"Danke Radja!", titelt La Dernière Heure. "Radja erlöst Belgien", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg und Het Nieuwsblad. Radja Nainggolan ist heute auf allen Titelseiten. Der Mittelfeldspieler schoss in der 84. Minute das erlösende 1:0 gegen Schweden. Het Laatste Nieuws erlaubt sich denn auch ein Wortspiel mit seinem Nachnamen: "NaingGOALan". "Achtelfinale, wir kommen!", freut sich denn auch das GrenzEcho. "Und jetzt die Ungarn", titelt L'Avenir.
Das Achtelfinalspiel gegen Ungarn steigt am Sonntag um 21:00 Uhr in Toulouse. De Morgen sieht das Ganze durch die kulinarische Brille: "Wir hatten Köttbullar, jetzt ist Zeit für Gulasch". Köttbullar, das sind ja traditionelle schwedische Fleischbällchen und Gulasch, das ist das ungarische Nationalgericht.
Rote Teufel: "Die Chance ihres Lebens"
Gazet van Antwerpen denkt aber schon zwei Schritte weiter: "Jetzt dürfen wir vom Halbfinale träumen", schreibt das Blatt auf Seite eins. Tatsächlich hat Belgien ziemlich viel Losglück gehabt; die dicken Brocken wie Spanien, Deutschland oder Frankreich, die sind alle in der anderen Hälfte des Tableaus. Die Gegner, auf die die Roten Teufel treffen können, die gelten als "machbar"; nach Ungarn warten zum Beispiel entweder Nord-Irland oder Wales.
Nur sind bei aller Begeisterung doch nicht alle Zeitungen überschwänglich: "Minimaldienstleistung", titelt nüchtern Le Soir. Nach einhelliger Meinung hatten die Roten Teufel gestern nicht ihren besten Tag erwischt.
Immer noch hat man den Eindruck, dass der belgische EM-Zug nicht wirklich losgefahren ist, meint auch La Dernière Heure in einem Kommentar. Auch das Schwedenspiel hat wieder eine Reihe von offensichtlichen Mängeln offenbart. Die müssen korrigiert werden, wenn die Belgier es bis ins Finale schaffen wollen. Und das trotz des vergleichsweise einfachen Tableaus. Le Soir sieht das ähnlich. Trotz ihres Last-Minute-Sieges hat uns diese Mannschaft immer noch nicht wirklich überzeugt. Es fehlt die Souveränität, eine klare Ordnung. Das Team ist viel zu abhängig von individuellen Geistesblitzen seiner Superstars. Liegt es am Druck? Sind es vielleicht taktische Mängel? Da ist jedenfalls noch Luft nach oben. Und die Roten Teufel sollten sich darüber im Klaren sein: Eine solche Chance, in einem großen Turnier weit zu kommen, die bekommen sie nie mehr. "Meine Herren, das ist die Chance ihres Lebens", wendet sich Le Soir an die Spieler. "Vergeigen sie es nicht".
"Should they stay or should they go?"
Nahezu genauso viel Aufmerksamkeit bekommt aber das heutige Brexit-Referendum in Großbritannien. "D-Day für die Zukunft der Briten in Europa", so etwa die Schlagzeile von L'Avenir. "Should they stay or should they go?", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Sollen sie bleiben oder sollen sie gehen?". Das ist eine Abwandlung eines Songs, der englischen Rockband "The Clash", wobei The Clash wohl auch das allgemeine Klima auf der Insel treffend auf den Punkt bringt.
"Bibbern vor dem Brexit", titelt Het Nieuwsblad. Sollten sich die Briten für einen Ausstieg aus der EU entscheiden, dann würde das wohl ein mitunter heftiges Erdbeben auslösen, sowohl wirtschaftlich als auch politisch.
Vor diesem Hintergrund reduziert sich das Referendum für De Standaard letztlich auf die Frage: "Stimmen die Briten heute mit ihrem Bauch oder mit ihrem Kopf?".
Stay with us!
"Stay with us", wendet sich Le Soir an die britischen Wähler, bleibt bei uns. Natürlich will niemand, den Briten irgendetwas vorschreiben. Es muss aber erlaubt sein, seine Meinung zu dem Thema einmal zum Ausdruck zu bringen. Zwar gibt es mit Sicherheit auch gute Gründe, auf einen Brexit zu hoffen. Denn machen wir uns nichts weis, seit ihrem Beitritt 1973, haben sich die Briten viel zu oft als Bremser und Quertreiber hervorgetan. Und doch überwiegen die Argumente, die für einen Verbleib in der EU sprechen. Nicht nur, dass Europa gerade jetzt angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen ein vitales Interesse daran hat, geschlossen aufzutreten, exakt vor diesem Hintergrund sollte man nicht auch noch durch einen Brexit die Thesen der Populisten und Nationalisten in ganz Europa bestätigen.
Genau davor warnt auch Het Belang van Limburg. Marine Le Pen in Frankreich, Hans-Christian Strache in Österreich, Geert Wilders in den Niederlanden, sie alle würden im Falle eines Brexit wohl den Champagner köpfen.
Davon abgesehen würde wohl ganz Europa bei einem Brexit Neuland betreten, warnt Het Nieuwsblad. Es mag sein, dass die meisten diesbezüglichen Prognosen letztlich auf Kaffeesatzlesen hinauslaufen. Aber wenn wir eins sicher wissen, dann eben, dass niemand weiß, was da kommen wird. Eine solche Unsicherheit ist Gift, erst recht angesichts des zaghaften Wachstums in der EU. Deswegen wird es ja wohl noch erlaubt sein, im Stillen auf ein "Ja" der Briten zu Europa zu hoffen.
Brexit-Referendum - Heilsamer Schock?
Einige Zeitungen sind richtig wütend auf die Briten, genauer gesagt auf den britischen Premier David Cameron. Der Zauberlehrling von Downing Street hat mit seinem politischen Wagnis der EU schon jetzt gewaltigen Schaden zugefügt, wettert La Libre Belgique. Gleich wie es ausgeht, meint auch L'Avenir: Europa wird sich nur schwer von dem niederträchtigen Tiefschlag der Briten erholen.
In einem Punkt sind sich aber alle Zeitungen einig. Ungeachtet seines Ausgangs darf das britische Referendum nicht ohne Folgen bleiben. In Großbritannien lautet die Frage im Grunde: "Will ich oder will ich nicht?". Die wahre Frage ist aber: "Was wollen wir eigentlich?", meint L'Écho. Mehr Demokratie, mehr Wohlstand, mehr Gerechtigkeit. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten.
Die EU zu zerpflücken, das ist jedenfalls die falsche Antwort, glaubt De Standaard. Einheit in Verschiedenheit, das ist der Schlüssel. Die EU muss sich jetzt hinterfragen. Für La Libre Belgique gibt's da aber nur eine Möglichkeit: Die Staaten, die es mit der europäischen Integration ernst meinen, die sollten jetzt im Alleingang mehr Europa wagen.
Roger Pint - Bild: Bruno Fahy/BELGA