Zugleich gaben sich die EU-Spitzen und auch die belgischen Verantwortlichen aber entschlossen: Man habe mit der Situation gerechnet und sei vorbereitet. "Unsere Reaktion wird prompt, gemeinsam und koordiniert sein", sagte demonstrativ entschlossen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch im Hinblick auf den neuerlichen russischen Gaslieferstopp. Der staatlich kontrollierte Erdgaskonzern Gazprom hatte am Dienstag angekündigt, Polen und Bulgarien nicht mehr zu beliefern. Zur Begründung hieß es, dass die beiden Länder sich weigerten, in Rubel zu bezahlen. Das allerdings gilt für fast alle Kunden in der EU. Quasi folgerichtig drohte der Kreml am Mittwoch schon anderen Ländern mit ähnlichen Schritten.
"Dass Russland versucht, fossile Brennstoffe zu nutzen, um uns zu erpressen, ist für uns aber keine Überraschung", sagte von der Leyen. Entsprechend habe sich die EU-Kommission auch schon auf eine solche Situation vorbereitet. "Wir werden sicherstellen, dass die Entscheidung von Gazprom die geringstmöglichen Auswirkungen auf die europäischen Verbraucher haben wird." Ganz konkret sei es so, dass Polen und Bulgarien jetzt Gas von ihren EU-Nachbarn bekommen. Das zeige nicht nur, wie groß die Solidarität unter den Mitgliedstaaten ist, sondern auch, wie wichtig es war, in der Vergangenheit in grenzüberschreitende Energieverbindungen zu investieren.
Noch beschränkt sich der Lieferstopp eben auf Polen und Bulgarien. Doch selbst wenn Russland auch andere Länder ins Visier nehmen sollte, hätte das nur sehr bedingte Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Belgien - um nicht zu sagen: gar keine. Nur sechs Prozent des in Belgien verbrauchten Gases sei russischer Herkunft, sagte die föderale Energieministerin Tinne Van der Straeten. Und der Gasterminal in Zeebrugge sei ein zusätzlicher wertvoller Trumpf. Dorthin kann ja Flüssiggas geliefert werden, das dann in die Netze eingespeist wird.
Pro Jahr können über Zeebrugge rund 9 Milliarden Kubikmeter Gas eingeführt werden. Es gebe derzeit also keinen Grund, für Belgien die Frühwarnstufe der Gasnotfallversorgung auszurufen, wird Van der Straeten zitiert. Die Versorgungssicherheit sei in Belgien im Augenblick in keiner Weise bedroht, sagte die Energieministerin auch in der VRT. Doch gibt es eine Auswirkung, der auch Belgien sich nicht entziehen kann: Direkt nach Bekanntwerden der russischen Entscheidung schoss der Gaspreis erneut in die Höhe, ein Plus von 13 Prozent. Wobei er aber von seinen Höchstständen im März weit entfernt ist.
Der neuerliche Gaslieferstopp sei aber ein Grund mehr, sich verlässliche Partner zu suchen und vor allem die Energieunabhängigkeit Europas weiter voranzutreiben, sagte Kommissionspräsidentin von der Leyen. Unter anderem gibt es ein Abkommen mit den USA über zusätzliche Lieferungen von Flüssiggas. Außerdem will die EU die Energiewende weiter beschleunigen. Nachzugeben ist in jedem Fall keine Option. Angesichts von Presseberichten, wonach einige Energieunternehmen in der EU durchaus darüber nachdenken, ihre Gaslieferungen in Rubel zu bezahlen, gab sich von der Leyen unerbittlich: "Wenn die entsprechenden Verträge das nicht ausdrücklich erlauben, dann wäre das ein klarer Verstoß gegen die EU-Sanktionen. Und damit ein großes Risiko für die betreffenden Unternehmen."
Insofern schade sich Russland eigentlich nur selbst, sagte von der Leyen, indem man sich eben selbst von wichtigen Einnahmen abschneide - und das im Übrigen auch dauerhaft. Wir werden unsere Anstrengungen in Richtung einer Energieunabhängigkeit noch schneller vorantreiben, sagte die Kommissionsvorsitzende. Und das ist dann ein für alle Mal und für immer.
Russland macht ernst: Gaslieferstopp nach Polen und Bulgarien
Roger Pint