"Die EU gibt das Ja-Wort für die Scheidung mit Großbritannien", titelt De Standaard. "Die EU-Verantwortlichen geben grünes Licht für den Brexit", schreibt De Morgen auf Seite eins. Bei einem historischen Gipfeltreffen haben die EU-Staats- und Regierungschefs am Sonntag den Austrittsvertrag verabschiedet, der den Brexit in geregelte Bahnen lenken soll. Das ist aber allenfalls der Anfang. Jetzt muss das britische Parlament dem Vertrag nämlich auch noch zustimmen.
"Der echte Test für den Brexit-Deal kommt erst noch", bemerkt denn auch Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. "Sagt das britische Unterhaus jetzt ebenfalls Yes?", fragt sich De Standaard. Die Antwort auf diese Frage ist alles andere als ausgemacht. "Es gibt scharfe Kritik am Brexit-Vertrag", notiert etwa das GrenzEcho. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machte aber schon am Sonntag klar, dass es nicht wirklich eine Option gibt: "Das ist das beste Abkommen und im Übrigen das einzig mögliche", zitiert ihn unter anderem La Libre Belgique.
Souveränität ist eine Illusion
"Kann das britische Unterhaus diesen Marsch der Torheit noch stoppen?", fragt sich De Standaard in einem fast schon verbitterten Kommentar. Nach wir vor reibt man sich die Augen angesichts von so viel ideologischem Selbstbetrug und mangelnden Führungsqualitäten in London. Vielleicht bekommen die Briten jetzt wieder die Kontrolle über die Migrationspolitik, wirtschaftlich kann es jetzt aber nur noch schlechter werden. Angefangen damit, dass sich Großbritannien weiterhin den EU-Regeln unterwerfen muss, ohne aber darauf Einfluss nehmen zu können. Das britische Parlament hat jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder man schluckt die bittere Pille oder man entscheidet sich für ein noch bekloppteres Abenteuer.
Souveränität ist eine Illusion, meint seinerseits De Morgen. Das haben die Briten am Ende der für sie eher peinlich gelaufenen Verhandlungen schmerzlich erfahren müssen. Dieselbe Ernüchterung erwartet all jene, die glauben, dass es reicht, die Grenzen zu schließen, um die Einwanderungsproblematik loszuwerden. Die Migration wird nicht einfach so verschwinden.
Der Brexit dürfte wohl in die Geschichte als abschreckendes Beispiel eingehen, glaubt Het Nieuwsblad. Es war ja letztlich auch die erklärte Absicht der EU-Verantwortlichen, um jeden Preis zu vermeiden, dass ein Ausstieg aus der Staatengemeinschaft am Ende auch noch attraktiv hätte erscheinen können. Ein abschreckendes Beispiel allein wird aber nicht reichen, um den Zusammenhalt der EU auf Dauer zu garantieren. Es verlaufen zwei Bruchlinien durch Europa. Eine wirtschaftliche zwischen dem Norden und dem Süden. Und eine andere in Bezug auf die Frage, wie man mit der Migrationsproblematik umgeht; die verläuft zwischen Osten und Westen. Wenn die EU eine Zukunft haben will, dann muss sie beweisen, dass sie auf diese Fragen eine Antwort finden kann.
Prinzipiell kann jeder Wähler eine "Gelbweste" sein
Einige Blätter beleuchten die Ausschreitungen vom Wochenende. "Nächtliche Stadtguerilla in Charleroi", titelt etwa L'Avenir. Die Proteste der so genannten Gelbwesten sind insbesondere in Charleroi am Wochenende ausgeartet. Es gab erheblichen Sachschaden. Der Hauptgrund steht auf Seite eins von La Dernière Heure: "Randalierer haben die Bewegung gekapert", notiert das Blatt. La Libre Belgique stellt dieselbe Diagnose: "Von Unruhestiftern unterwandert befürchten die Gelbwesten jetzt eine Zunahme der Gewalt". Demnach ist es also offensichtlich so, dass sich unter die Gelbwesten Anarchisten und Kleinkriminelle gemischt haben, die einzig auf Gewalt und Zerstörung aus sind.
Die Politik ist gut beraten, hier genauer hinzuschauen und zwischen den Demonstranten zu unterscheiden, mahnt La Libre Belgique. Natürlich kann man nur mit Empörung und Abscheu auf die zum Teil inakzeptablen Entgleisungen reagieren. Zugleich muss man aber die Sorgen und Nöte der Gelbwesten ernst nehmen. Denn die Verunsicherung innerhalb der Mittelklasse ist eine Tatsache. Immer mehr Familien kommen einfach nicht mehr rund. Trotz der Tatsache, dass beide Elternteile berufstätig sind. Es sind eben diese Leute, die sich jetzt Gehör verschaffen wollen. Diejenigen, die sonst nie demonstrieren.
Het Laatste Nieuws sieht das ähnlich. Zwar treffen die Proteste bislang nur den südlichen Landesteil. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass die Wallonie eben ärmer ist als Flandern. Doch auch im nördlichen Landesteil beginnen viele, an ihre Grenzen zu stoßen. Natürlich kann kein Politiker zusehen, wenn eine friedliche Protestbewegung durch Gesindel gekapert wird. Jeder muss aber einsehen, dass die Sorgen der Gelbwesten sehr real und nachvollziehbar sind.
Die Politik muss jetzt sehr vorsichtig sein, glaubt auch Het Belang van Limburg. Man darf hier nicht nur die Ausschreitungen sehen. Problematisch ist in jedem Fall, dass die Bewegung nicht greifbar ist: Es gibt keine Struktur, keinen Sprecher. Für Politiker heißt das, dass prinzipiell jeder Wähler eine Gelbweste anhaben kann.
"Und da ist mehr nötig als billigerer Dieselkraftstoff", glaubt Gazet van Antwerpen. Was wir hier sehen, das ist nämlich eigentlich ein neues Kapitel im seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Auf dem Land ist man eben auf ein Auto angewiesen; Stadtmenschen können das nicht verstehen. Aber auch aus anderen Gründen ist Armut mehr und mehr ebenfalls ein Thema auf dem Lande. Die Politik muss die Armutsbekämpfung ganz oben auf ihre Prioritätenliste setzen.
Enthüllung als vornehmste Aufgabe der Presse
"Implantate - Tausende Zwischenfälle werden geheim gehalten", so schließlich die Aufmachergeschichte von Le Soir. Le Soir ist Teil des internationalen Konsortiums von Enthüllungsjournalisten, das sich mit der Problematik beschäftigt hat. Demnach ist es also so, dass es viel öfter Komplikationen mit Implantaten gibt, als man bisher wusste. Bislang wurden die Probleme aber unter Verschluss gehalten.
Hier geht es um die vornehmste Aufgabe der Presse, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Ziel ist es nicht, eine ganze Branche in Misskredit zu bringen. Nein, hier geht es einzig um Transparenz. Jeder Patient hat das Recht zu wissen, was für ein Implantat er eingepflanzt bekommt. Denn Vertrauen ist das Fundament für eine funktionierende Gesellschaft.
Roger Pint