"Ein doppeltes Dilemma in Antwerpen", titelt De Standaard. "'Cordon sanitaire' (noch) nicht gebrochen", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Die MR muss zurückkehren zu einem sozialen Liberalismus", zitiert La Libre Belgique Etterbeeks MR-Bürgermeister Vincent De Wolf auf ihrer Titelseite.
Die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen beschäftigen die Zeitungen auch heute noch in ihren Aufmachern und in ihren Kommentaren. Het Laatste Nieuws schaut nach Ninove. Dort hatte die Liste "Forza Ninove", eine Lokalliste des Vlaams Belang, 40 Prozent der Stimmen bekommen. Zwei Sitze fehlen, um eine Mehrheit im Gemeinderat zu bilden. Zusammen mit der N-VA könnte diese Mehrheit erreicht werden.
Het Laatste Nieuws kommentiert: 40 Prozent der Stimmen - Das ist ein klarer Auftrag. Bürgermeister von Ninove müsste ein Politiker des Vlaams Belang werden. Dass Bart De Wever als N-VA-Parteichef dem einen Riegel vorschiebt, ist wahltaktisch verständlich.
Vor der Wahl hatte De Wever gesagt, dass jede Stimme an den Vlaams Belang eine verlorene Stimme für die Demokratie sei. Wenn die N-VA jetzt dem Vlaams Belang zu Bürgermeisterehren verhilft, straft sich De Wever selbst Lügen. Aber was wäre eigentlich so schlecht daran, den Vlaams Belang mal an die Macht kommen zu lassen? Auch anderswo – in Dänemark, Schweden, den Niederlanden und den USA – sind extreme Politiker an der Macht. Wir sollten Vertrauen in unsere Demokratie haben. In sechs Jahren sind ja wieder Wahlen. Dann kann der Bürger Bilanz ziehen, findet Het Laatste Nieuws.
Soziale Netzwerke ersetzen "Cordon sanitaire"
Het Nieuwsblad kommentiert: Der 'Cordon sanitaire', der den anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit dem Vlaams Belang quasi untersagt, ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Im Zeitalter des Internets hat er quasi nur noch einen symbolischen Wert. Heutzutage reichen Äußerungen in Soziale Medien aus, damit sich unhaltbare Politiker von selbst ins Abseits katapultieren, meint Het Nieuwsblad. Die Zeitung spielt damit an auf einen rassistischen Facebook-Eintrag des Listenchefs von Forza Ninove.
Gazet van Antwerpen beschäftigt sich mit der Situation in Antwerpen und führt aus: Fast schon staatsmännisch hat Bart De Wever die Dinge in die Hand genommen. Keiner bestreitet, dass er aufgrund des guten Ergebnisses in Antwerpen wieder Bürgermeister wird. Er hat fast alle Parteien zu Sondierungsgesprächen geladen. All diese Parteien berichteten über gute Gespräche. Es wäre schön, wenn es in so einem ruhigen Klima weitergehen würde. Der politischen Kultur in der Stadt kann das nur nützlich sein. Zumal die Verhandlungen drohen, lange zu dauern, prophezeit Gazet van Antwerpen.
De Standaard glaubt: Am ehesten sieht es nach einem Bündnis zwischen N-VA und Groen aus – auch wenn das alles andere als natürlich erscheint. Aber Bart De Wever muss sich nach links öffnen, wenn er nicht mit einer hauchdünnen Mehrheit seine bisherige Koalition weiterführen will. Groen ist da der natürlichere Partner. Für beide Parteiführer – Bart De Wever und Wouter Van Besien – wird es schwierig, Zustimmung dafür bei ihren Parteibasen zu bekommen, weiß De Standaard.
Armut gibt es auch bei uns
La Dernière Heure schreibt zum Wahlerfolg der PTB: Die Tatsache, dass die extreme Linke so viel Erfolg in Brüssel und den großen Städten der Wallonie hat, zeigt, dass zahlreiche Wähler unzufrieden sind mit ihren Lebensumständen. Die Föderalregierung wird zwar nicht müde zu betonen und mit Zahlen zu belegen, wie gut es dem Land wirtschaftlich geht, dass es noch nie so viele Beschäftige gab und dass die Kaufkraft steigt. Bei den verarmten Bevölkerungsschichten in Lüttich, im Hennegau und den benachteiligten Vierteln der Hauptstadt scheint diese Botschaft allerdings nicht anzukommen, stellt La Dernière Heure fest.
L'Avenir notiert zum heutigen Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut: Zum 25. Mal "feiern" wir heute diesen Tag und es sieht so aus, als ob wir ihn noch viele Mal werden feiern können. Denn die Armut scheint einfach nicht tot zu kriegen sein. Gehört es vielleicht einfach zur Menschheit dazu, dass es immer Arme geben wird? Überall auf der Welt gibt es Arme: in den kapitalistischen USA, im sozialistischen Venezuela, aber natürlich auch bei uns. Fast jede fünfte Person in der Wallonie gilt als arm. Die ganze Gesellschaft sollte ein Interesse daran haben, die Armut zu bekämpfen, mahnt L'Avenir.
Dunkle Wolken über Europa
De Tijd analysiert die Lage in Europa und warnt: Es sieht nicht gut aus, was sich am Horizont zusammenbraut. Dunkle Wolken lassen einen Sturm befürchten. Zum einen haben die Wahlen in Bayern gezeigt, dass das Thema Flüchtlinge weiter für Erosionen in der politischen Landschaft sorgt. Zum anderen hat die italienische Regierung tatsächlich ihren halsbrecherischen Haushalt beschlossen. Hier droht eine neue Finanzkrise und die EU-Kommission scheint kaum in der Lage, Italien in die Schranken zu weisen. Schließlich scheinen auch die Brexit-Verhandlungen weiter verfahren. Heute gibt es eine nächste Gesprächsrunde. Nach Lösungen sieht es nicht aus. Das macht insgesamt drei Krisen, die Europa schon in der jüngeren Vergangenheit erschüttert haben. Jetzt treten sie fast zeitgleich auf. Ein Sturm braut sich über Europa zusammen, meint De Tijd.
kawa