"Morde in einer Tram schrecken die Niederlande auf", titelt De Morgen. "Drei Tote nach Schießerei in Utrecht", schreibt De Tijd auf Seite eins. "Drei Tote und fünf Verletzte nach 'Anschlag'", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen.
Das Wort "Anschlag" steht hier in Anführungszeichen. Denn die Motive des Täters sind noch unklar, wie viele Zeitungen hervorheben. Bei dem Täter handelt es sich um einen 37-jährigen Mann mit türkischen Wurzeln. Nach einer stundenlangen fieberhaften Suche konnte er am Abend festgenommen werden. Warum er in einer Tram um sich geschossen hat, ist noch unklar.
"Drei Tote und keiner weiß warum", so bringt es Het Nieuwsblad auf den Punkt. "Persönliche Abrechnung fordert drei Menschenleben", notiert Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. "Terror in Utrecht", so demgegenüber die Schlagzeile von Le Soir. "Egal, was den Täter antrieb, es war ein Anschlag", halten ihrerseits Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen fest. La Libre Belgique und La Dernière Heure gehen in dieselbe Richtung: "Die terroristische Bedrohung ist zurück".
Ein schreckliches Déjà-vu
Wir erleben ein schreckliches Déjà-vu, meint dazu sinngemäß Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Man fühlt sich in die Jahre 2015 bis 2017 zurückversetzt, in denen quasi ein Anschlag dem nächsten folgte. Immer dieselben Bilder: Gebäude in Trümmern oder Chaos auf einer Straße, Menschen in Panik, Verletzte, Tote unter weißen Laken, überall Krankenwagen und Spezialeinsatzkräfte. 2018 war vergleichsweise ruhig. Aber jetzt brechen die Wunden wieder auf. Erst Christchurch und jetzt Utrecht. Jetzt wissen wir wieder, dass wir wachsam sein müssen. Wir dürfen uns aber keine Angst machen lassen und müssen tapfer unsere Werte verteidigen, unsere Freiheit und unser friedliches Zusammenleben.
L'Avenir hat ähnliche Bilder vor Augen: Das Szenario ist leider bekannt. Wieder hat ein Amokschütze Tod und Verderben gebracht. Zwischen den Anschlägen von Christchurch und Utrecht gibt es klare Parallelen. Die Vorgehensweise der Täter ist ähnlich: In beiden Fällen handelte es sich um einen klassischen "einsamen Wolf". Eine beunruhigende Hypothese steht im Raum: Vielleicht sind wir hier konfrontiert mit einer Gewaltspirale, bei der beide Seiten sich gegenseitig hochschaukeln. Nach der Welle islamistisch motivierter Attentate besteht jetzt die Gefahr einer Kettenreaktion. Und diese Bedrohung ist noch desaströser.
L'Echo wählt fast dieselben Worte: Hier mischen sich ideologische Verblendung und klassische Kriminalität. Angestachelt werden diese Menschen oft in sozialen Netzwerken, die wie Echokammern funktionieren, wodurch letztlich schwache Charaktere dazu ermuntert werden, zur Tat zu schreiten. Dieser Terror verbreitet sich durch Angst und eine morbide Faszination.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat es vorgemacht, meint La Dernière Heure: Er hatte gleich nach dem Anschlag in Neuseeland davor gewarnt, dass der Angriff auf zwei Moscheen wohl der Beweis dafür sei, dass die Islamophobie zunehme. Und er hatte bei der Gelegenheit die westlichen Staaten dazu aufgerufen, Dringlichkeitsmaßnahmen zu ergreifen, um weiteren "Katastrophen" vorzubeugen. Leider kam eine solche "Katastrophe" quasi postwendend: Es war ein Attentat, verübt von einem seiner Landsleute.
Parlamentspräsident durchkreuzt Mays Brexit-Plan
Es gibt aber auch noch ein zweites großes Thema: "Die Pläne von Theresa May wurden durchkreuzt", schreibt etwa Le Soir auf Seite eins. Anscheinend kann Theresa May ihren Deal dem Parlament nämlich nicht ein drittes Mal vorlegen. Das verstoße gegen die Geschäftsordnung des Parlaments, wie gestern der Parlamentspräsident feststellte. Eigentlich war der Plan, den kurzen Aufschub zu nutzen, um doch noch den Deal durchs Unterhaus zu bringen. Das geht aber anscheinend eben nicht.
"Im Hafen von Zeebrugge droht Chaos", notiert seinerseits das GrenzEcho. Der belgische Zoll bereitet sich jedenfalls nach wie vor auf einen harten Brexit vor. Und es gibt auch unerwartete Nebeneffekte: "Wegen des Brexits sind wieder mehr Migranten auf den Autobahnparkplätzen", schreibt dazu Het Nieuwsblad. Transitmigranten versuchen offensichtlich, jetzt noch schnell Großbritannien zu erreichen, weil nach dem Brexit strengere Grenzkontrollen zu erwarten sind.
Patricia wer?
"Die Regierung Borsus sucht eine Mehrheit", bemerkt derweil L'Echo auf seiner Titelseite. Die wallonische Koalition aus MR und CDH ist quasi über Nacht flügellahm geworden. Der Grund: Die bislang eher unbekannte MR-Parlamentarierin Patricia Potigny ist übergelaufen zur Bewegung des MR-Dissidenten Alain Destexhe. Die Koalition verfügte aber nur über eine knappe Mehrheit von einem Sitz. Das heißt also konkret: Die Gefahr ist real, dass die Regierung Borsus ihre zahlreichen noch verbleibenden Dekretvorschläge nicht mehr durch das wallonische Parlament bekommt.
Das Ganze ist lächerlich und verantwortungslos, wettert Le Soir in seinem Leitartikel. Patricia Potigny, kannten Sie die? Ohne der Frau zu nahe treten zu wollen, aber die Abgeordnete aus Charleroi hatte bislang nicht wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und doch sorgt sie jetzt für einen Paukenschlag. Die Koalition hatte noch eine ganze Reihe von wichtigen Texten in der Parlaments-Pipeline. Jetzt mussten die Arbeiten aber Hals über Kopf auf Eis gelegt werden. Im Grunde geht es hier aber um das Große Ganze: In dem Zustand, in dem sich die Wallonie befindet, kann sie sich nicht den Luxus leisten, das Ende dieser Legislaturperiode in den Sand zu setzen. Kleine Ursache, bedauerliche Wirkung.
Roger Pint