Grundlage der Ausstellung ist ein Buch, oder besser gesagt die Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Arbeit. Am Afrikamuseum in Tervuren sind nämlich zahlreiche Wissenschaftler beschäftigt, die viel Forschung rund um Themen mit Afrikabezug betreiben. Oft dringen die Ergebnisse dieser Forschung nicht über die Wissenschaftswelt hinaus. Das soll mit der neuen Ausstellung einmal anders werden, was sehr wichtig sei, sagt Agnès Lacaille, eine der drei Wissenschaftler, die das Buch "Sammlungen überdenken" herausgebracht haben.
Wichtig sei die Ausstellung zu diesem neuen Buch deshalb, weil sie zeigt, dass Wissenschaft ihren Beitrag am öffentlichen und gesellschaftlichen Diskurs leisten kann - und dadurch eben auch ihre Berechtigung habe. Die gesellschaftliche Diskussion, die die Forscherin anspricht, ist die Debatte über die Rückgabe von afrikanischer Kunst an die afrikanischen Herkunftsstaaten. Kunst ist dabei nur der Oberbegriff für all die Gegenstände, die während, aber auch noch nach der Kolonialzeit aus Afrika nach Europa gekommen sind.
Zu dieser Debatte will die Ausstellung einen Beitrag leisten. Sie zeigt auf, wie Gegenstände aus Afrika von dort ins Museum nach Tervuren gelangt sind. Oder - um mit den Worten von Museumsleiter Bart Ovry zu sprechen: "Das Ziel der Ausstellung ist es, über ein Problem zu kommunizieren. Die Forschung nach der Herkunft der Objekte ist eng verbunden mit der Frage der Rückgabe dieser Objekte."
Geschichten einiger Gegenstände erzählt
In der Ausstellung werden die Geschichten einiger Gegenstände erzählt, die sich in Tervuren befinden. Diese Geschichten machen klar, dass jeder Gegenstand verbunden ist mit Menschen, für die der Gegenstand einmal eine Bedeutung hatte. Das soll die Besucher sensibilisieren für die Frage nach der Rückgabe dieser Gegenstände. Antworten zur Frage der Rückgabe gibt die Ausstellung nicht.
Warum sich der normale Bürger für die Ausstellung interessieren sollte? "Wir zeigen hier nicht nur das Erbe der Kongolesen, der Afrikaner. Sondern das ist ein Erbe der ganzen Menschheit. Deshalb geht dieses Erbe auch alle Menschen etwas an. Das ist die Aufgabe unserer Einrichtung, unseres Museums: Ein Ort des Dialogs, der Begegnung und der Verständigung zu sein", antwortet Museumsleiter Ouvry.
Im letzten Raum der nicht sehr großen, eigentlich nur aus vier Räumen bestehenden Ausstellung zeigt die Ausstellung dann auch noch einen anderen Weg auf mit dem Umgang der Gegenstände, die aus Afrika nach Europa gebracht wurden - nämlich einen Blick weg von der einfachen Frage: Soll man einen Gegenstand zurückgeben, ja oder nein?
Im letzten Raum wird vielmehr gezeigt, wie Künstler aus dem Kongo mit der Tatsache umgehen, dass viele Gegenstände heute eben nicht mehr im Kongo sind. Die Künstler verarbeiten diese Tatsache, indem sie Neues schaffen. Neues, das nicht mehr auf die Rückgabe der entführten Gegenstände pocht, die mittlerweile zum Teil auch ihre Bedeutung für die kongolesische Gesellschaft verloren haben. Sondern Neues, das die Vergangenheit mit dem Heute und Morgen verbindet.
Kay Wagner