"Dreiviertel der belgischen Türken hat für Erdoğan gestimmt", titelt Het Nieuwsblad. "Erdoğan ist fast nirgendwo so populär wie in Belgien", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch heute noch mit dem Ausgang der Wahlen in der Türkei. Präsident Recep Tayyip Erdoğan wurde ja in seinem Amt bestätigt. Weil jetzt eine Verfassungsreform greift, vergrößert sich aber noch einmal sein Handlungsspielraum. "Noch mehr Macht für Erdoğan", so denn auch die Schlagzeile von De Tijd. L'Echo formuliert es drastischer: "Recep Tayyip Erdoğan ist – mehr denn je – der absolute Herrscher der Türkei".
In den türkischen Hochburgen in Belgien gab es derweil schon am Sonntagabend spontane Straßenfeste. "In einigen Brüsseler Vierteln und auch in einigen Städten der Provinz Limburg konnte man fast den Eindruck haben, die Türkei sei Fußball-Weltmeister geworden", berichtet Het Nieuwsblad.
"Wie gehen wir jetzt damit um?", diese Frage stellen sich heute gleich mehrere Leitartikler. Damit das klar ist, meint etwa La Libre Belgique, diese Türkei hat derzeit keinen Platz in der Europäischen Union. Aber sollte man das Land nicht auch aus der NATO ausschließen?
Mit Sicherheit nicht! Der russische Präsident Wladimir Putin wartet nur darauf. Sollte man der Türkei denn vielleicht den Rücken zuwenden? Auch nicht! Europa und die Türkei haben einander nötig. Und auch darüber hinaus ist es immer besser, miteinander zu reden.
EU – Komplize eines Autokraten?!
Genau diese Haltung scheint dem GrenzEcho zu missfallen. Abbau der Demokratie; Verletzung von Menschenrechten und internationalem Recht, und doch wird Europa, werden die USA ihre Stimme wohl kaum gegen die Türkei erheben.
Die NATO will ihre südliche Flanke geschützt wissen. Und die EU will sich mit ihrem Türkei-Deal unliebsame Flüchtlinge vom Hals halten. Dass man sich so zum Komplizen eines Autokraten der ganz schlimmen Sorte macht, scheint nicht zu stören.
Die Türkei rutscht langsam aber sicher in die falsche Richtung ab, diagnostiziert L'Echo. Grund ist wohl, dass das Öko-System, das eine liberale Demokratie definiert, nicht reif genug war - also Prinzipien wie Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit, Unabhängigkeit der Medien, eine dynamische Zivilgesellschaft und der Schutz von Minderheiten.
Eben diese Faktoren sind auch in Ost-Europa noch zu wenig präsent. Fakt ist jedenfalls, dass die Türkei jetzt abgedriftet ist in Richtung einer Wahl-Autokratie. Dem muss Europa ein Gegenmodell entgegenstellen. Nicht, indem man die Demokratie bei anderen predigt, sondern indem man sie in Europa verteidigt und lebt.
"Demokraturen" in der Türkei, Ungarn und Russland
Het Belang van Limburg macht eine ähnliche Analyse. Erdoğan in der Türkei, Putin in Russland, Orbán in Ungarn - die Formel ist immer die gleiche: Nachdem man in eine Machtposition gewählt wurde, werden kritische Medien zum Schweigen gebracht, platziert man befreundete Magistrate an Schaltstellen der Justiz und sorgt letztlich dafür, dass die Opposition fast unsichtbar wird.
Ein Donald Trump versucht in den USA das gleiche. Zum Glück ist die amerikanische Demokratie doch wesentlich stärker und reifer als in Osteuropa.
"Aber es wäre ein Fehler, zu glauben, dass wir in Europa geschützt sind vor solchen autoritären Entgleisungen", warnt auch L'Avenir. Es reicht, eben nach Polen, Ungarn oder auf die Slowakei zu schauen. Auch dort kann man eigentlich schon nicht mehr von liberalen Demokratien sprechen; nennen wir es eher "Demokraturen". Und, man kann es bedauern, aber es gibt auch bei uns Politiker, die dieses Modell durchaus attraktiv finden.
Und wir können nicht so tun, als würden all diese Länder nicht mehr existieren, bemerkt De Tijd. Der ungarische Ministerpräsident Victor Orbán sitzt Ende der Woche schon wieder beim EU-Gipfel mit am Tisch; leider brauchen wir auch die Türkei; und nicht zuletzt sind wir auch abhängig von russischem Gas.
Was nicht heißt, dass Europa nicht demokratische Grundwerte hochhalten müsste. Ganz im Gegenteil! Wir müssen mehr denn je dafür kämpfen.
F-16-Diskussion sorgt für Hahnenkampf
Einige Blätter beschäftigen sich mit den neuerlichen Spannungen innerhalb der Föderalregierung. Definitiv zu Tage getreten waren die bei einem Streitgespräch zwischen den flämischen Parteivorsitzenden am Sonntag in der VRT. Dabei hatte N-VA-Präsident Bart De Wever unter anderem dem möglichen Ankauf des französischen Rafale-Kampfflugzeugs als Ersatz für die F-16 eine endgültige Absage erteilt.
Die frankophone MR hat die Botschaft offensichtlich verstanden: "Die MR glaubt nicht mehr an die Rafale", bemerkt etwa La Libre Belgique auf Seite eins.
De Morgen spricht in seinem Leitartikel von einem "Hahnenkampf". Hier geht es wohl auch um die Frage, wer denn nun der wirkliche Herr im Hause ist: Premier Charles Michel oder Schattenpremier Bart De Wever. Es mag jedenfalls so aussehen, als könnte die Entscheidung über den F-16-Ersatz verschoben werden und vor den Wahlen nicht mehr fallen.
Das hätte den Vorteil, dass die Akte zum Wahlkampfthema würde und auch die Bürger in gewisser Weise ein Mitspracherecht bekämen.
"Vielleicht tausche ich die ganze Mannschaft aus"
Und schließlich blicken die Zeitungen schon auf Donnerstag. Übermorgen steht das dritte Gruppenspiel der Roten Teufel bei der Fußball-WM an. Im Spiel gegen England geht es um die Frage, wer Gruppen-Erster wird. "Vielleicht tausche ich die ganze Mannschaft aus", zitiert Het Belang van Limburg Nationaltrainer Roberto Martinez.
Für La Dernière Heure ist das schon eine Gewissheit: "Martinez wird seine B-Mannschaft auflaufen lassen", so die Schlagzeile. Het Laatste Nieuws ist denn auch kritisch und stellt auf Seite eins eine bissige Frage: "Herr Martinez, wollen Sie am Donnerstag überhaupt gewinnen?"
rop/jp