise ihre Führungsmacht USA daran nicht unschuldig.
Eine multipolare Welt hat keinen Platz für eine Weltpolizei. Und die NATO war immer am erfolgreichsten, wenn sie sich neben der eigenen Verteidigung Themen wie Entspannung oder Umwelt und Entwicklung auf die Fahnen geschrieben hat. Ihre Aggressionen hingegen, wie andere auch, haben die Welt immer unsicherer gemacht, bemerkt das GrenzEcho.
Kay Wagner