"Expéditions d'Égypte", eigentlich ist das ein Wortspiel. Auf der einen Seite geht es im Wesentlichen um das Gleiche wie im Deutschen: eine Expedition eben, also im vorliegenden Fall eine Forschungsmission. Zum anderen bedeutet "expédition" aber auch so viel wie Versand, "Verschickung", wenn man will. Das Resultat war für die Königlichen Museen für Kunst und Geschichte in beiden Fällen das gleiche: Solche "Expeditionen" vergrößerten ihre Sammlung.
Und eigentlich geht es um eben diese Sammlung bei der Ausstellung "Expéditions d'Égypte". Man wollte nachvollziehen, wie die Stücke nach Brüssel gelangt sind: Durch Ankauf? Als Resultat einer archäologischen Kampagne? Durch Schenkungen? "Wir wollten wissen, wie unsere ägyptologische Sammlung entstanden ist", sagt Luc Delvaux, der Konservator der Kollektion.
Und die Ausstellung ist das Ergebnis dieser Forschungen. Das geht aber noch weiter: "Im Grunde wollten wir sozusagen die Biographie der Ausstellungsstücke rekonstruieren", sagt Luc Delvaux. "Von der Zeit, in denen sie in Gebrauch waren, also im alten Ägypten, über ihre Entdeckung und ihre Reise nach Brüssel bis heute."
Die Ausstellungsmacher haben diesen Prozess in sieben Phasen unterteilt. Der Grundstein der ägyptischen Sammlung wurde schon kurz nach der Staatsgründung in den 1840er Jahren gelegt. Einen mächtigen Schub gab dann aber der damalige Prinz Leopold, der spätere Leopold II. Zweimal reiste der Herzog von Brabant nach Ägypten: 1855 und 1862/63. Beide Male wurde er von den örtlichen Behörden reich beschenkt. Diese Kunstwerke landeten nach dem Tod des Monarchen in den Königlichen Museen für Kunst und Geschichte. Alle, bis auf zwei wunderbare Statuen der löwenköpfigen Göttin Sachmet. Die blieben im Palast. Und eine davon wird jetzt zum ersten Mal im Rahmen der Ausstellung der Öffentlichkeit gezeigt.
Noch viel bemerkenswerter ist aber die "Dame de Bruxelles". Die stammt aus einer von mehreren Privatsammlungen, die dem Museum am Cinquantenaire-Park in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überlassen wurden. Bei dieser "Dame de Bruxelles" handelt es sich um eine Statue aus der Frühzeit, genau gesagt aus der zweiten Dynastie, 2.800 vor Christus, also noch vor dem Bau der Pyramiden. Und hier sieht man, dass die alten Ägypter die Bildhauerei noch nicht so richtig beherrschten, erklärt Luc Delvaux. Es ist eine der ältesten Frauenstatuen, die weltweit bekannt ist. "Dame de Bruxelles" heißt die Statue übrigens vor allem deswegen, weil man nicht weiß, wen sie darstellt.
Richtig beeindruckend wird es dann aber in dem großen Saal, der im räumlichen wie im übertragenen Sinne das Herzstück der Ausstellung ausmacht. In den 1890er Jahren war in Deir el-Bahari, nördlich von Theben, ein riesiges Grab entdeckt worden. In dieser sogenannten "Königscachette" wurde eine enorme Anzahl von Särgen entdeckt. So viele waren es, dass die damaligen ägyptischen Behörden überfordert waren. Also wurde eine Reihe dieser Fundstücke befreundeten Ländern überlassen. Belgien bekommt zehn dieser Särge. In den letzten Jahren wurden diese Stücke aufwendig restauriert; die Arbeiten wurden gerade erst abgeschlossen. "Entsprechend sind wir stolz und glücklich, die Artefakte jetzt im Rahmen dieser Ausstellung präsentieren zu können", sagt Konservator Luc Delvaux.
Wer die ägyptologische Sammlung aber definitiv zu dem gemacht hat, was sie jetzt ist, das war der heute legendäre Konservator Jean Capart, der übrigens sogar in diversen Comics von belgischen Zeichnern verewigt wurde, allen voran Hergé. Unter Capart verzehnfachte sich die Zahl der Stücke; heute sind es 12.000. Capart hatte den verwegenen Traum, Brüssel zur Welthauptstadt der Ägyptologie zu machen. Und einen Moment lang ist ihm das auch gelungen; das könne man in den Publikationen der damaligen Zeit nachlesen, sagt Caparts heutiger Nachfolger Luc Delvaux.
Die meisten der im Rahmen der Ausstellung gezeigten Stücke, rund 85 Prozent, wurden bislang noch nie der Öffentlichkeit präsentiert. Sie lagerten seit Jahrzehnten in den Magazinen des Museums. Nicht, weil sie uninteressant wären, sondern schlicht und einfach, weil die Brüsseler Sammlung viel zu umfangreich ist. "Darunter ist eine ganze Reihe von kleinen Meisterwerken, die wir nun endlich mal zeigen können", so Delvaux.
Roger Pint