"Das Brexit-Chaos ist komplett", titelt De Morgen in großen Lettern. Das britische Parlament hat am Mittwochabend über mögliche Alternativen zum Brexit-Deal von Theresa May abgestimmt. Acht Vorschläge lagen auf den Tisch, die quasi alle denkbaren Optionen abdeckten: von einem No-Deal bis hin zu einem Rückzug vom Brexit. Resultat: Alle acht Vorschläge wurden verworfen.
Brexit-Chaos und immer noch kein Ende
Auf vielen Titelseiten prangt aber auch das Foto der britischen Premierministerin Theresa May. "May tritt zurück", so die leicht reißerische Schlagzeile von Het Belang van Limburg. In kleinen Buchstaben fügt das Blatt nämlich gleich eine Einschränkung hinzu: "…wenn das Parlament ihren Brexit-Deal verabschiedet". Im Klartext auf Seite eins von L'Echo und De Tijd: "Theresa May bietet ihren Rücktritt an als Gegenleistung für ihren Brexit-Deal". "Theresa May ist bereit, sich zu opfern", schreibt Le Soir. Het Laatste Nieuws formuliert es pathetischer: "Theresa May ist bereit zum ultimativen Opfer: sie selbst". "Dieses Opfer wird nicht reichen", bemerkt aber De Standaard auf seiner Titelseite. Würde das Londoner Parlament zum dritten Mal über den Brexit-Deal von Theresa May abstimmen, dann wäre man immer noch meilenweit von einer Mehrheit entfernt.
Einige haben jedenfalls schon mal ihre Konsequenzen aus dem Durcheinander gezogen: "Brexit: mehr als 1.000 Briten haben schon die belgische Staatsangehörigkeit angenommen", schreibt La Libre Belgique.
Gesellschaft von Fehlerlosen oder von Verantwortungslosen?
Ganz andere Geschichte auf Seite eins von L'Avenir: "Die Abschaffung der Rechtsvorfahrt kommt nicht in Frage", so die Schlagzeile. "Rechtsvorfahrt nicht gänzlich abschaffen", schreibt auch das GrenzEcho. Die Idee war am Mittwoch von der Zeitung Het Nieuwsblad aufgeworfen worden. Als Beispiel wurde die Gemeinde Glabbeek angeführt. Dort haben die lokalen Behörden die Rechtsvorfahrt abgeschafft. Und das nach eigenen Angaben mit Erfolg: Die Zahl der Unfälle sei drastisch gesunken. Deswegen plädierte auch schon der flämische Automobil-Club VAB für die Abschaffung der Rechts-vor-Links-Regel, die die Menschen oft irritiere und die Stress verursache.
"Was ist doch aus uns geworden?", meint nachdenklich Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Selbst die älteste und einfachste Regel unserer Straßenverkehrsordnung stellt uns also jetzt schon vor unüberwindbare Probleme. Wenn die Rechtsvorfahrt jetzt schon Verwirrung und Stress verursacht und sogar Unfälle produziert, dann helfen wohl tatsächlich nur noch selbstfahrende Autos. Hier stellt sich eine grundsätzliche Frage: Was für eine Gesellschaft wollen wir? Das Recht Fehler zu machen, wollen wir nur noch uns selbst zuerkennen. Wir laufen Gefahr, dass wir alle Aspekte des Alltags mit unzähligen Regeln und Gesetzen zuspachteln. Am Ende haben wir die Wahl: eine Gesellschaft von Fehlerlosen oder von Verantwortungslosen.
Fehlentwicklungen nach der EU-Osterweiterung
Le Soir widmet sich in seinem Leitartikel der gestrigen Protestkundgebung der Mitarbeiter des Transportsektors. Die Demonstration in Brüssel wandte sich gegen das Sozialdumping in der Branche. Genau in dieser Frage muss Europa seinen Mehrwert unter Beweis stellen, ist das Blatt überzeugt. Jeder von uns kennt die Lastwagen mit osteuropäischen Kennzeichen. Jeder von uns hat schon die Fahrer gesehen, deren LKW quasi ihr Zuhause ist und die ihre Familie wahrscheinlich seit Wochen nicht gesehen haben. All das steht stellvertretend für die Fehlentwicklungen nach der EU-Osterweiterung.
Und auch im Westen gibt es Leidtragende, nämlich die, die aufgrund er billigen Konkurrenz aus dem Osten ihren Job verloren haben. Wie sollen all diese Menschen noch an die Vision einer "EU, die beschützt" glauben? Die anstehenden Europawahlen sind hoffentlich eine Chance, dem europäischen Traum neues Leben einzuhauchen.
"Superlangsames 5G" in Belgien
"Kein 5G in Belgien vor 2021", bemerkt derweil L'Echo auf seiner Titelseite. "Der Aufschub des Aufbaus der 5G-Netze ist eine Katastrophe für den Standort Belgien", so auch die warnende Schlagzeile von De Tijd. Föderalstaat und Regionen haben es wieder nicht geschafft, das neue, superschnelle mobile Internet auf die Schienen zu setzen. Strittig ist nach wie vor, wie der Erlös aus der Versteigerung der 5G-Frequenzen verteilt werden soll. Die Regionen verlangen ein größeres Stück des Kuchens.
"In Belgien haben wir superlangsames 5G", ärgert sich De Tijd in ihrem Leitartikel. Es ist haarsträubend zu sehen, wie diese Zukunftstechnologie in der belgischen institutionellen Lasagne versinkt. Haarsträubend aber auch schmerzhaft. Denn in anderen Ländern werden die Netze längst gebaut. Und zu allem Überfluss gibt es keine wirkliche Perspektiven. Im Gegenteil: Im Mai wird gewählt. Und danach droht monatelanger Stillstand. Deswegen der flammende Appell von De Tijd an die Politik: "Hackt diesen Knoten jetzt bitte noch ganz schnell durch!".
Attentäter von Christchurch hatte wohl Verbindungen nach Europa
De Morgen berichtet am Donnerstag über neue Erkenntnisse über den Anschlag von Christchurch. In der neuseeländischen Stadt hatte ja ein rechtsradikaler Attentäter vor zwei Wochen 50 Menschen getötet. Der 28-Jährige hatte es gezielt auf Muslime abgesehen. Ermittler sehen inzwischen Hinweise auf Verbindungen nach Europa. In diesem Zusammenhang wurde in Österreich die Wohnung von Martin Sellner durchsucht, dem Chef der rechtsextremen "Identitären Bewegung", IBÖ. Und dieser Martin Sellner hat auch Verbindungen nach Belgien, genauer gesagt zu rechtsextremen Vereinigung "Schild en Vrienden", des Vlaams Belang-Kandidaten Dries Van Langenhove. Van Langenhove selbst erklärt in De Morgen, dass der letzte Kontakt zu Sellner schon länger zurückliegt.
Das Netzwerk der Neuen Rechten sollte uns Sorgen machen, meint De Morgen in seinem Leitartikel. Besagter Martin Sellner geht auch unter jungen Rechtsradikalen in Flandern als Vorbild durch. Wenn es jetzt auch noch Hinweise gibt auf Verbindungen zu aktivem Terrorismus, dann sollten auch unsere Sicherheitsdienste erhöhte Wachsamkeit an den Tag legen. Nicht vergessen: Über die Extremisten von Sharia4Belgium haben wir am Anfang auch gelacht.
Roger Pint