"Das Ziel dieser Ausstellung ist es, ein Bewusstsein zu schaffen für das, was man 'Dekolonialisierung in der Architektur' nennt", sagt Nikolaus Hirsch. Er ist der künstlerische Leiter von Civa und mitverantwortlich für die neue Ausstellung. Vom Ende des 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hätten in Belgien viele Welt- und Kolonialausstellungen stattgefunden. Diese Ausstellungen hätten die belgische Kunst und Architektur dieser Zeit stark geprägt. Allen voran die Kunstrichtung "Art Nouveau", Jugendstil.
Wem gehört ein kulturelles Erbe? Das sei eine zentrale Frage, die die Idee zu der Ausstellung geliefert habe. Zurzeit, so Hirsch, herrsche noch die Vorstellung vor, dass Kultur einer gewissen Gesellschaftsschicht gehöre. Aber Kultur sei etwas, das "immer wieder neu konstruiert wird", sagt der in Karlsruhe geborene Hirsch. "Deshalb stellen wir die historischen Materialien zu Art Nouveau oder auch Art Déco in einen direkten Zusammenhang mit zeitgenössischen Künstlern und Architekten."
Das Ergebnis ist in sieben Räumen des Civa-Gebäudes in der Brüsseler Stadtgemeinde Ixelles zu sehen. Pavillons werden diese Räume genannt in Anlehnung an die verschiedenen Räumlichkeiten bei Weltausstellungen. In einigen dieser Pavillons sind Installationen zu sehen – zum Teil mit Film- und Musiksequenzen, und Fotos und Bilder. Zentral ist dabei die Installation "Traumnovelle", in der Fotos von Welt- und Kolonialausstellungen in Belgien gezeigt werden.
Auf eine chronologische Darstellung sei bewusst verzichtet worden um zu zeigen, dass eine andere, neu interpretierte Geschichtsschreibung möglich sei, heißt es im Pressematerial zu der Ausstellung. Mit der ihre Macher die Besucher zum Nachdenken anregen wollen. "Was man von solch einer Ausstellung mitnehmen kann in seinen Alltag ist vielleicht: Geschichte zu hinterfragen. Die Bedeutung von Bildern auch zu hinterfragen", sagt Hirsch.
Seiner Meinung nach ist es wichtig, festgefahrene Vorstellungen aufzubrechen und zu öffnen für Diskussionen. "Ich glaube, Geschichte ist nur dann interessant, wenn man es als eine zeitgenössische Praxis begreift." Abschließende Antworten will die Ausstellung selbst dann auch nicht geben. Hirsch sieht sie vielmehr als einen "wichtigen Meilenstein" bei den Bemühungen, Architektur und Kunst zu dekolonialisieren.
Die Ausstellung "Style Congo. Heritage & Heresy" ist bis zum 3. September im Civa-Gebäude in Brüssel zu besuchen, Rue de l’Ermitage 55, 1050 Brüssel unweit der Place Flagey. In einem Begleitprogramm werden Diskussionsveranstaltungen und Stadtrundgänge angeboten. Weitere Infos dazu gibt es auf der Webseite des Civa.
Kay Wagner