Vielleicht wäre es ihm, dem Selbstverliebten, sogar schnuppe, wenn sich sein Andenken für viele auf die berüchtigten "Bunga-Bunga"-Partys beschränkt. Den Ausdruck wollte Silvio Berlusconi in einem Altherrenwitz seines Busenfreundes Muammar al-Gaddafi aufgeschnappt haben. Ihm konnte nichts schlüpfrig oder grobschlächtig genug sein.
Aber "Bunga Bunga" ist nicht einmal das, wofür er sich am meisten schämen sollte. Eher dafür, dass er einen höchst zweifelhaften Politikstil salonfähig gemacht hat. Der Erfolg seines Modells ließ sich ja nicht allein daran festmachen, dass der Selfmade-Man es 1994 in nur zwei Monaten von der öffentlichen Kandidatur zum Regierungschef geschafft hat. Weitaus verblüffender ist, dass er immer wieder damit durchgekommen ist. Was wohl erklärt, dass er auf der internationalen Bühne Nachahmer gefunden hat, die es noch toller treiben.
In Sachen Opportunismus hat ihn beispielsweise Boris Johnson längst getoppt: In dessen Partygate hat eine parlamentarische Untersuchung dem britischen Ex-Premier nun seine notorischen Lügen bescheinigt. Johnson war den erwarteten Sanktionen zuvorgekommen und hatte sein Abgeordnetenmandat niedergelegt. Er sieht sich als Opfer einer "Hexenjagd", sprach abfällig von einem "Kangoroo-Court", einem - in der angloamerikanischen Begriffswelt bekannten - Scheingericht. Und Boris Johnson will, wie immer, nix gewesen sein.
Das führt uns zu seinem ihm auch etwas ähnlich sehenden Pendant jenseits des großen Teichs. Es ist ja nicht nur die x-te Anklage, der sich Donald Trump stellen muss. Und es geht eben nicht nur um das Schweigegeld für einen früheren Pornostar - siehe oben, Bunga-Bunga.
Bei den kistenweise brisanten Regierungsdokumenten, die Trump, in seinem Privatanwesen unter anderem in einem Badezimmer (!) bunkerte und die er wohl auch Gästen zeigte, stellt sich ja vor allem die Frage: Was wollte er damit? Was hat er vor? Die Demokratie schützen sicher nicht. Unabhängig vom möglichen Strafmaß wiegen die Vorwürfe so schwer, dass der frühere Präsident politisch mausetot sein müsste. Normalerweise.
Und was macht Trump? Bestreitet jede Schuld, spricht wie immer von "Fake" und, siehe da, von "Hexenjagd". Und er schlägt reichlich Kapital daraus, womit nicht nur die ihm zufließenden Spenden gemeint sind.
Auch hier stand Silvio Berlusconi buchstäblich Pate, hatte bei allen Vorwürfen zur Korruption und Steuerhinterziehung immer das Unschuldslamm gegeben, besser noch (so viel Drama muss sein): die am meisten verfolgte Person in der Geschichte der Menschheit. Verfolgt von wem? "Von kommunistischen Richtern in ihren roten Roben". Gleichzeitig zwinkerte er seinen ebenfalls nicht ganz so "sauberen" Anhängern zu, dass man schließlich auch mal Fünf gerade sein lassen müsse.
In der italienischen Oper rufen dann alle "Bravo!" und "Da capo!" Bei Berlusconi ist der letzte Vorhang zwangsläufig gefallen. Bei Johnson sieht es danach aus, auch wenn er neuerdings Kolumnen für das Schundblatt "Daily Mail" schreiben darf. Und bei Trump wird es höchste Zeit. Höchste Zeit für Götzendämmerung.
Stephan Pesch
Herr Pesch.
