Gibt es ein zynischeres Bild für menschliche Kälte? Migranten werden von Schleusern in hermetisch geschlossene Kühlcontainer gesteckt, damit Atemluftscanner und Wärmesensoren von Zoll und Grenzschutz die blinden Passagiere nicht erfassen können. Das dürfte den 39 Migranten, bei denen Herkunft und Motivation jetzt erst mal keine Rolle spielen, zum Verhängnis geworden sein - wie in einem ähnlichen Fall im Jahr 2000.
Dafür werden andere auf dem Mittelmeer in überfüllte Schlauchboote gepfropft und müssen hoffen, dass jemand sie aus Seenot rettet.
Oder sie stranden in Auffanglagern, die sich wie der Vorhof zur Hölle ausnehmen.
Das alles ist für uns nicht 7.000 Kilometer weit weg wie für den Dampfplauderer Donald Trump, aber doch weit genug, um unser Gewissen nur für die Dauer ihres Nachrichtenwertes zu beunruhigen.
Es sei denn, es rückt auch räumlich wieder näher an uns heran. Etwa wenn Fedasil neue Aufnahmekapazitäten schafft wie zuletzt in Ferienzentren der Armee in Spa und Bastogne oder ab der kommenden Woche wieder auf dem Campingplatz in Sart-lez-Spa.
Oder durch die Transitmigranten, die auf dem Weg nach England nur möglichst schnell hindurchwollen durch unser Land. Seit Mitte dieser Woche ist der Autobahnparkplatz bei Barchon nachts für Lastwagen gesperrt. Die Bürgermeister von Blegny und Soumagne hatten Alarm geschlagen, dass hier zunehmend Migranten - meist junge Männer aus Eritrea - versuchten, einen Lkw nach Großbritannien zu erwischen.
Reicht das, um diese Menschen daran zu hindern, sich auf solche Himmelfahrtskommandos einzulassen? Nachdem sie Gott weiß was durchgemacht haben, um dem Ziel so nahe zu kommen. Oder etwa dass man ihnen Strafen androht für das unbefugte Mitreisen im Lkw, wie es der NV-A-Abgeordnete Christoph D’Haese bei der Kammeraussprache nach der Tragödie mit dem Kühlcontainer forderte?
Es wird immer Leute geben, die es versuchen. Und es wird andere Leute geben, die davon profitieren, dass sie bereit sind, dafür mit ihrem Hab und Gut zu bezahlen - und im schlimmsten Fall mit dem Leben.
Die Schleuserbanden sitzen überall: in den Herkunftsländern, auf den Zwischenetappen, mitten unter uns - wie jüngste Fahndungserfolge der deutschen Polizei im Grenzgebiet zeigen. Diese Verbrecher gehören in den Fokus der Sicherheitsbehörden, weniger die Menschen, die bereit sind, alles zu opfern für ein besseres Leben.
Wir können Parkplätze sperren, wir können Zäune bauen wie die Ungarn oder Dänemark - aufhalten wird das diejenigen nicht, die kommen wollen. Wir können auch viel Geld in die Hand nehmen, um Despoten wie Erdogan die Drecksarbeit zu überlassen. Das hat sich als wirksame Lösung erwiesen, macht aber im Gegenzug erpressbar, wie seine Reaktion beim Einmarsch in Nordsyrien zeigt.
Ich höre schon: Fluchtursachen bekämpfen, dafür sorgen, dass die Migranten keinen Grund haben, ihr Land zu verlassen - schön und gut. Und: "Wir können doch nicht ganz Afrika bei uns aufnehmen." Können wir natürlich nicht, müssen wir auch nicht.
Aber den Zuwanderungsdruck können wir nicht ignorieren. Vom Wegschauen wird’s nicht besser. Stattdessen wird es endlich Zeit, eine vernünftige und machbare Immigrationspolitik umzusetzen, mit legalen und sicheren Wegen - eine Politik, die den Schleusern das Geschäft verdirbt. Und Menschenleben rettet.
Stephan Pesch