Die Ausstellung zur Erinnerung an den 20. Konvoi 1943 von Mechelen nach Ausschwitz besteht aus zwei Teilen. Im ersten Obergeschoss des Museums sind Vitrinen zu sehen mit Gegenständen von Überlebenden. Ein Zeitpfeil hilft bei der historischen Einordnung. Mehrere Tafeln erklären Hintergrundwissen zu dem, was im Erdgeschoss in einem dunklen Raum gleichsam die künstlerische Aufarbeitung der damaligen Ereignisse bietet.
Schon einmal vorweg: Es ist hilfreich, zunächst die erste Etage zu besuchen, um die Fotoausstellung im Erdgeschoss in ihrer Tragweite zu verstehen.
Die Idee zu dieser künstlerischen Ausstellung hatte der Fotograf Jo Struyven. Er hatte über diese Deportationsfahrt gelesen, mit der am 19. April 1943 von Mechelen 1.631 Juden nach Auschwitz zu ihrer Vernichtung gefahren werden sollten. Struyvens Idee war es, wichtige Orte zu fotografieren, an denen der Zug damals in Belgien vorbeigefahren war.
236 Orte, die über Leben und Tod entschieden
Die Zugfahrt verlief nicht so, wie die Nazis es sich vorgestellt hatten. Widerstandsgruppen in Belgien sabotierten die Fahrt, sowohl von außerhalb als auch von innerhalb des Zuges. An vielen Stellen der Fahrt bekamen die Insassen die Möglichkeit, ins Freie zu springen. 236 Insassen taten das. 236 Orte, die über Leben und Tod entschieden. "Natürlich mussten wir zunächst historische Studien machen. 40 bis 50 Orte waren bekannt, an denen Menschen aus dem Zug gesprungen sind. Jetzt kennen wir gut 230."
Der Sprung aus dem Zug war allerdings nicht für alle tatsächlich der Sprung in die Freiheit. Die Hälfte der Flüchtenden wurde entweder direkt nach dem Sprung erschossen oder wieder in den Zug gezerrt. Dennoch: 118 Menschen retteten durch den Sprung ihr Leben.
Ein gutes Dutzend der Orte, an denen Juden damals aus dem Zug gesprungen waren, sind in der Ausstellung zu sehen. Fotograf Struyven hat diese Orte aus der Perspektive der Deportierten fotografiert, ist für seine Arbeit gleich mehrmals die Strecke von damals selbst mit dem Zug abgefahren.
Darstellung der Fotos im Jüdischen Museum
"Wir haben versucht, die wichtigsten Orte auf eine ästhetische Art und Weise darzustellen. Die Fotos leben dadurch, dass dort etwas Schlimmes, etwas Dramatisches passiert ist. Man sieht ein schönes Bild, aber es steht eigentlich für etwas ganz anderes. Zehn bis 15 Bilder sind also sehr ausdrucksstark, gerade wegen ihrer Doppeldeutigkeit."
Dem Betrachter erschließt sich das nicht unbedingt auf den ersten Blick. Weshalb der Besuch im ersten Stock der Ausstellung vorher eben hilfreich ist. Oder auch die Lektüre der Faltblätter und der Übersichtstafel, die sich am Eingang des abgedunkelten Raums mit den Fotos befinden.
Katalog zur Ausstellung im April
Ein Katalog zu der Ausstellung soll am 19. April vorliegen, genau zum 80. Jahrestag der denkwürdigen Zugfahrt. Unter dem Titel "236 Land(es)capes from the 20th Convoy" ist die Ausstellung noch bis zum 14. August im Jüdischen Museum in Brüssel zu sehen. Museumsleiterin Barbara Cuglietta wertet sie als wichtig, um an die schlimmen Verbrechen der Nazis auch in Belgien zu erinnern. "Mit den letzten Zeitzeugen, die jetzt sehr alt sind und nach und nach verschwinden, ist die Erinnerungsarbeit eine absolute Notwendigkeit. Gerade für die jungen Menschen ist es sehr wichtig, sich eine Ausstellung anschauen zu können, die es ihnen ermöglicht, in die Rolle dieser Gefangenen, die aber auch Helden sind, schlüpfen zu können."
"Diese Ausstellung versucht darüber zu informieren, was damals geschehen ist. Dann muss jeder selbst schauen, was er selbst machen kann, damit so etwas nie wieder passiert", sagt Fotokünstler Jo Struyven.
Kay Wagner