"Willkommen bei uns", titelt La Dernière Heure. "Der Belgien-Ausflug der Tour de France", so die Schlagzeile von L'Avenir. "Hier rollt am Sonntag die Tour de France", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Am Sonntag macht das berühmteste Radrennen der Welt für zwei Tage einen Abstecher nach Belgien. Gestartet wird die Grand Boucle heute in Düsseldorf. Am Sonntag geht es dann quer durch Ostbelgien nach Lüttich. Und am Montag geht das Fahrerfeld von Verviers aus ins Rennen und verlässt dann das Land in Richtung Luxemburg. La Dernière Heure widmet dem Großereignis ganze 17 Sonderseiten. Begleitet wird das Event von enormen Sicherheitsvorkehrungen.
Vor allem die frankophonen Zeitungen nehmen aber heute auch Abschied - Abschied von Simone Veil. Die große Politikerin und Frauenrechtlerin ist am Freitag im Alter von 89 Jahren gestorben. La Libre Belgique nennt sie eine "aufrechte Frau". Für Le Soir ist die Französin Simone Veil, die Ikone des Kampfes für die Frauenrechte, würdig, im Pantheon in Paris beigesetzt zu werden.
Hammer und Sichel über Belgien und ein rotes Waterloo
L'Echo bringt heute eine überraschende Titelseite mit einer ebenso spektakulären Schlagzeile: Zu sehen sind Hammer und Sichel auf rotem Grund; für eine Wirtschaftszeitung eher ungewöhnlich. Dazu ein Titel, der einem politischen Erdbeben gleichkommt: "Die PTB könnte zur stärksten politischen Partei Belgiens werden". Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Umfrage, die im Auftrag der Zeitung durchgeführt wurde. Demnach käme die marxistische Belgische Arbeiterpartei in der Wallonie auf unglaubliche 25 Prozent. Das wäre ein Plus von mal eben 20 Prozent. Die sozialistische PS erlebt einen beispiellosen Absturz und landet bei 16 Prozent, weit abgeschlagen hinter der zweitplatzierten MR. Nicht umsonst spricht L'Echo von einem "roten Waterloo".
Es ist die seit Wochen erste Umfrage, die das Meinungsbild im frankophonen Landesteil aufzeigt. In diesem Zusammenhang stellt sich L'Echo eine pikante Frage: "Wo bleibt eigentlich das Politbarometer von RTBF und La Libre Belgique?" Das ist nämlich tatsächlich überfällig. Die betreffenden Medienhäuser hätten dazu lapidar und ohne Angabe von Gründen mitgeteilt, dass das Barometer "annulliert" worden sei.
Der Erhebung von L'Echo zufolge wäre es jedenfalls so, dass die PTB unter Berücksichtigung ihrer Sitze auf flämischer Seite tatsächlich zur stärksten politischen Kraft des Landes aufsteigen könnte. Das wäre eine politische Katastrophe, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Und die Schuld trägt in allererster Linie die PS. Doch auch die anderen frankophonen Parteien sind nicht minder kurzsichtig und hochmütig. Wer kann denn von sich behaupten, keine Dinosaurier in seinen Reihen zu zählen, die seit Jahrzehnten Stühle warmhalten? Die frankophone Politlandschaft braucht nicht nur eine Reform der Regierungsführung, sondern auch eine Verjüngungskur. Auf die Gefahr hin, dass ansonsten nur die unverbrauchten Gesichter einer destruktiven extremen Linken die Erneuerung symbolisieren.
Für die Sozialisten geht es ums Überleben
Das Schicksal der PS steht auch in den anderen frankophonen Zeitungen ganz klar im Fokus. La Libre Belgique etwa "taucht ein in die am Abgrund stehende PS". Für Le Soir geht es an diesem Wochenende nicht mehr und nicht weniger als "ums Überleben". Für Sonntag ruft die PS ihre Mitglieder zu einem Sonderparteitag zusammen. Dabei steht eine Frage im Mittelpunkt: Entweder, man entscheidet sich für ein generelles Verbot von Ämterhäufung, oder man unterbindet allein die Kumulation der mit Mandaten verbundenen Bezüge.
