Das Fernsehen, das Radio, die Zeitungen, Experten und Politiker jedweder Couleur - sie alle liefern uns aktuell rund um die Uhr die große Hadja-Lahbib-Show. Und das kleine Handbuch des Parteipropagandisten beziehungsweise des PR-Consultants lehrt uns ja, dass es so etwas wie schlechte Publicity gar nicht gibt. Nach dieser Logik müsste Frau Lahbib im nächsten Jahr also Premierministerin werden und ihre MR erdrutschartig alle anderen frankophonen Parteien von der Landkarte fegen.
Wobei mediale Omnipräsenz natürlich auch das genaue Gegenteil bewirken kann: Überdruss. Dieser Punkt trifft übrigens nicht nur auf Frau Lahbib und ihre Partei zu, sondern quer durch die Bank auf die gesamte politische Klasse, Opposition inklusive. Wenn man möchte, dass in Zukunft nur noch unverbesserliche Masochisten politische Debatten verfolgen und Menschen natürlich, die das aus beruflichen Gründen tun müssen, dann muss man genau so eine Spektakelpolitik veranstalten wie jetzt gerade.
Noch ein kleines Gedankenspiel: Wenn man heute Abend oder am Wochenende von mir aus zufällig ausgewählten Durchschnittsmenschen ein Mikro unter die Nase halten würde, was würden die wohl auf die Frage antworten, was sie bewegt? Das Schicksal von Hadja Lahbib dürfte - wenn sie sie überhaupt kennen - bei den meisten wohl nicht allzu hoch auf der Prioritätenliste landen.
Was die Menschen wirklich bewegt, das ist zum Beispiel ihre Arbeit, ob und wieviel Rente sie irgendwann bekommen, warum sie so hohe Steuern zahlen müssen oder vielleicht auch, ob unsere Energieversorgung jetzt eigentlich gesichert ist.
Rein zufällig alles Themen, zu denen uns von der aktuellen Regierung schon lange große Reformen oder Einigungen versprochen worden sind. Auf der Habenseite sehe ich hier aber bisher nur gähnende Leere.
Ein Jahr bis zu den Wahlen
Zum Glück haben wir ja noch fast ein ganzes Jahr bis zu den Wahlen, so ganz sterben lassen müssen wir die Hoffnung also immerhin noch nicht.
Tja, zumindest, wenn die Parteien in der Regierung nicht ihre ganze Energie und Zeit Frau Lahbib und den politischen Hinterzimmerspielchen um ihre Zukunft widmen würden.
Damit will ich gar nicht sagen, dass es nicht wichtig ist, festzustellen, ob sie das Parlament nun wissentlich belogen hat oder nur irgendwie unerfahren-unglücklich kommuniziert hat. Im Gegenteil, ich bitte um eine saubere, zügige, lückenlose und sachliche Aufarbeitung. Mit entsprechenden Konsequenzen in der einen oder anderen Richtung. Aber bitte im Hintergrund und ohne dass dadurch der ganze Laden der restlichen Regierungsarbeit zum Stillstand gebracht wird.
Und was für die Affäre Lahbib gilt, sollte bitte auch für alle anderen Vivaldi-Nebenkriegsschauplätze gelten: Ihr könnt euch gegenseitig so viel zur eigenen Profilierung fetzen wie ihr wollt, total egal, aber dann bitte nicht während der Dienstzeit und nicht auf Kosten des Volkes.
Und wenn es wirklich so sein sollte, dass wir hier von so tiefgreifenden Verwerfungen reden, dass Hopfen und Malz verloren sind beziehungsweise jegliches Rest-Vertrauen zerstört ist, auch gut! Dann aber Schluss mit dem Elend und dem Stillstand und vorgezogene Neuwahlen bitte. Wenn uns als Bürgern sowieso nur Seifenopern und Dramen mit ausgelutschten Drehbüchern geboten werden sollen, dann doch bitte zumindest mal mit neuen Gesichtern, danke.
Boris Schmidt
In der Tat gibt es wichtigeres als die angebliche Visa-Affäre. Der Wahlkampf hat begonnen, das ist alles. Das übliche Affentheater 🐒 das ist alles. Unterhaltsam ist es auf jeden Fall. Bitte nicht zu ernst nehmen.
Herr Schmidt hat es wieder auf den Punkt gebracht , danke!