"NO", steht in großen Buchstaben auf Seite eins von De Morgen. "Noch einmal 'No'", schreibt das Blatt. "Auch der 'verbesserte' Brexit-Deal wurde vom Tisch gefegt", titelt Gazet van Antwerpen. "20 Stunden Hoffnung und dann doch zurück auf Los", notiert Het Nieuwsblad.
Das britische Unterhaus hat am Dienstagabend zum zweiten Mal den Entwurf eines Austrittsabkommens von Premierministerin Theresa May verworfen. "Und es war wieder eine Erniedrigung", bemerkt De Tijd auf Seite eins. May hatte in den letzten Wochen mit Vertretern der EU über Korrekturen an ihrem ursprünglichen Text verhandelt. Kurz vor der Abstimmung im britischen Parlament war sie noch einmal mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zusammengetroffen. In der Nacht auf Dienstag gab es dann auch eine Einigung. Die Hoffnung war aber nur von kurzer Dauer. "Der Brexit in der Version von Theresa May, der ist jetzt definitiv tot", konstatiert jedenfalls L'Echo auf seiner Titelseite. "Der Brexit und Theresa May sind in der Sackgasse", meint De Standaard. "Das war's für Theresa May", schreibt sogar La Libre Belgique. Das düstere Fazit von Le Soir: "Zeiten des Chaos".
"Theresa May geht kämpfend unter", bemerkt dazu De Standaard in seinem Leitartikel. Eine andere Wahl hat sie wohl auch nicht. How very british, typisch britisch. Normal wäre eigentlich ein Rücktritt gewesen. Diese Karte zog sie aber nicht. Das Brexit-Trauerspiel geht also weiter. Es sieht danach aus, dass Großbritannien jetzt sogar an den Europawahlen teilnehmen muss. Das Ganze ruiniert nicht nur die britische Wirtschaft und das Zusammenleben, sondern wiegt auch immer schwerer auf dem Rest der EU.
Die größte Farce der Geschichte
Der eine oder andere mag wohl noch auf eine "belgische Lösung" gehofft haben, meint Het Laatste Nieuws. Also einen Text, in dem sich alle wiederfinden können, den allerdings auch niemand mehr versteht. Da gibt es nur ein Problem: In der britischen Politik geht es schon lange nicht mehr um den Inhalt. Hier geht es nur noch um die Frage, wer schuld ist an dem Debakel. Man stelle sich vor: Drei Jahre nach dem Referendum werden die Briten womöglich in einigen Wochen neue Vertreter ins EU-Parlament entsenden. Spätestens dann könnte man doch eigentlich den Brexit als die größte Farce der Geschichte ad acta legen.
Am wahrscheinlichsten ist jetzt, dass Großbritannien einen Aufschub beantragen wird. Ob das ein guter Weg aus der Krise ist, mag aber bezweifelt werden, meint unter anderem L'Echo. Natürlich kann die EU einen solchen Aufschub gewähren. Aber wie sinnvoll ist es, eine neue Münze in den Automaten zu stecken, nur weil es einem gefällt, das Unsicherheiten-Karussell noch ein paar Runden drehen zu lassen? Die Frage ist ja schon, inwieweit Theresa May nach ihrer doppelten Erniedrigung überhaupt noch über das Gewicht verfügt, um dem EU-Gipfel eine glaubhafte Alternative vorschlagen zu können. Und wie könnte die aussehen? Europa kann nichts anderes tun, als warten. Warten darauf, dass die Briten endlich sagen, was sie eigentlich wollen.
Im Grunde wollen die Briten nur eines, glaubt De Tijd: Sie wollen die heiße Kartoffel wieder zurück über den Kanal werfen. In den nächsten Tagen werden sie mit Freude wieder ihre Probleme an die EU weiterreichen. Die große Frage ist nämlich, wofür so ein Aufschub gut sein könnte. Um den zu gewähren, bräuchte es ja zumindest eine neue Perspektive. Etwa ein zweites Referendum oder Neuwahlen. Das bedeutet aber zugleich, dass ein paar Wochen nicht reichen würden. Und dass damit die Unsicherheit andauern wird. Das ist für die EU eigentlich keine Option. Das größte Problem ist aber, dass die britische Politik im Grunde implodiert ist. Das Chaos ist komplett.
Nicht selbst mit in den Abgrund reißen lassen
Ein Aufschub des Brexits wäre mit die schlechteste aller Optionen, ist auch Het Belang van Limburg überzeugt. Das ganze Herumgeeiere lähmt nicht nur Großbritannien, sondern die gesamte EU. Der ganze Brexit-Schlamassel zeigt im Grunde nur eines: Viele westliche Demokratien zeigen deutliche Zeichen von Materialermüdung, am schlimmsten ist es aber in Großbritannien. Kompromisse zu schließen, das ist nicht Teil der britischen politischen Kultur. Ein Minimum an Einigkeit ist aber nötig - und sei es nur, um die EU verlassen zu können.
Europa sollte sich diesen nationalen Selbstmord sehr genau anschauen, mahnt Le Soir in einem nachdenklichen Kommentar. Live und in Farbe können wir hier sehen, was passiert, wenn Populismus über Jahrzehnte hinweg die Menschen blendet, die Köpfe vergiftet. Dann wird es möglich, einer Mehrheit der Wähler ein leeres Projekt zu verkaufen, das aufbaut auf Lügen, Illusionen und der Nostalgie vergangenen Ruhms. Jetzt ist der Karren jedenfalls in den Dreck gefahren. Der dänische Premierminister hat es schön auf den Punkt gebracht: "Es ist schwierig, jemandem die Hand zu reichen, der partout seine Hände in den Taschen halten will." Spinnen wir das Bild weiter: Wenn man sich zu weit vorbeugt, um jemanden vor dem Absturz zu bewahren, läuft man Gefahr, selber mit in den Abgrund gerissen zu werden.
Mit flauem Gefühl an Bord
Neben dem ganzen Brexit-Chaos gibt es aber noch mindestens eine andere interessante Geschichte: "Der gesamte europäische Luftraum ist geschlossen für die neueste Boeing", so die Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws.
"Flugverbot für die Boeing 737 MAX", schreiben auch La Libre Belgique und Le Soir. Das ist eine Folge des zweiten Absturzes innerhalb von wenigen Monaten dieses Flugzeugtyps. Seither zweifeln immer mehr Menschen daran, ob sie in diesem Flugzeug noch sicher sind; das gilt für die Passagiere, aber auch für Teile des Personals der Airlines. Das Flugverbot für die Boeing 737 MAX gilt wohl solange, bis Boeing das Problem gefunden und behoben hat.
Roger Pint