Vielleicht liegt es daran, dass es im Sport oft schnell und laut zugeht, dass Thierry Luthers sich so gerne auf Friedhöfen aufhält. Der Friedhof ist Ruhe – und kondensierte Geschichte. Hier sucht der ehemalige Sportjournalist nach Gräbern von Persönlichkeiten. Luthers interessiert sich für die Menschen und ihre Geschichte – auf dem Friedhof. Warum auch nicht?
Dem studierten Historiker gefällt daran auch der Aspekt der Jagd, der Suche – und das gute Gefühl, wenn er ein Grab gefunden hat, sagt Thierry Luthers. "Erstens habe ich eine Ausbildung als Historiker an der Universität Lüttich absolviert. Zweitens habe ich vielleicht eine psychologisch komplexe Verbindung zum Tod. Und dann gibt es den Aspekt der Schnitzeljagd. Denn die Suche nach einem Grab, erst recht auf einem so großen Friedhof wie hier in Eupen, ist nicht immer einfach. Wenn man dann das gesuchte Grab findet, ist das ein gutes Gefühl."
Arbeit am Buch erfordert intensive Recherche
Das erfordert viel Recherche. Er habe Todesanzeigen von 1950 bis 2022 durchforstet. Wichtige Informationen kommen auch von den Bestattern und den Standesämtern der Städte und Gemeinden. Sechs Bände hat Luthers bereits herausgegeben. Der erste Band über die Provinz Lüttich ist eine Neuauflage – in der den Persönlichkeiten aus Ostbelgien mehr Platz eingeräumt wird.
Ob diese Menschen nun ein wenig oder sehr bekannt waren, sei gar nicht so wichtig. Er interessiere sich für Künstler, Politiker und natürlich Sportler – zum Beispiel Fred Evers, Grandseigneur der Liberalen, Bürgermeister und Parlamentspräsident. "Hier stehen wir vor dem Grab von Alfred Evers, der eine politische Größe in Eupen und in der Deutschsprachigen Gemeinschaft war. Ich habe ihn bei einer Karnevalsfeier kennengelernt. Er war ein sehr sympathischer und charmanter Herr, sehr beeindruckend auch."
Wallonie und Brüssel können von Ostbelgien lernen
Die Unterschiede zwischen der romanischen und der germanischen Gräberkultur beeindrucken ihn. Während man in der Wallonie und Brüssel mit dem Verbot von Pestiziden versucht, die Friedhöfe grüner zu machen, sind sie es in Ostbelgien aus Tradition.
"Erstens sind es sehr gepflegte Friedhöfe und ich denke, dass einige Gemeinden in der Wallonie und Brüssel gut beraten wären, hier einen kleinen Ausflug zu machen, um zu sehen, wie ein Friedhof gepflegt wird. Und zweitens sind es sehr grüne, waldreiche Friedhöfe. Sobald ein Friedhof Bäume, Büsche und Buchsbäume hat, wie hier in Eupen, gibt das natürlich sofort ein anderes Bild ab."
Gräber sind nicht nur Orte der persönlichen Erinnerung an geliebte Menschen und Vorfahren. Sie sind Zeitzeugen, architektonisches Erbe, Geschichtenerzähler – erhaltenswert. Das Buch von Thierry Luthers ist ein guter Führer und Anreiz, auch abseits von Allerheiligen die Friedhöfe der Region und ihre Bewohner zu entdecken. "Derniers domiciles connus", die Ausgabe Provinz Lüttich kann man direkt bestellen über die Facebook-Seite von Thierry Luthers oder per E-Mail an thiluandco@gmail.com.
Gudrun Hunold