Es sind die kleinen, unbedeutenden Momente des Lebens, denen Künstlerin Chloé Op de Beeck ihre volle Aufmerksamkeit schenkt: das Warten auf einen Bus oder die Verrichtung einer alltäglichen Aufgabe wie Rechen. Chloé Op de Beeck ist Videokünstlerin, kombiniert Film und Fotografie mit Objekten - und schafft damit ganz eigene Installationen.
"Ihre Arbeit kommt mir immer so vor, als würde eine Dichterin Poesie schreiben, aber mit Bildern", sagt Ikob-Direktor Frank-Thorsten Moll. "Sie hat auch eine sehr große Affinität zur Poesie. Das kommt, glaube ich, nicht von ungefähr. Sie beobachtet, schreibt, filmt – und aus diesen Filmen werden dann irgendwann Kunstfilme. Es wird viel geschnitten und ausgewählt. Im Grunde ist es wie eine Collage von visuellen Kunststücken."
Letztlich kreiert Chloé Op de Beeck Bewegtbilder, die so unbewegt wie möglich scheinen. In Zeiten der Hektik und Schnelllebigkeit versucht sie, mit ihrer Videokunst zu entschleunigen und ein Bewusstsein für das Sehen zu schaffen. In Loops, ohne Anfang und Ende, spielen sich die Sequenzen ab.
Und auch das Lokale nimmt eine wichtige Ebene in ihrer Kunst ein. Für ihre Ausstellung in Ostbelgien hat sie sich stark mit der Region auseinandergesetzt. Sie ist früh nach Eupen gekommen, hat Spaziergänge gemacht, das Ikob und die Umgebung gefilmt, erklärt Moll.
"Nachdem sie häufiger hier war, hat sie dann ganz bewusst Orte angesteuert, wie zum Beispiel das Kukuk an der Grenze zwischen Deutschland und Belgien oder die Talsperre. Sie ist wie eine Touristin, die sich so langsam tiefer reingräbt in das touristische Fleisch Eupens, vorgegangen und hat sehr viel gefilmt", erklärt Moll.
Und letztlich wurde alles, was jetzt im Ikob zu sehen ist, auch im Eupener Land gefilmt. "Ich bin selber darüber überrascht, weil das gar nicht so sehr das Ziel war. Wir hatten bei der Planung auch noch einen anderen Film im Visier, den ich sehr gerne gezeigt hätte. Aber tatsächlich ist alles hier entstanden."
Chloé Op de Beeck ist übrigens die zweite Künstlerin in Folge, die dieses Jahr im Ikob ausstellt - kein Zufall, denn das Ausstellungsjahr 2019 hat Ikob-Direktor Frank-Thorsten Moll den Frauen vorbehalten. "Kunsthistorisch muss man sagen, dass in der Kunst das Patriarchat bis heute noch an der Macht ist. Noch heute sind die wichtigen Entscheider Männer. Die Zahl der Direktorinnen wird zwar zum Glück immer mehr, aber die Galerien sind in fester männlicher Hand, die Künstler kriegen immer noch mehr Ausstellungen als Künstlerinnen."
"Und da eine Gleichheit herzustellen, ist eine gute Sache. Es ist auch nicht unfair, mal ein Jahr lang den Spieß rumzudrehen und zu sagen: Sorry, liebe Künstler, ihr könnt leider mal nicht mitmachen, weil ihr Männer seid." Chloé Op de Beeck hingegen kann mitmachen. Am Sonntag um 17 Uhr findet die Vernissage statt. Bis zum 16. Juni ist die Ausstellung "And then we take it from here" dann noch im Ikob zu sehen.
Melanie Ganser