So, wie es aussieht, wird es eine Mehrheit für die zweite Alternative geben. Sprich: Man darf nach wie vor mehrere Mandate gleichzeitig ausüben, bekäme aber nur eine pauschale finanzielle Entschädigung. Ein solches Votum käme einer Desavouierung des bisherigen wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette gleich, der für ein absolutes Verbot von Ämterhäufung eintritt.
"Beim Sonderparteitag an der Eau-d'Heure-Talsperre sitzen die Sozialisten auf einem Vulkan", analysiert Le Soir in seinem Leitartikel. Neben dem Streit um die Ämterkumulation gibt es noch zahlreiche andere Bruchlinien. Die Gefahr ist groß, dass sich die Roten gegenseitig zerfetzen. Das ist die Quittung, die Strafe für die viel zu lange Realitätsverweigerung und die viel zu langsame Reaktion auf Missstände, die den Parteiverantwortlichen im Übrigen seit Langem bekannt sein mussten. Der PS droht jetzt tatsächlich das, was den französischen Kollegen auch schon widerfahren ist: die Implosion.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich. Viele frankophone Sozialisten leben immer noch in einer Parallelwelt. Bester Beweis war der Abgang von Yvan Mayeur am Freitag, der allenfalls am Rande eine kleine Schuld eingesteht. Wie er verstehen nach wie vor viele Sozialisten nicht, wie ihnen gerade geschieht. Der Wähler jedenfalls, der hat seine Schlussfolgerungen offensichtlich schon gezogen.
Fazit von L'Avenir: Die Flügelkämpfe bei der Parti Socialiste, die stehen nur scheinbar im Vordergrund. Hier geht es nicht mehr um die Ämterkumulation, den Konflikt zwischen Ewiggestrigen und Erneuerern, Profiteuren und Idealisten. Hier geht es nur noch ums Überleben.
Apropos Affärensumpf: La Dernière Heure stellt fest, dass bislang keiner der in die Publifin verstrickten Politiker seine astronomischen Sitzungsgelder zurückgezahlt hat. In diesem Zusammenhang hat es unter anderem sogar der Lontzener Bürgermeister Alfred Lecerf auf die Titelseite geschafft. Zur Begründung gibt der CSP-Politiker an, dass der Aufsichtsminister die von den Parteien eingeleitete Prozedur zur Rückzahlung der Sitzungsgelder vorläufig gestoppt habe. Er trage also keine Schuld.
Cash statt Firmenwagen gegen Verkehrsinfarkt
"Geld, um auf den Firmenwagen zu verzichten", so die Aufmachergeschichte von Le Soir. Die Föderalregierung hat eine Reform der außertariflichen Bezahlung beschlossen. Demnach bekommt ein Arbeitnehmer die Wahl: Entweder, er entscheidet sich für einen Firmenwagen; oder er bekommt den Gegenwert des finanziellen Vorteils in Geld ausbezahlt. Dies wohlgemerkt zu denselben steuerlichen Bedingungen.
"Endlich!", loben sinngemäß Het Laatste Nieuws und La Libre Belgique. Angesichts der jahrelang viel zu hohen Lohnnebenkosten sind in Belgien die Firmenwagen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Resultat: ein allgemeiner Verkehrsinfarkt. "Die Maßnahme der Regierung kann zu einem Umdenken führen', hofft Het Laatste Nieuws.
"Weg vom Auto, hin zu alternativen Verkehrsmitteln. Nur muss es die auch geben", mahnt La Libre Belgique. Die öffentlichen Verkehrsmittel hierzulande sind immer noch alles andere als effizient. Dieses Land braucht mehr denn je einen wirklich nationalen Mobilitätsplan.
Roger Pint - Bild: BRF Fernsehen