"Die europäische Blockade", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Wenn wir die Flüchtlingsfrage nicht anpacken, gibt es bald keine EU mehr", zitiert Het Belang van Limburg Migrationsstaatssekretär Theo Francken auf seiner Titelseite.
Die EU-Innenminister haben sich bei ihrem gestrigen Treffen in Luxemburg nicht auf neue Regeln in der Flüchtlingspolitik einigen können. Francken hatte vor den Gefahren einer nicht-Einigung gewarnt und dafür plädiert, Boote mit Flüchtlingen in ihre Ausgangshäfen zurückzuschicken. Laut Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist das allerdings nicht erlaubt.
Dazu kommentiert L'Avenir: Der Dublin-Prozess ist tot, hat Francken gestern zu Recht festgestellt. Eine Reform der Regeln, die sich die EU unter diesem Namen gegeben hatte, scheint wegen der unterschiedlichen Interessen unmöglich. Könnte es sein, dass Francken sich darüber sogar freut? Denn das würde bedeuten, dass man einen Neuanfang starten könnte. Bei diesem Neuanfang könnte man sich auch auf ein "Push-back" von Flüchtlingsbooten einigen, wie Francken es für gut hält. Wie dem auch sei: Mit dem gestrigen Tag ist die Flüchtlingspolitik wieder zum Top-Thema der Regierung geworden, glaubt L'Avenir.
Mitmenschlichkeit und Mauern
Le Soir analysiert: In der EU gibt es zwei Lager bei der Frage wie mit dem Flüchtlingsstrom umgegangen werden soll. Das eine Lager sieht den besten Weg in einer größtmöglichen Abschottung Europas gegen neue Flüchtlingsströme. Das andere Lager ist davon überzeugt, dass auch die höchsten Mauern nicht ausreichen würden, um Flüchtlinge daran zu hindern, nach Europa zu kommen. Vielmehr sollte die legale Zuwanderung besser organisiert und Flüchtlinge schon in ihren Heimatländern davon abgehalten werden, den Weg nach Europa anzutreten. Die Frage ist, zu welchem dieser beiden Lager gehört Belgien? Mit welchen Ländern wird es sich bei der nächsten EU-Ratsabstimmung zusammentun. Mit Italien? Mit Ungarn?, fragt besorgt Le Soir.
Het Laatste Nieuws findet: Kein rational denkender Mensch kann Theo Francken dafür kritisieren, dass er möchte, dass Europa den Zustrom von Flüchtlingen strenger kontrollieren sollte und das am besten noch außerhalb der EU-Grenzen. An dieser Auffassung ist nichts unmenschliches, so lange die EU dazu bereit ist, die Sache mit viel Geld und einer Dosis aufrichtiger Mitmenschlichkeit anzupacken. Das erste ist unumgänglich, denn so eine Politik wird viel Geld kosten. Aber egal wie viele Milliarden Euro Europa auch ausgeben wird, ohne das zweite, die Mitmenschlichkeit, werden alle Bemühungen unvollständig bleiben, mahnt Het Laatste Nieuws.
Fast resignierend bewertet De Tijd die Lage und schreibt: Die Sache ist so verfahren, dass sie wie eine Sackgasse aussieht. Einen Ausweg scheint es nicht zu geben. Zu unterschiedlich sind die Positionen der einzelnen Länder in Fragen der Flüchtlingspolitik. Man müsste den Weg aus der Sackgasse finden. Eine 180 Grad Kehrtwende machen. Dafür bräuchte man einen guten Steuermann, weiß De Tijd.
Ratlos ist auch De Standaard und notiert: Die Sache ist zu kompliziert, um sie mit wenigen Schlagworten zu umreißen. Die Wortwahl ist dabei von Bedeutung. Denn es geht hier um Menschen. Das Problem ist, dass es zu viele sind. Auf unsere natürliche Gastfreundschaft können sie deshalb nicht mehr zählen. Aber jeder einzelne von ihnen ist dafür nicht verantwortlich, stellt De Standaard resigniert fest.
Brussels Airlines: Entscheidungen kommen aus Köln
Die Wirtschaftszeitung L'Echo meint zu den Äußerungen des Lufthansa-Chefs in Richtung Brussels Airlines: Carsten Spohr hätte besser geschwiegen. Seine Drohung bei einem weiteren Pilotenstreik die Flotte von Brussels Airlines eventuell nicht erneuern zu wollen, hat unnötig Öl ins Feuer der Unzufriedenheit gegossen. Keiner bei Brussels Airlines hat sich über diese Äußerungen gefreut. Zumal die Verhandlungen zwischen Piloten und der Führung von Brussels Airlines schon auf gutem Wege sind. Nach allem, was man hört, ist eine Einigung in Sicht. Weitere Streiks würde es dann nicht geben. Aber der gestrige Tag hat noch einmal deutlich vor Augen geführt: Die wirklichen Entscheidungen bei Brussels Airlines werden nicht mehr in Brüssel, sondern in Köln getroffen, bedauert L'Echo.
Werte haben sich geändert
La Dernière Heure erinnert an die Landung der alliierten Streitkräfte an der Küste der Normandie heute vor 74 Jahren und schreibt: Die Kameradschaft, die damals herrschte und den erfolgreichen Kampf gegen Hitlers Wehrmacht überhaupt erst möglich machte, ist für die Generation von heute leider nur noch eine ferne Erinnerung. Kameradschaft zählt heute nicht mehr viel. Heute freut sich jeder, wenn der Arbeitskollege einen auf den Deckel bekommt und man selbst dadurch für ein bis zwei Jahre einen sichereren Posten in der Firma hat. Das ist die Mentalität von heute. In dieser Hinsicht haben die Veteranen von damals ihren beispielhaften Kampf verloren, beklagt La Dernière Heure.
La Libre Belgique schaut in den Kongo und stellt fest: Das große Problem des Landes ist Staatspräsident Kabila. Das weiß man schon seit Jahren. Doch endlich scheint es jetzt so, dass auch die Internationale Gemeinschaft mit geeinten Kräften versucht, die Herrschaft von Kabila zu beenden. Das ist gut, aber für eine ganze Generation von Kongolesen kommt das zu spät, meint La Libre Belgique.
Kay Wagner