Eines vorab: Das war keine Vorwegnahme der Bewertung, die die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) über den Astrazeneca-Impfstoff abgeben wird. Das machte Emer Cooke, die Generaldirektorin der EMA, bereits zu Beginn der Pressekonferenz unmissverständlich klar. Die Untersuchung sei im Gange. Deswegen würden auch keine Ergebnisse der wissenschaftlichen Bewertung vorgestellt. Es gehe nur um die Schritte, darum, was die EMA gerade tue und wann mit Schlussfolgerungen zu rechnen sei.
Die Online-Pressekonferenz sei angesichts des beispiellosen Interesses an der Sicherheit des Astrazeneca-Impfstoffs anberaumt worden. Die EMA nehme die Situation sehr ernst und tue alles dafür, um die Möglichkeit jeglicher seltener Nebenwirkungen zu beurteilen. Seit der Analyse der vorläufigen Daten und Berichte in der vergangenen Woche habe man weitere Experten und Spezialisten hinzugezogen und setze die Arbeit fort.
Aber sie müsse auch klarstellen, dass so eine Situation wie jetzt nicht unerwartet sei, wenn man Millionen von Menschen impfe, erklärte die Generaldirektorin. Es sei unvermeidlich, dass es nach den Impfungen zu seltenen oder ernsten Erkrankungen kommen könne. Die Rolle der EMA bestehe darin, sicherzustellen, dass verdächtige Vorkommnisse schnell untersucht würden, um herauszufinden, ob es sich um echte Nebenwirkungen oder um Zufälle handele.
Man müsse sich auch immer vor Augen halten, dass es angesichts der Millionen verimpfter Dosen nur um eine sehr geringe Anzahl möglicher Fälle gehe und dass Blutgerinnsel beziehungsweise Thrombosen auch sonst in der Bevölkerung auftreten, also unter Normalbedingungen. Jedes Jahr entwickelten sich bei Tausenden Menschen in der EU Blutgerinnsel aus vielen verschiedenen Gründen. Deswegen müsste alle Daten und jeder einzelne Verdachtsfall und möglichst viele seiner Umstände genauestens und strengstens untersucht werden, um mögliche Zusammenhänge und Ursachen zu finden. Die Experten arbeiteten pausenlos und so schnell wie möglich daran.
Aber eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung brauche eben ihre Zeit. Das schulde man den Menschen auch, so Cooke. Sie wolle auch betonen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keine Hinweise gebe, dass die Probleme durch Impfungen verursacht worden seien.
Blutgerinnsel seien in den klinischen Studien nicht ursächlich aufgetreten und sie gehörten auch nicht zu den bekannten oder zu erwartenden Nebenwirkungen. Bei den klinischen Studien seien Blutgerinnsel in sehr wenigen Fällen aufgetreten, sowohl bei den Patienten, die den echten Impfstoff bekommen hätten, als auch bei denen mit dem Placebo-Mittel.
Die Häufigkeit von Blutgerinnseln bei geimpften Menschen scheine nicht höher zu sein als statistisch im Rest der Bevölkerung. Covid-Vakzine schützten vor einer Erkrankung, das gelte gerade für das Gesundheitspersonal und besonders gefährdete Gruppen, wie etwa Ältere oder Menschen mit chronischen Krankheiten. Und das sei ein sehr wichtiger Punkt bei der Nutzen-Risiko-Abwägung.
Die Europäische Arzneimittelagentur sei zum jetzigen Zeitpunkt noch immer fest davon überzeugt, dass die Vorteile des Astrazeneca-Impfstoffs die Risiken von Nebenwirkungen überwögen. Das Vakzin könne einer Covid-Erkrankung vorbeugen, die bis zu einer Krankenhausaufnahme oder dem Tod führen könne. Jeden Tag würden in der EU Tausende Menschen an dem Virus sterben. Und Blutgerinnsel würden bei geimpften Personen nur sehr selten auftreten. Das müsse man sehr, sehr vorsichtig bewerten, betonte Cooke.
Vandenbroucke: Impfungen mit Astrazeneca auszusetzen wäre unverantwortlich
Boris Schmidt