Sie beklagen und beschreiben ein Problem.Das ist alles.Sie sagen nicht, warum Trump, Berlusconi, Johnson salonfähig werden konnten ? Die Antwort ist nicht so kompliziert.Weil große Teile der Bevölkerung das Vertrauen in die anderen Parteien verloren haben.Den traditionellen Parteien wird immer weniger zugetraut, die wirklich großen Probleme zu lösen.Große Teile der Bevölkerung haben den Eindruck, dass Klimaschutz und Klimawandel, Gendern, Ukraine-Krieg viel wichtiger sind als soziale Gerechtigkeit, Pflegenotstand, innere Sicherheit.Man hat nicht mehr den Eindruck, dass Politik Probleme lösen will sondern eine schöne Show abliefert, um die Handlungsunfähig zu verdecken.
Seit einigen Monaten ist ein Zögling von Berlusconi Ministerpräsidentin in Italien und die Welt ist auch nicht untergegangen.Italien ist Italien geblieben.Also man sollte nicht so sehr den Teufel an die Wand malen.Gar nicht wählen gehen ist viel schlimmer als Populisten wählen.Das ist stellenweise in Frankreich passiert.
Klar, dass ein Populist kein Problem damit hat, wenn Populisten gewählt werden.
Dass ist Italien eine Postfaschistin gewählt worden ist: kein Problem, die Welt ist noch nicht untergegangen. Bei Hitler war das auch kein Problem, spätestens 7 Jahre später wurde eins daraus. Richtig, das wird mit Meloni nicht passieren, aber vielleicht andere unschöne Dinge.
Noch schlimmer als Populisten zu wählen oder gar nicht zu wählen ist der aus Kränkung erwachsene Trieb, Politik undifferenziert schlecht zu reden oder sogar einer demokratischen Partei, die in den letzten 40 Jahren wie keine andere das Bewusstsein für zentrale gesellschaftliche Themen gefördert hat, das Existenzrecht abzusprechen.
Vom bequemen Sessel aus, lässt sich die Welt einfach regieren. Sich selber die Hände schmutzig zu machen ist bei Herrn Scholzen daran gescheitert, dass man ihm beim ersten Anlauf nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hat. Seitdem ist defätistisches Stänkern gegen Politik und Politiker der einzige gesellschaftspolitische Beitrag aus Eimerscheid.
Dieser Kommentar ist eine prägnante, treffsichere Darstellung der augenblicklichen Malaise der Demokratien: was beschämend war (und auch noch sein sollte) wird hoffähig gemacht, siehe auch AfD, Höcke und Konsorten.
Spaltung der Gesellschaft ist das Gebot der Stunde, Verniedlichung und Ignorieren von Kriegsverbrechen die Kehrseite der Medaille.
Frischs „ Biedermann und die Brandstifter“ lässt grüßen.
Herr Leonard.
Sie kommen immer mit den gleichen "ollen Kamellen".
Sie können die Sache drehen wie wollen. Die Populisten sind das Produkt der traditionellen Parteien. Das Ergebnis einer Fehlfunktion im System.
Zur Abwechslung mache ich es mal anders herum. Ich gehe in keine Partei mehr. Die können zu mir kommen 😁😁😁
Die Politik als Show-Bühne: war das nicht schon immer so? Schon seit der Antike und überall.
Ob Louis XIV auf einem Gemälde oder Berlusconi im Fernsehen und diversen Printmedien, das Prinzip ist stets das selbe: Die Kunst der SELBSTDARSTELLUNG.
Sind die "anderen" Politiker nicht auch so? na sicher, immer wenn sich die Gelegenheit bietet.
In diesem Sinne sind doch viele Politiker neidisch auf Berlusconi, und deshalb muss vor ihnen "gewarnt" werden.
Ein Oliver Paasch hat doch auch als Ziel mittels BRF und Grenzecho in Ostbelgien als Provinz-Napoleon so zu erscheinen wie ein Berlusconi in Bella Italia.
Oder...😉
Herr Leonard. Herr Velz.
Gegen Populisten gibt es nur eine Methode : besser sein, dh glaubwürdige Politik + direkte Demokratie + soziale Gerechtigkeit.
Der moralische Zeigefinger nutzt da nur wenig, hat höchstens Unterhaltungswert.